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Oft kurios, manchmal mit Potential

Erfindermesse. – Nürnbergs Erfindermesse IENA hat den Ruf einer Kuriositätenschau. Doch manchmal schaffen es Exponate von hier auf den Weltmarkt, etwa die Rollen unter den Reisekoffern oder die Inline-Skater. Auf solche Durchbrüche hoffen die Urheber der mehr als 680 Erfindungen, die bis in den nächsten Tagen hier ausgestellt werden.

Von Wolfgang Noelke | 03.11.2005
    Der Blick hinter die Kulissen dürfte sich besonders lohnen am Stand der Firma Pfleiderer, deren Auszubildende sich seit einigen Jahren schon ihre Ideen auf der Nürnberger Erfindermesse präsentieren: Hinter einer Wand nämlich verbirgt sich das Geheimnis einer neuen Steckdose:

    "Der Vorteil dieser Steckdose ist, dass das Verlängerungskabel entfällt, das immer anfällt, wenn Sie einen Verbraucher anschließen wollen, zum Beispiel eine Bohrmaschine, wo das Anschlusskabel zu kurz ist. Dann können Sie bei dieser Erfindung das Kabel aus der Wand herausziehen. Da ist das Verlängerungskabel in der Wand."

    Die Steckdose hat eine Klappe. Öffnet man diese findet man eine normale Buchse. Zieht man jedoch an einem dort befestigten Bügel stellt man fest, dass man eine handelsübliche Buchse mit Verlängerungsschnur in der Hand hält, das man, ähnlich, wie ein Staubsaugerkabel entrollen kann. Diese Erfindung gewährleistet jetzt allen Geräten die notwendige Kabellänge, sagt Tobias Klesel:

    "Bei uns wäre das Kabel jetzt in einer Länge von vier Metern, plus das Anschlusskabel, zwei Meter können Sie im Umkreis von sechs Meter alles erreichen."

    Die Länge von vier Metern gewährleistet noch, Geräte von 1500 Watt an die variable Steckdose anzuschließen, ohne dass das aufgerollte Kabel sich erwärmt. Die Idee kam Thomas Klesel und einem weitern Auszubildenden, als sie ein - wie sie sagen typisches weibliches Problem lösen wollten. Klesel:

    "Also bei uns hat so eine kaufmännische Azubine gemeint, dass ihr Föhn meistens nicht reicht, dass das Kabel zu kurz ist und Sie kennen es ja: die Frauen haben da meistens Probleme mit der technischen Umsetzung. Ich und der Johannes haben das dann ausgearbeitet das Problem."

    Die Ehre der Frauen stellt Andrea Drollinger wieder her: Sie und ihr Ehemann Frank entwickelten den gelenkschonenden Golfschuh: Sein Geheimnis liegt in einer drehbaren doppelten Sohle. Die obere gehört zum Sportschuh und ist über ein zwischen Sohle und Absatz befindliches Gelenk verbunden mit einer seitlich drehbaren stollenbespickten dünnen zweiten Kunststoffsohle, die fest auf dem Rasen steht:

    "Die Sohle dient dazu, dass die Drehbewegungen beim Golf- oder Baseballschwung oder Kricketschwung reduziert werden. Und zwar die negativen Verwindungskräfte, die in den Gelenken entstehen, in der Hüfte, im Knie und im Knöchelgelenk. Und die können bis 99 Prozent reduziert werden. Das Ganze ist von der Universität Tübingen durch wissenschaftliche Messungen bestätigt worden und wir sind selber überrascht über die hohen Werte, da wir eigentlich nur um die 50 Prozent gerechnet haben."

    Dass die Erfindung des Ehepaares jetzt schon besonders bei angloamerikanischen Sportlern auf reges Interesse stößt, haben sich die beiden mit dem Prototyp regelrecht "erlaufen":

    "Erstaunlicherweise sind sehr viele auf uns zugekommen, nachdem sie den Schuh am Fuß meines Mannes entdeckt haben."

    "Das Wichtigste ist allerdings auch, dass man ein kaufmännisch gut fundiertes Management hat. Wir sind kaufmännisch sehr gut ausgebildet, sind studierte Controller und haben ein unheimlich gutes Netzwerk spannen können."

    Ein Idealfall, auf den die meisten Erfinder nicht zurückgreifen können. Sie sind entweder gute Techniker oder gute Kaufleute - jedoch oft mit wenig Geld ausgestattet, einen Prototyp ihrer Erfindung zu bauen und anzumelden. Diane Nickl vom Deutschen Patent- und Markenamt freut sich zwar über jährlich fast 49.000 Patentanmeldungen aus Deutschland, doch die würden überwiegend von Großunternehmen angemeldet und nicht von den Ideenreichen Mittelständlern und Einzelerfindern:

    "56 Prozent dieser Anmeldungen werden von nur drei Prozent aller Anmelder getätigt. Das ist für uns ein Signal, dass gerade der Bereich der Klein- und mittelständischen Industrie und der freien Erfinder einfach intensiverer Betreuung bedarf."

    Allein schon deswegen, weil sonst ein großes Ideenpotential in Deutschland ungenutzt bliebe, sagt Karl Bauch, Vorsitzender des Deutschen Erfinderverbandes:

    "Neunzig Prozent der Basisinnovationen wurden von freien Erfindern gemacht: ein Herr Linde hatte keine große Firma, um das Kälteprinzip zu entwickeln, oder Diesel, um den Dieselmotor zu entwickeln, oder ein Herr Röntgen hatte kein Riesenlabor, um die Röntgenstrahlen zu erforschen. Das kam von privaten Personen und nach wie vor kommen die wesentlichen Basisinnovationen von privaten, von kleinen Firmen."