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Regierungsbildung in Spanien
Katalanische Partei ist entscheidend

Vier Mal hat Spanien in den letzten vier Jahren gewählt, zuletzt im November. Die Sozialisten wollen mit Podemos eine Linkskoalition bilden, sie ist aber auf die Unterstützung einer katalanischen Partei angewiesen, um Pedro Sánchez zum Regierungschef zu wählen.

Von Hans-Günter Kellner | 02.01.2020
Der Vorsitzende der linken Podemos-Partei, Pablo Iglesias (L) und der spanische Ministerpräsident und Kandidat für die Wiederwahl, der Sozialist Pedro Sanchez, applaudieren nach der Unterzeichnung ihres Regierungsabkommens auf dem Kongress in Madrid am 30. Dezember 2019.
Der Vorsitzende der linken Podemos-Partei, Pablo Iglesias (l) und der spanische Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sánchez, applaudieren nach der Unterzeichnung ihres Regierungsabkommens. (AFP /Gabriel Bouys)
Die Mienen spiegelten Erleichterung. Wochenlang hatten die Sozialisten mit Podemos verhandelt und keine Nachricht sickerte in dieser Zeit nach außen. Nun konnten der amtierende sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez und Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias ihr Regierungsprogramm vorstellen. Sánchez erklärte:
"Wir wollen dieses Land voranbringen, es soll besser werden, als es das heute schon ist. Wir wollen die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben, würdige Arbeit schaffen, angemessene Renten garantieren, eine gerechte ökologische Umgestaltung auf den Weg bringen, die Gleichstellung von Frauen und Männern garantieren und für soziale Gerechtigkeit sorgen."
Mehr Geld für Sozialpolitik, Rentenerhöhungen um die Inflationsrate, eine gesetzliche Beschränkung der Mietsteigerungen, ein höherer Mindestlohn – das ist der Kern der Vereinbarung.
Wohltaten und Zumutungen
Im Gegenzug sollen Menschen mit einem Einkommen ab 130.000 Euro mehr Steuern bezahlen. Podemos-Chef Pablo Iglesias sprach von einem historischen Abkommen, unterstrich, dass es sich um die erste Koalitionsregierung in Spanien seit dem Tod von Diktator Franco handelt und erklärte, warum sie so wichtig ist:
"Die soziale Sicherheit ist der Impfstoff gegen die Rechtsradikalen, die die Demokratie in Europa bedrohen."
Zudem wollen die Partner Maßnahmen der konservativen Vorgängerregierung von Mariano Rajoy zurücknehmen, so etwa Einschnitte beim Kündigungsschutz. Die Koalitionspartner haben dafür aber bislang noch keine Mehrheit, kommentierte der Politologe Victor Lapuente im spanischen Rundfunksender "Cadena Ser". Immer noch ist fraglich, woher die entscheidenden Stimmen im Parlament kommen sollen:
"Die Sozialisten benötigen ja die Unterstützung von acht bis zehn Fraktionen. Die haben teilweise widersprüchliche Forderungen. Es ist noch nicht sicher, ob sich die linken baskischen Separatisten oder ein Teil der katalanischen Separatisten tatsächlich enthalten werden. Sánchez braucht auch die Unterstützung der kanarischen, kantabrischen und galicischen Regionalisten. Daraus eine solide Koalition zu formen, wird nicht leicht."
Viel hängt insbesondere von der Republikanischen Linken Kataloniens ab – der größten der drei separatistischen katalanischen Fraktionen im spanischen Parlament. Parteichef Oriol Junqueras war erst im Herbst wegen Aufruhrs zu 13 Jahren Haft verurteilt worden.
Enthaltung würde reichen
Enthalten sie sich der Stimme, könnte der Weg für Pedro Sánchez frei sein. Der Sozialist setzt die Partei in gewisser Weise unter Zugzwang. Er bietet ihr ein linkes Regierungsprogramm an, das ihrer ideologischen Prägung entspricht. Und zur Lösung der Katalonien-Frage sagt Infrastrukturminister José Luis Ábalos:
"Wir müssen das Zusammenleben innerhalb Kataloniens reparieren, wir müssen den Konflikt überwinden. Daran muss auch die Bevölkerung beteiligt werden. Wir müssen sehen, wie wir das machen, aber grundsätzlich wollen wir diesen Konflikt im Dialog lösen."
Damit ist weniger ein neues Unabhängigkeitsreferendum als vielmehr ein neues Autonomiestatut Kataloniens im Rahmen der spanischen Verfassung gemeint. Die Verhandlungspartner sind zuversichtlich, dass die republikanischen katalanischen Separatisten dem Abkommen auf ihrem kleinen Parteitag heute zustimmen. Eine solche Rückkehr zu einer pragmatischeren Politik könnte das Ende der gegenseitigen politischen Blockade in Katalonien und Spanien bedeuten.
Große Koalition ist keine Option
Eine große Koalition hatten hingegen Sozialisten wie Konservative ausgeschlossen. In der sozialistischen Parteizentrale blickt man mit Entsetzen auf die Konsequenzen der Großen Koalition bei den deutschen Genossen. Außerdem will Pablo Casado, Chef der konservativen Volkspartei, das Feld der Opposition nicht ausgerechnet der ultrarechten Vox überlassen:
"Wir wären damit keine politische Alternative mehr. Wenn diese Regierung scheitern würde – und sie würde scheitern – wären die radikalsten Parteien die einzige Alternative."