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Österreichische Asylpolitik
Flüchtlingsobergrenze - eine Forderung, viele Probleme

Die österreichische Regierung will 2016 maximal 37.500 Asylverfahren akzeptieren. Wenn diese Obergrenze erreicht ist, sollen Flüchtlinge an den Grenzen zurückgewiesen werden. Auf eine entsprechende Asyl-Notverordnung hat sich Wien zwar geeinigt, aber beschlossen ist sie noch nicht - und es ist zweifelhaft, wann sie kommt.

Von Ralf Borchard | 09.09.2016
    Flüchtlinge an der slowenisch-österreichischen Grenze.
    Flüchtlinge an der slowenisch-österreichischen Grenze. (picture alliance / EPA / Christian Bruna)
    Beschlossen wurde die Obergrenze noch unter SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, der im Mai zurückgetreten ist. 37.500 Asylverfahren will Österreich in diesem Jahr maximal akzeptieren. Vor allem der konservative Koalitionspartner ÖVP hatte darauf gedrängt. Faymanns Nachfolger, Christian Kern, fühlt sich an den Beschluss gebunden:
    "Wir haben uns auf 37.500 verstanden, und dabei bleibt es."
    Doch die Frage, was passiert, wenn die Obergrenze erreicht ist? Diese Frage ist nach wie vor offen. Die Regierung sagt: Dann werden Flüchtlinge an den Grenzen zurückgewiesen. Ungarn allerdings – von dort kommen nach wie vor die meisten Flüchtlinge – entgegnet: Wir nehmen sie nicht zurück. Ebenfalls ungeklärt: Wann tritt die entsprechende Asyl-Notverordnung in Kraft? Erst mit Erreichen der Obergrenze, sagt SPÖ-Kanzler Kern. Schon vorher, sagt ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka:
    "Ich glaube, hier irrt der Bundeskanzler schlicht und ergreifend. Denn wenn die Grenze erreicht ist, was soll sie dann bewirken. Das Feuerwehrauto erst zu kaufen, wenn’s bereits brennt, macht wenig Sinn."
    Asyl-Notverordnung noch nicht beschlossen
    Noch ist die entsprechende Asyl-Notverordnung gar nicht beschlossen, sie ist noch bis Anfang Oktober im Beratungsprozess. Und der Linzer Europarechtsexperte Franz Leidenmühler rechnet mit mehrjährigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Schlicht zu sagen: Stopp, wir akzeptieren keinen Asylantrag mehr, sei für ein Land nicht so einfach:
    "Es ist so, dass da wirklich der Staat bedroht sein muss, das Bestehen des Staates, des Funktionieren des Staates bedroht sein muss. Es müssen nahezu bürgerkriegsähnliche Zustände drohen. Also doch eine sehr hohe Schwelle, die der EuGH hier anlegt."
    Ist das verschärfte österreichische Asylgesetz also juristisch gar nicht haltbar?
    "Es ist doch sehr zweifelhaft, dass eine Überschreitung einer Zahl, die einigermaßen willkürlich vor einem Jahr gesetzt worden ist, von 37.500, dass die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit darstellt."
    Auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, der die Regierung zum Thema Obergrenze beraten hat, sagt zur Durchsetzung der Asyl-Verordnung:
    "Inkrafttreten kann sie schon, aber ob sie dann wirklich umgesetzt werden kann, mit dem Erfolg, den man sich davon erwartet, das ist eine andere Frage."
    Kritik von Amnesty International
    Die schärfste Kritik an der Regierung kommt von Amnesty International. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, meint auf die Frage, ob die beschlossene Obergrenze hält:
    "Wenn Österreich in irgendeiner Form noch ein Menschenrechts-definierter Staat sein will, wenn ein einziger Minister oder Ministerin noch ein Restgewissen, ein menschenrechtliches hat – dann Nein."
    Die meisten Bürgerinnen und Bürger, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, die die Integrationsarbeit leisten, würden gar keinen Notstand erkennen, meint Patzelt. Die Politik sei es, die ständig von Überforderung spreche und damit Flüchtlinge zu Sündenböcken mache:
    "Wenn man im Schulsystem seit Jahren nichts weiterbringt. Und was ich unfassbar finde ist, dass jetzt auch noch das Gesundheitssystem mit all seinen Schwächen, das gerade kaputtgespart wird, auch noch den Flüchtlingen in die Schuhe geschoben wird."
    Patzelts Fazit: Alles habe weniger mit ‚nicht können‘, sondern vielmehr mit ‚nicht wollen‘ zu tun: "nichts mit nicht können zu tun, sondern ausschließlich mit hässlichem Populismus."