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Offener Brief des Facebook-Gründers
Mark Zuckerberg wirbt für neues globales Denken

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg strebt für das größte Online-Netzwerk der Welt eine größere soziale Rolle an. In einem offenen Brief mit dem Titel "Globale Gemeinschaft aufbauen" warnt er vor isolationistischen Tendenzen und kündigt neue Software gegen Fake News an. Mehr als eine Imagekampagne?

17.02.2017
    Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg während einer Veranstaltung mit rund 1400 Zuschauern in der Arena Berlin.
    Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg während einer Veranstaltung mit rund 1400 Zuschauern in der Arena Berlin. (Facebook/dpa )
    Facebook-Gründer Zuckerberg gibt sich in dem politischen Text selbstkritisch. "Erschaffen wir eine Welt, die alle von uns wollen?", fragt er nachdenklich. Als Facebook gestartet sei, habe es keinen Zweifel an der Idee der weltweiten Vernetzung gegeben. "Inzwischen hat die Globalisierung weltweit Menschen zurückgelassen und es gibt Tendenzen, sich aus der weltweiten Vernetzung zurückzuziehen", stellt der 32-Jährige fest. Dabei sei es für die Menschheit wichtiger denn je, nicht als Städte und Länder, sondern als weltweite Gemeinschaft zu agieren.
    Das Heilmittel gegen die negativen Seiten der Globalisierung liefert der Manager gleich mit: Facebook. Das Netzwerk könne in Zukunft politische Institutionen stärken, bei Katastrophen helfen und das gesellschaftliche Engagement verbessern. Insgesamt geht Zuckerberg auf fünf Bereiche ein, in denen das Netzwerk und seine Nutzer den sozialen Zusammenhalt unterstützen könnten.
    Der Facebook-Chef setzt auf künstliche Intelligenz
    So kündigt der Facebook-Chef etwa an, dass in Zukunft die Vernetzung von Nutzern in virtuellen Gruppen gefördert werden soll. "Seit den 1970ern sind die Mitgliederzahlen in lokalen Vereinen teilweise um ein Viertel zurückgegangen – quer durch alle Gesellschaftsschichten", schreibt Zuckerberg. Wenn Facebook-Nutzer mehr Vorschläge für gemeinnützige Gruppen bekämen, könne das das Sozialwesen stärken. Als Beispiel nennt Zuckerberg den Flüchtlingshelfer Monis Bukhari aus Berlin, der Geflüchteten mit einer Gruppe dabei hilft, Wohnungen und Jobs zu finden.
    Zuckerberg reagiert auch auf Kritik an seinem Netzwerk, weil über die Live-Funktion Gewalttaten gestreamt werden können wie die Misshandlung eines geistig Behinderten in Chicago. Zuckerberg will die Übertragung solcher "schrecklich tragischen Ereignisse" in Zukunft durch den Einsatz künstlicher Intelligenz verhindern. "Wir forschen an Systemen, die Fotos und Videos auf Inhalte durchsuchen, die von unseren Mitarbeitern überprüft werden sollten", erklärt Zuckerberg. Allerdings sei diese Software noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Der Facebook-Chef will sie auch gegen Anwerbeversuche von Terroristen einsetzen.
    Zuckerberg möchte Internet für alle
    Auch auf Vorwürfe, Facebook schaffe Filterblasen und trage zur Verbreitung von Fake News und reißerischer Meldungen bei, reagiert Zuckerberg. Die Software prüfe nun, ob Nutzer einen Artikel vor dem Teilen auch gelesen haben. Wenn das der Fall sei, werde der Artikel prominenter platziert. Als unabdingbare Voraussetzung, damit Menschen weltweit besser informiert sind, sieht er einen uneingeschränkten Zugang zum Internet.
    Zuckerberg schreibt zudem, dass die moralischen Standards an die voranschreitende Globalisierung angepasst werden müssten. Damit spielt er auf ein historisches Foto an, das ein nacktes Mädchen im Vietnam-Krieg zeigt und von Facebook gelöscht wurde. "Bisher haben wir Darstellungen nackter Kinder sofort gelöscht – aus gutem Grund. Jetzt sind historisch wichtige Inhalte wie der Schrecken des Krieges erlaubt", schreibt Zuckerberg.
    Individuelle moralische Standards
    Zudem sollen Nutzer in Zukunft selbst Vorgaben machen können, ob ihnen pikante Inhalte angezeigt werden. "Wo liegt die Grenze bei Nacktheit? Wo bei Gewalt? Wann handelt es sich um Gotteslästerung?" So will Facebook auf Wunsch des Nutzers auch Inhalte blockieren, die nicht unter nationale Gesetze fallen – wieder mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Wer nichts angibt, bekommt den Standard, für den sich die Mehrheit der Nutzer in der Umgebung entscheiden. Zuckerberg nennt das ein "System der persönlichen Kontrolle und der demokratischen Referenden".
    Sein Text kann auch als Imagekampagne verstanden werden. Zwar steigt die Zahl der Nutzer weltweit – auf zuletzt 1,9 Milliarden Menschen im vierten Quartal 2016. Allerdings sah sich Facebook Ende des vergangenen Jahres auch zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, zum Aufstieg des US-Präsidenten Donald Trump beigetragen zu haben, weil für ihn positive gefälschte Nachrichten sich ungehindert im Netzwerk ausbreiten konnten.
    (tj/am)