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Offensive der Anti-IS Koalition
Der Ring um Mossul wird enger

Im Kampf um die Befreiung der nordirakischen Stadt Mossul von der Terrormiliz IS haben die irakischen Streitkräfte nach eigenen Angaben die Stadtgrenzen überschritten. Sie rechnen mit einem langen und schwierigen Häuserkampf. Auch Sprengfallen sind ein großes Problem - Spezialeinheiten der USA sollen sie entschärfen.

Von Anna Osius | 02.11.2016
    Ein Soldat steht hinter einem Haubitzen-Fahrzeug vom Typ "Caesar". Die Kanone ist schussbereit aufgerichtet.
    Ein französischer Soldat der Anti-IS Koalition am 31.10.2016 in der Militärbasis Qayyarah im Süden von Mossul. (AFP/ AHMAD AL-RUBAYE)
    Sie sind barfuß, durstig, am Ende ihrer Kräfte. Zwei Tage sind sie durch die Wüste gelaufen, um dem IS zu entkommen – dann hat ein Pick-up sie aufgesammelt und die Frauen, alten Männer und Kinder in ein Flüchtlingslager in der Nähe von Mossul gebracht. Ein heftiger Sandsturm tost um die Zelte, taucht alles in ein milchiges Licht. Die Flüchtlinge sind von Kopf bis Fuß von Staub bedeckt, überall ist Sand.
    "Endlich sind wir frei. Sagt diese alte Frau, eine Großmutter. Das runzelige Gesicht ist voller Staub, die dicke Brille notdürftig mit Klebeband zusammengehalten.
    Zwei Tage lang sind wir durch die Wüste gelaufen. Ich habe nichts mitnehmen können, nur das was ich am Leib trage."
    Bislang wurde nur das Umland vom IS befreit
    Sie hat es geschafft, ist endlich in Sicherheit – viele andere noch lange nicht. Denn der Kampf um die Stadt Mossul selbst hat jetzt erst begonnen – bislang wurde nur das Umland vom IS befreit. Die irakische Armee vermeldet erste Erfolge – die Truppen haben nach eigenen Angaben die Stadtgrenze passiert. Es gab heftige Kämpfe, Detonationen und Gefechte waren zu hören. Irakische Elitesoldaten nahmen den Sitz des staatlichen Fernsehens in Mossul ein. Es ist das erste bedeutende Gebäude, das die Armee seit Beginn der Offensive vom IS zurückerobert hat.
    "Den Fernsehsender Mossul TV haben wir jetzt unter Kontrolle, so dieser Kommandeur. Damit sind wir jetzt in der Stadt Mossul selbst. Und mit Gottes Hilfe werden wir Mossul befreien."
    IS-Regime des Schreckens in Mossul
    Es ist das erste Mal seit mehr als zwei Jahren, dass irakische Truppen wieder die Stadt Mossul betreten haben – damals überrannte die Terrormiliz Islamischer Staat die zweitgrößte Stadt des Irak. Augenzeugen berieten, dass der IS ein Regime des Schreckens in Mossul führt – grausame Hinrichtungen und drakonische Strafen für Kleinstdelikte sind offenbar an der Tagesordnung. Frauen berichten, dass sie das Haus nur mit Vollschleier und Handschuhen verlassen durften, Handys sind für alle Bewohner ebenso verboten wie Ballspielen für die Kinder.
    Dass die irakische Armee und ihre Verbündeten jetzt die Stadtgrenze von Mossul erreicht haben, heißt Beobachtern zufolge aber noch lange nicht, dass der IS bald besiegt ist: Die Streitkräfte rechnen mit einem langen und schwierigen Häuserkampf, in dem Zivilisten als menschliche Schutzschilder missbraucht werden könnten. Dutzende Menschen sollen erst kürzlich ermordet und in den Fluss Tigris geworfen worden sein.
    6.000 US-Soldaten im Irak sollen nicht am Boden kämpfen
    Auch Sprengfallen sind ein großes Problem – die vom IS befreiten Gebiete im Umland von Mossul sind mit Minen übersät. Diese zu entschärfen ist eine der Aufgaben, die die Spezialeinheiten der USA übernehmen – sie unterstützen im Namen der Anti-IS-Koalition die irakischen Streitkräfte. 6.000 US-Soldaten sind derzeit im Irak stationiert, in die Kampfhandlungen am Boden eingreifen sollen sie aber nicht, betont Washington immer wieder.
    USA plant ein Bombardement aus der Luft
    "Wenn die Dschihadisten Widerstand leisten und kämpfen, werden sie getötet. Das ist außer Frage. So der US-Sprecher der Anti-IS-Koalition. Wenn sie weglaufen, werden sie entweder gefangen genommen oder getötet. Sie werden keine Möglichkeit haben, zu fliehen. Sie haben so schreckliche Gräueltaten verübt, dass sie nicht davonkommen."
    Bis zu 1,5 Millionen Zivilisten noch in Mossul
    Der Ring um Mossul wird enger gezogen – während im Norden und Osten die kurdischen Peshmerga stehen, haben sich von Süden und Osten die irakischen Streitkräfte fortbewegt, im Westen kämpfen schiitische Milizen. Die Türkei will sich am Sturm auf Mossul beteiligen und verlegte Panzer an die irakische Grenze – sehr zum Missfallen der irakischen Regierung.
    Die Anti-IS-Koalition unter Führung der USA plant ein Bombardement aus der Luft - das allerdings schwierig wird - da in Mossul noch bis zu 1,5 Millionen Zivilisten leben. Tausende sind mittlerweile vor den Kämpfen auf der Flucht – die Vereinten Nationen rechnen mit bis zu 700.000 Flüchtlingen in den kommenden Wochen. Der schwerste Teil der Operation Mossul - der Sturm auf die Stadt selbst – er hat jetzt offenbar begonnen.