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Österreichs Grenzanlage
Ein Zaun mit Lücken

In Österreich soll ein Grenzzaun entstehen, mit dem Flüchtlinge an den richtigen Übergang geleitet werden wollen. Doch einige Bürger bezweifeln inzwischen den Sinn der Anlage. Denn erstens kommen so viele Asylsuchende an dem Grenzverlauf gar nicht mehr vorbei. Und zweitens wird der Zaun Lücken haben - wegen zweier Landbesitzer.

Von Ralf Borchard | 14.12.2015
    Der Winzer Erich Polz zeigt auf den möglichen Verlauf des Grenzzauns im Tal nahe des Grenzübergangs Spielfeld - er verweigert sich diesem Vorhaben.
    Der Winzer Erich Polz zeigt auf den möglichen Verlauf des Grenzzauns im Tal nahe des Grenzübergangs Spielfeld - er verweigert sich diesem Vorhaben. (picture alliance / dpa / Matthias Röder)
    Seit einer Woche werden bei Spielfeld Metallpfosten in den Boden getrieben. Links und rechts des Grenzübergangs montieren Soldaten einen zweieinhalb Meter hohen Maschendrahtzaun. Monatelang gab es in der Regierung Streit, ob der Zaun wirklich Zaun heißen darf. Bundeskanzler Werner Faymann betonte, mit den ungarischen Grenzzäunen sei die Anlage keinesfalls zu vergleichen:
    "Es ist ein Unterschied, ob man eine Grenze baut – wir haben 2.600 Kilometer Grenze – oder ob man ein Türl baut, mit Seitenteilen."
    Länge von 3,7 Kilometern geplant
    Der österreichische Zaun soll nur 3,7 Kilometer lang werden und heißt offiziell Grenzmanagement-Leitsystem. Er solle Flüchtlinge nicht an der Einreise hindern, sondern zum regulären Übergang leiten, so Polizeisprecher Leo Josefus:
    "Es soll ein Leitsystem sein. Damit wir diese Bilder, die wir am Anfang gehabt haben, wo da wirklich Menschenmassen losdrängen und es teilweise zu Szenen kommt, die nicht sehr schön zum Anschauen waren, dass wir diese Szenen nicht haben."
    Allerdings: Von Massenandrang kann seit Wochen ohnehin nicht mehr die Rede sein. Es gab Tage, an denen fast überhaupt keine Flüchtlinge über die Grenze kamen, sagt Josefus:
    "Es war quasi null, wenn man von vereinzelten Grenzübertritten absieht."
    Klar ist inzwischen auch: Der Zaun wird Lücken haben. Zwei Grundstückseigentümer stellen sich quer, sie wollen von Verpachtung oder Entschädigungszahlungen nichts wissen. Einer ist der Winzer Erich Polz, der nicht einsieht, dass er Weinstöcke roden soll:
    "Wir haben ja hier unsere Weingärten. Und wir leben davon. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier ein Zaun weitergebaut wird. Wenn wir hier unsere Weinstöcke belassen, und davon gehe ich aus, wird auch kein Zaun sein."
    Landbesitzer wehren sich gegen den Bau
    Bei Helmut Strobl, früher Kulturstadtrat in Graz, ist die Weigerung grundsätzlicher Natur. Direkt am Grenzübergang Spielfeld beheizbare Container aufzustellen und ein Leitsystem zu installieren, sei sinnvoll, sagt er, aber quer über sein Grundstück, auf beiden Seiten der Grenze seit 100 Jahren im Familienbesitz – niemals:
    "Ich halte den Zaun für ziemlich unsinnig, weil, wenn man sich die Topografie genauer anschaut, dann kommt man darauf, dass es einige Probleme gibt, die fast nicht überwindbar sind."
    Der Zaun werde doch nur gebaut, um die Leute zu beruhigen. Hier im steilen Gelände, wo ohnehin kein Flüchtling auf die Idee komme, hinzusteigen, sei ein Zaun rausgeschmissenes Geld, so Strobl.
    Die Lücken im Zaun könnten sich auf bis zu 800 Meter Länge addieren. Zwingen will die Regierung niemanden, jedenfalls nicht zum Zaunbau. Dann werde man eben mit Kameras und Polizisten über die Lücken wachen, sagt Joachim Huber von der Landespolizeidirektion Steiermark:
    "Das können personelle Verfügungen sein, dass dort Beamte vor Ort sind, dass Streifentätigkeit durchgeführt wird. Das können aber auch technische Maßnahmen sein, Überwachungsmaßnahmen. Hier ist die Palette sehr breit."
    Aus dem Innenministerium in Wien heißt es unverdrossen, der Zaun solle bis Weihnachten fertig sein - Lücken hin oder her.