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Österreichs Sozialdemokraten
"Sie wurschteln vor sich hin"

Trotz des Erfolges in Wien sieht der Kabarettist Werner Schneyder die SPÖ in der Krise: Die Partei böte keine wirtschaftspolitischen Konzepte, sagte er im DLF. Ein bundesweiter Erfolg der FPÖ, wie ihn aktuell Umfragen vorhersagen, wäre eine "Staatskrise" - und er würde fluchen und toben.

Werner Schneyder im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.10.2015
    Der österreichische Kabarettist und Publizist Werner Schneyder.
    Der österreichische Kabarettist und Publizist Werner Schneyder. (picture-alliance/dpa-ZB / Thomas Schulze)
    Wie würde er reagieren, wenn die rechtspopulistische FPÖ bei der nächsten Wahl auf Bundesebene 2018 gewänne? "Fluchen und toben", so Schneyder im Deutschlandfunk. Zwar bestehe die FPÖ nicht aus Faschisten, doch sammelten sich "im Sog von rechtspopulistischen Parteien in der zweiten und dritten Formation natürlich Nationalnazis". Sollten solche Parteien an Führungspositionen gelangen, käme es sofort zu einem "Wechsel der ersten Garnitur", erwartet Schneyder. Deshalb seien diese Entwicklungen so bedenklich.
    Noch sieht der Kabarettist und Autor die FPÖ allerdings nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Partei sammle an den Rändern, "und wir haben leider zu viele Ränder." Die Rechtspopulisten hätten keine anderen Konzepte, als mit dem Finger auf Missstände hinzuweisen.
    "Die SPÖ macht im Grunde nichts"
    Schneyder kritisierte auch die SPÖ. Die Sozialdemokraten hätten kein Konzept, was die Wirtschaftswelt betrifft. "Sie machen im Grunde nichts: Sie verwalten und machen Krisenmanagement." Doch der "kleine Mann" erwarte von der Partei, "das Andeuten von Gerechtigkeit einzufordern".
    Wiens alter und nun wiedergewählter Bürgermeister Michael Häupl habe dies klar ausgesprochen, dies habe ihm geholfen, so Schneyder.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Dirk-Oliver Heckmann: Kabarettist und Publizist Werner Schneider. Ihn erreichen wir in Wien. Schönen guten Morgen, Herr Schneider.
    Werner Schneider: Guten Morgen!
    Heckmann: Herr Schneider, die SPÖ jubelt. Jubeln Sie mit?
    Schneider: Nein. Ich bin zufrieden! Ich meine, es ist so, dass eine starke Persönlichkeit, ein Intellektueller mit volkstümlicher Allüre, dieser Wiener Bürgermeister, die Sache noch einmal gerettet hat. Aber es enthebt die Sozialdemokratische Partei Österreichs nicht der Verpflichtung, ihrem Namen in irgendeiner Form gerecht zu werden. Die österreichischen Sozialdemokraten haben überhaupt kein Konzept, was die neue Arbeitswelt betrifft, was die neue Wirtschaftswelt betrifft. Das hängt ja damit zusammen. Sie wursteln vor sich hin, wie man auf Österreichisch sagt, und das ist nicht hinreichend. Zum Beispiel einer der wenigen Leute, die das klar aussprechen, ist der Wiener Bürgermeister. Und das hat ihm natürlich sehr geholfen.
    Heckmann: Was erwarten Sie denn jetzt von den Sozialdemokraten genau? Was machen die genau falsch?
    Schneider: Sie machen im Grunde nichts. Sie verwalten, sie betreiben Krisenmanagement. Das ist ein Wort, das man in Deutschland auch sehr gut kennt. Aber sie vermitteln den sogenannten Arbeiterbezirken, die jetzt wieder alle weggebrochen sind, überhaupt kein Konzept, was teilen in der Gesellschaft anlangt, Arbeitszeit teilen, Geld teilen. Man soll dieses abgedroschene Wort Umverteilung nicht überstrapazieren, aber das ist natürlich das, was der kleine Mann, wie man so sagt, gerne von den Sozialdemokraten hören würde: eine gesellschaftliche Gerechtigkeit, eine Andeutung von Gerechtigkeit wenigstens einzufordern. Und die Rechtspopulisten, wie sie Ihr Wiener Korrespondent genannt hat, die haben keine anderen Argumente, als sich zurückzulehnen und mit den Fingern auf Fehlentwicklungen zu zeigen. Sie haben keine Konzepte, sie wissen nichts, sie glauben nichts, sie befürworten nichts, sie sagen nur, die anderen machen alles falsch. Und wenn man keine Beweise hat, dem zu widersprechen, wird es natürlich eng.
    Heckmann: Aber sind das nicht vielleicht Fehlentwicklungen, vor denen die anderen Parteien, die SPÖ und auch die ÖVP, die unter zehn Prozent gerutscht ist, die Augen zugemacht haben?
    Schneider: Ja sicher!
    Heckmann: In der Flüchtlingskrise beispielsweise?
    Schneider: Ja, ganz sicher waren die zu indifferent. Ganz klar! Die FPÖ hat eine Stellung bezogen, sie ist seit jeher eine ausländerskeptische bis ausländerfeindliche und asylantenfeindliche Partei. Und das wird von vielen Leuten, die Angst haben, dass ihnen noch etwas weggenommen wird, zum Thema gemacht ihrer Wahlentscheidung. Die Sozialdemokraten haben nur deshalb in Wien ihr Fell gerettet, weil ja die Bürgerlichen, die ÖVP-Wähler diesmal gesagt haben, wir wählen den Häupl. Den Sozialdemokraten ist unten am Rand, am unteren Rand der Gesellschaft eine Menge weggebrochen. Sie sind gerettet worden von Grünen, die aus taktischen Gründen SPÖ gewählt haben, und von den Bürgerlichen, die gesagt haben, wir wollen den Strache nicht. Und das darf man jetzt nicht vergessen: Wien ist eine Kulturstadt und der Strache von seiner Persönlichkeitsstruktur her die personifizierte Unkultur.
    Heckmann: Und dennoch ist es, die FPÖ zu wählen, in Österreich schon lange keine Schande mehr. Wie ist das aus Ihrer Sicht zu erklären? Gibt es in Ihrem Umfeld Menschen, die sagen, ja, ich wähle die FPÖ, und wie reagieren Sie darauf?
    Schneider: In meinem Umfeld wählt kein Mensch die FPÖ. Es ist auch so in Österreich, wenn ein FPÖ-Wähler mit einem Menschen wie mir redet, gibt er nie zu, dass er FPÖ wählt. Wie in Kärnten dieser Rechtspopulist - und das war nun wirklich ein ganz gefährlicher Mann - Haider gewählt wurde, habe ich nie jemanden auf der Straße getroffen, der Haider gewählt hat.
    Heckmann: Aber Sie sind da vielleicht auch nicht so ganz repräsentativ, weil immerhin ein Wahlergebnis von 32 Prozent, das spricht ja für sich.
    Schneider: Ja!
    Heckmann: Die FPÖ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
    Schneider: In der Mitte der Gesellschaft ist sie nicht angekommen. Nein! Nein, nein! Nein, sie ist nicht in der Mitte der Gesellschaft. Sie sammelt an Rändern und wir haben eben leider zu viele Ränder.
    Heckmann: Ist die Verteufelung der FPÖ denn eigentlich noch angemessen? Das sind ja nun keine Faschisten, sondern greifen Probleme auf, so wie die CSU in Bayern ja übrigens auch Probleme aufgreift und das auch betont. Sehen Sie da Parallelen?
    Schneider: Es sind definitiv keine Faschisten. Aber im Sog von rechtspopulistischen Parteien sammeln sich in der zweiten und dritten Formation natürlich National-Nazis. Nazis gibt es in allen Nationen. Deshalb sage ich jetzt nicht österreichische Nazis oder deutsche Nazis, sondern National-Nazis. Und wenn solche Parteien in Führungspositionen, kommt es ja sofort zu einem Wechsel in der ersten Garnitur. Da kommen ja die Leute aus dem Untergrund. Von daher sind die Entwicklungen, die positiven Entwicklungen in den rechtspopulistischen Parteien so bedenklich.
    Heckmann: Vielleicht noch mal die Bitte, noch mal ein bisschen näher ans Telefon heranzugehen.
    Schneider: Gerne!
    Heckmann: Noch mal die Frage: Der Blick - Sie werden das beobachten - nach Bayern. Auch die CSU macht ja Schlagzeilen und sagt, sie muss Probleme, die die Bevölkerung sieht, aufgreifen. Sehen Sie da Parallelen zwischen der CSU und der FPÖ?
    Schneider: Natürlich, insofern, wenn man sich an Franz-Josef Strauß erinnert, der gesagt hat, rechts von der CSU darf es nichts mehr geben. In Österreich gibt natürlich die ÖVP, ich meine, sofern sie überhaupt noch interessant ist, den rechten Rand frei, weil das ist eben eine bürgerliche, urbane, reine Wirtschaftspartei. Eine Wirtschaftswachstumspartei, die nicht begriffen hat und nie begreifen wird, dass die Wachstumsideologie abgewirtschaftet hat und dass die Wachstumsideologie an die Wand gefahren ist. Und dass es heute gilt, zu teilen, wenn man in der Gesellschaft reüssieren möchte. Deshalb hat in Österreich die FPÖ einen schönen Freiraum.
    Heckmann: Herr Schneider, die FPÖ führt laut Umfragen jedenfalls, so ganz zuverlässig waren sie nicht bei den Wahlen jetzt in Wien, aber landesweit gilt die FPÖ als stärkste Kraft. Gesetz den Fall, die FPÖ würde das Kanzleramt in Österreich erringen, was würden Sie davon halten, was würden Sie dann machen?
    Schneider: Das wäre eine Staatskrise, denn ich kenne keinen Menschen, der als Präsidentschaftskandidat genannt wird, der einen FPÖ-Kanzler angeloben würde.
    Heckmann: Und Sie persönlich? Wie würden Sie reagieren?
    Schneider: Fluchen und toben.
    Heckmann: Die Reaktion von Werner Schneider, dem Kabarettisten und Publizisten, auf einen möglichen Wahlerfolg der FPÖ bei den landesweiten Wahlen in einigen Jahren. Noch ist es nicht so weit. Jetzt wurde erst mal in Wien gewählt und da ist die SPÖ als stärkste Kraft hervorgegangen. Herr Schneider, danke Ihnen für dieses Gespräch.
    Schneider: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.