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"Ohne die Herrnhuter wäre die Musik in Westgrönland tot"

De Herrnhuter-Missionare kamen im frühen 18. Jahrhundert nach Grönland. Dort sollten sie den Dänen bei der Missionierung der Grönländer beistehen. Die Herrnhuter hatten aber eine eigene Vorstellung davon.

Von Jane Tversted und Martin Zähringer | 01.04.2013
    Der kleine Flughafen liegt circa vier Kilometer nordöstlich vom Stadtzentrum entfernt. Die Landebahn wurde mühsam in die Felsenlandschaft gebaut. Sie ist kaum einen Kilometer lang und wird nur von mittelgroßen Propellermaschinen angeflogen. Aus dem Frühnebel ragt der sattelförmige Gipfel des Sermitsiaq. Das ist der Hausberg von Nuuk, Grönlands Landeshauptstadt.

    Die Busse fahren in einem geschlossenen Kreisverkehr. In Grönland gibt es keine Straßenverbindung zwischen den Städten. Aber Autos fahren trotzdem mehr als genug herum. Kleine skandinavisch anmutende Siedlungen in Pastelltönen, Reihenhäuser in satten Farben. Sie stehen an Regenwasserseen, auf Klippen mit Aussicht zum Fjord. Auf halber Strecke zwischen Flughafen und Innenstadt eine Bucht. Dicht an dicht liegen Hunderte von kleinen Jachten, Motorbooten und Jollen. Damit fahren die Städter zur Jagd aus, zum Fischen oder einfach zur Entspannung.

    Die Landschaft ist felsig, es geht auf und ab. Moose und niedrige Büsche bringen etwas Grün ins Bild, Bäume gibt es nicht. Der Weg in die Innenstadt führt durch eine markante, in die Felsen gesprengte Passage. Rechts die große Sporthalle, das Kunstmuseum und das blaue Gebäude des Nationaltheaters. Bunte Einfamilienhäuser ziehen sich über flache Hänge. Links zehn äußerlich heruntergekommene Plattenbauten. Im Anschluss das brandneue Einkaufscenter mit dem Regierungsturm in Glas und Stahl. Nuuk ist eine moderne Stadt. Sie ist nicht das Grönland der Schlittenhunde, Nordpolabenteurer und malerischen Eskimos. Es ist ein Ort, an dem sich die Kulturen kreuzen, eine arktische Metropole, in der die wichtigen Organisationen und interessanten Leute zu finden sind.

    Zum Beispiel Aqqaluk Lynge, Schriftsteller, Inuitaktivist, Politiker. Lynge arbeitet seit Jahrzehnten für die Dachorganisation der Inuit, den ICC. Der ICC vertritt die Interessen der Inuit von Grönland, Kanada und Alaska, die arktischen Völker in Nordsibirien, Russland und Nordeuropa. Aqqaluk Lynge ist Mitte 60, noch immer ein kämpferischer Mann. Auch viel gereist, wie Ehrengaben, Inuit-Kunstwerke vom ganzen Polarkreis, Auszeichnungen in seinem Büro zeigen. Und eine Weltkarte, auf der Grönland fast im Zentrum liegt. Die arktischen Völker leben nicht am Rand der Welt, das ist lediglich unsere Sichtweise.

    Aqqaluk Lynge:
    "Sie glauben, dass wir immer noch wie vor 200 Jahren leben. Aber Sie müssen wissen, wir waren 300 Jahre lang eine Kolonie, wir sind Teil der europäischen Gesellschaft. Wir waren sogar von 1972 bis 1985 in der EG. Die ursprünglichen Völker in der Welt und die Inuit insbesondere sind gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen sehr offen. Sie können sich sehr gut an neue Verhältnisse anpassen. Aber die Frage ist, ob wir nicht einen hohen Preis bezahlt haben - mit dem Verschwinden unserer Kultur."

    Das Verschwinden der alten Inuitkultur hat eine längere Geschichte. Sie beginnt im 16. Jahrhundert mit den Kontakten zu europäischen Walfängern, Trankochern und Pelzhändlern. Stärkere Eingriffe in die Kultur kamen später mit den christlichen Missionaren. 1728 gründete der norwegisch-dänische Pfarrer Hans Egede im Auftrag des dänischen Königs eine Missions- und Handelsstation. Er nannte sie Godthaab: Das heutige Nuuk. Hans Egede gefielen die spirituellen Elemente der grönländischen Kultur überhaupt nicht. Schamanismus und Trommeltanz waren für ihn Teufelszeug. Egede und seine Söhne bekämpften die Angakoks - wie die grönländischen Schamanen heißen - und heute sind über 90 Prozent der Grönländer Mitglieder einer christlichen Kirche. Und dann sind da noch die deutschen Einflüsse:

    Aqqaluk Lynge:
    "Wenn wir die Herrnhuter nicht gehabt hätten, wäre die Musik hier in Westgrönland tot. Denn als die Norweger mit Hans Egede ihre Mission begannen, haben sie sofort den Trommeltanz verboten. Deshalb hat man ihn hier in Westgrönland vergessen. Nur in Ostgrönland und in Thule gibt es diese Tradition noch. Und das zeigt uns, wie wichtig es für die Inuit im Zeichen des Kulturwandels war, auch von einer anderen Kultur zu lernen und Teile davon in ihre eigene, neue Kultur aufzunehmen. Ich wünschte mir, dass man sich in Deutschland an diese historischen Verbindungen wieder erinnert. An die Brüdergemeine, die seinerzeit aus Christiansfeld und der Umgebung von Chemnitz hier hoch zog, um von hier aus dann in die ganze Welt zu ziehen und zu missionieren. Und die Kirchenlieder, die wir singen, davon sind viele deutschen Ursprungs."

    Am Südrand von Nuuk steht das alte Missionsgebäude der Herrnhuter, denkmalgerecht saniert und gut erhalten. Die Holzfassade leuchtet in sattem Rot, die Fenster sind weiß gestrichen. Auf dem schwarzen Dach ein bescheidener Glockenturm, den gerade ein Rabe als Ausguck benutzt.

    Seit dem Auszug der Herrnhuter im Jahr 1900 diente die Mission als Fuchsfarm, später als die erste Universität von Grönland. Heute ist sie Sitz des grönländischen Ombudsmanns. Wir warten vor dem Haus auf den Historiker Thorkild Kjærgaard. Er hat hier früher Geschichte unterrichtet und uns eine Führung durch das Haus versprochen. Ein Mitarbeiter des Ombudsmannes bittet uns herein.

    Er leitet uns durch eine helle Diele in einen großen Raum. In der Mitte des Raumes ein riesiger ovaler Tisch. An den Wänden ringsum Bücherregale. Wir bekommen Kaffee und warten auf Thorkild.

    Thorkild Kjærgaard:
    "Jetzt ist das ja ein Arbeitszimmer für Juristen. Aber früher war hier der Kirchensaal. Und die vier Türen hier, die stammen entweder ganz oder teilweise vom originalen Haus von 1747. Als das Haus 1986 restauriert wurde, hat man Farbproben von den Brettern dort drüben genommen. Von denen nahmen wir an, sie sind auch original. Bei der innersten Schicht stieß man dann auf eine rosa Farbe, die Türen waren weiß, das waren Rokokofarben, gute Farben. Überhaupt zeichnet sich das ganze Bauwerk durch perfektes Handwerk aus. Das ist wirklich gute deutsche Handwerksarbeit, das muss man schon sagen."

    Die Herrnhuter sind eine protestantische Glaubensbewegung aus dem frühen 18. Jahrhundert. Ihr Gründer, der Oberlausitzer Graf von Zinzendorf, wollte die Heiden der ganzen Welt bekehren. Er nutzte seine Verwandtschaft mit dem dänischen Königshaus, um Missionare in die dänischen Kolonien in der Karibik und nach Grönland zu schicken. Offiziell sollten sie der dänischen Staatsmission beistehen, aber die jungen Missionare aus Deutschland hatten ihre eigenen Vorstellungen vom Umgang mit den Grönländern. Davon überzeugten sie auch ihre Freunde und Glaubensbrüder auf dem Kontinent. Das Haus in Nuuk war ein Geschenk von holländischen Förderern. Es wurde in Amsterdam entworfen und gezimmert, provisorisch aufgestellt, durchnummeriert, verschifft und in Neu-Herrnhut nahe der dänischen Mission aufgebaut:

    Thorkild Kjærgaard:
    "1747 wurde das Haus eingeweiht, und in allen Fenstern standen Kerzen. Das waren insgesamt 18 Fenster, das ganze Haus erschien wie ein einziges Lichtermeer. So etwas hatte man in Grönland noch nie gesehen. Und als die Grönländer hereinkamen, waren sie stumm vor Ehrfurcht bei dieser Pracht, der architektonischen Eleganz, all dem Licht. Und sie dachten, wenn das hier schon so schön ist, wie schön muss es dann erst im Himmel sein."

    Heute sind die Herrnhuter in Grönland Teil einer weitgehend "unerzählten Geschichte". Am und im ehemaligen Missionsgebäude gibt es außer dem Glockenturm keine sichtbaren Hinweise mehr auf ihre Existenz. Aber die Herrnhuter waren von 1733 bis 1900 im Land. Sie haben Spuren hinterlassen.

    Auf dem Hügel der Neustadt. Hier oben ist das moderne Nuuk: Das Hochhaus der TelePost, der Büroturm der grönländischen Bank, weiter unten das Landesparlament, daneben die geschwungene Holzfassade des Kulturhauses Katuaq. Neben einer extravaganten Grillbar mit runder Spiegelglasfassade zeigt Thorkild auf einen antiken Laternenpfahl. Unauffällig steht er auf einer Felsflanke über der Imaneq Straße: Kleinschmidts Pfahl, liest man auf einer Bronzetafel.

    Samuel Kleinschmidt, geboren 1814, gestorben 1886, Gelehrter und Sprachforscher. Samuels Vater war ein deutscher Herrnhutermissionar, seine Mutter eine Dänin. 1846 legte Kleinschmidt seine Grammatik und Rechtschreibung der grönländischen Sprache vor. Schon bald darauf erschien die erste Zeitung in grönländischer Sprache. Sie erscheint bis heute, wie alle Medien in Grönländisch und Dänisch. Kleinschmidts Grammatik steht am Anfang der Bewahrung des Grönländischen. Die anderen arktischen Völker mussten ihre Sprachen meistens zugunsten der jeweiligen Nationalsprachen wie Russisch oder Englisch aufgeben.

    Kleinschmidt hat an diesem denkwürdigen Pfahl seine Sturmlampe deponiert, wenn er von Neu-Herrnhut in die dänische Enklave wanderte. In Godthaab traf sich der Herrnhuter Kleinschmidt oft mit dem dänischen Kolonialinspektor Hinrich Johannes Rink. Sie gehörten zu den ersten Reformatoren des Kolonialsystems. Sie sicherten und sammelten das grönländische Sprachkulturerbe und beförderten die politische Integration der Inuit. Kleinschmidts ehemaliges Haus ist nicht mehr vorhanden. Aber erstaunlich viel von der alten Stadt.

    Thorkild Kjærgaard
    "Das ist alles, was Godthaab bis 1945 war. 1945 wohnten vielleicht 300 oder 500 Menschen in Godthaab, jedenfalls weit unter tausend. Aber seit 1945 ist die Stadt explodiert, heute wohnen hier 16.000 oder vielleicht bis zu 18 000 Menschen. Die Bevölkerungszahl hat sich verdreißigfacht, und das können die meisten Menschen noch gar nicht so richtig glauben. Wenn ich das hier meinen Studenten zeige, also dieses kleine Areal hier als das, was früher einmal ganz Nuuk war, das können sie gar nicht fassen."

    Der alte Koloniehafen mit den denkmalgeschützten Häusern aus dem 18. Jahrhundert. Das große Haus von Hans Egede, das erste Steinhaus in Nuuk, davor die weiß-rote Grönlandflagge. Rechts die rote Erlöserkirche, der steile Felshügel mit dem alles überragenden Bronzestandbild - Hans Egede in Priestergewand mit Halskrause, mit dem linken Arm presst er die Bibel an seine Brust, seine rechte Hand hält einen Hirtenstab.

    Links von Egede, im ältesten Kern der Stadt, liegt das Nationalmuseum. Am Anfang der Stammausstellung, die tief ins Innere des Gebäudes führt, ein koloniales Herrenzimmer, Harmonium, Gaslampe, europäische Möbel, ein ausgestopfter Adler.

    Bo Albrechtsen :
    "Das ist das Konzept der Ausstellung, Wir fangen nicht in der Gegenwart an, sondern in den Nachkriegsjahren. Und je tiefer man in das Museum eindringt, umso weiter kommt man in der Zeit zurück. Wir kommen aus der Kolonialzeit heraus, hinein in die Thulekultur und weiter zu den Nordsiedlern aus Norwegen bis zur Dorsetkultur, das war vor dreieinhalb Jahrtausenden."

    Der Eskimologe Bo Albrechtsen führt uns durch das Museum. Die verschiedenen Abteilungen und Sammlungen sind exakt nach Epochen und Geografie geordnet. Das Innere einer Torfhütte mit Specklampe, Vitrinen mit den Gerätschaften für die Jagd und für das Kleidernähen. Traditionelle Kleidungsstücke, ein riesiges Frauenboot, Kajaks und Lanzen, die berühmten mehrteiligen Inuit-Harpunen, Bögen und Bohrer, hunderterlei Ahlen, Messer, Nadeln, viel davon aus Narwalhorn oder Walrossstoßzahn. Aus diesem Material sind auch die zahlreichen Tupilkas, die magischen Schnitzfiguren der Angakoks. Bo hält bei einem Schaukasten mit der Überschrift "Glaube".

    Hinter Glas zwei flache Trommeln. Sie sehen aus wie ein Tambourin mit Stiel. Diese seltenen Stücke stammen aus archäologischen Ausgrabungen. Ihre Rahmen sind aus Treibholz oder Knochen, das Trommelfell aus der Blase von Eisbär oder Walross.

    Dazu ein historisches Foto: Der Sänger oder Angakok steht mit nacktem Oberkörper im Freien. Er beugt sich nach vorne, schlägt mit einem dünnen Holzstab von unten auf den Rand der Trommel und singt. Die Angakoks benutzten die Trommel für spirituelle Auftritte und Beschwörungsrituale. Sie wurde auch bei Sängerwettkämpfen oder zur Schlichtung von Streit eingesetzt. Jahrtausendelang war die Trommel ein zentrales Instrument der Inuitkultur. Seit Hans Egede wurde dieser spirituelle Teil der Kultur radikal unterdrückt.

    Erst neuerdings kehrt die Trommel zurück. Es gab sogar einen Trommeltanzauftritt auf einem Priesterkonvent in Sisimiut. Die Trommel in der Kirche war eine Sensation, für manche aber immer noch reine Blasphemie. Bo Albrechtsen sieht das gelassen:

    Bo Albrechtsen:
    "Ich sehe mit Blick auf die Zukunft eine Verschmelzung mit gewissen traditionellen Elementen, das wäre ganz natürlich. Da wäre zum Beispiel der Gebrauch der Trommel in der Kirche. Man hat sie ja schon in Alaska. Man geleitet den Sarg nicht mit Orgelmusik, sondern mit Trommelrhythmen auf den letzten Weg. Die Trommel ist der Rhythmus des Herzens, und mir erscheint es ganz natürlich, dass die Trommel Zugang in die heutige Kirche erhält."

    Atmo 9 Meer, Schritte, Geplauder.
    Nicht weit vom Museum steht am flachen Felsenufer eine rote Granitskulptur. Es ist ein relativ neues, naturalistisches Denkmal für einen zentralen Inuitmythos. Eine nackte Frau mit langen Haaren, umgeben von Meerestieren und einem jungen Mann. Der Mann ist ein Angakok, die Frau ist Sedna, die Mutter des Meeres:

    Rosannguaq Rossen:
    "Sie hat langes, schwarzes Haar, und wenn dieses Haar von all den Dingen, die wir wegwerfen, verdreckt wird, dann gibt es keine Beutetiere mehr für die Menschen. Jetzt wird ein Angakok zu ihr hinab gesandt, der ihr das Haar kämmen muss, bis es wieder schön glatt und sauber ist. Nun kommen die Beutetiere alle wieder herauf, es gibt wieder genug zu essen für die Menschen."

    Rosannguaq Rossen kommt aus einer kleinen Stadt im Norden. Sie lebt in Nuuk und studiert Kulturwissenschaft. Rosa führt uns durch den modernen Teil der Stadt. In Nuuk wird viel gebaut, was man überall sehen kann - Baukräne, große Baulaster, neue Siedlungen am Rand und Appartementhäuser im Zentrum. Es wird auch viel zurückgebaut, was man im Moment eher zufällig mitbekommt. Block P, der größte der Plattenbauten, wird abgerissen. Block P ist das Gesprächsthema in der Stadt, für viele der Inbegriff der modernen Probleme mit sozialer Schieflage, Verwahrlosung, Alkoholismus, Armut und Arbeitslosigkeit.

    "Block P wurde 1965 gebaut. Damals hat man viele Dörfer und Siedlungen dicht gemacht. Es sollte alles moderner werden und die Menschen sollten in die Städte ziehen. In Block P wohnten viele aus einem einzigen Dorf. Er ist nicht sehr beliebt. Solche Blöcke wurden überall in Grönland gebaut."

    Auch im Kunstmuseum Nuuk ist der Abriss des Monstrums ein Thema. Es gibt gerade eine Foto-Ausstellung zu den Graffities aus Block P. Das Kunstmuseum war früher eine Adventistenkirche. Inzwischen hat es mehrere Anbauten und wirkt wie ein kleines Labyrinth. Einen bedeutenden Kern der Privatsammlung bilden Grönlandmalereien des dänischen Malers Emanuel A. Petersen aus den 1920er Jahren: prächtige eistaugliche Segelschiffe, Schlittenhunde, Eisberge, großartige Schneelandschaften, Inuit in ihrer alten Kleidung und Umgebung. Das sind die kolonial-romantischen Grönlandimpressionen, die wir heute noch oft mit dieser Weltgegend verbinden - worüber, wie wir hörten, nicht alle so glücklich sind. Orla Dalager, der Nachfolger des Museumsstifters Svend Junge, ist auch stolz auf die über 500 Tupilaks der Sammlung.

    Orla Dalager:
    "Heute wird das als Kunst betrachtet. Früher waren Tupilaks eine rituelle Angelegenheit. Man hat sie aus Knochen geschnitzt, und während man sie geschnitzt hat, hat man ihnen bestimmte magische Worte eingeflüstert oder in die Figur imprägniert. Das spürt schon man manchmal hier im Haus. Wir haben den einen großen dort drüben, der bewegt sich immer wieder. Der ist sehr populär bei unseren Gästen."

    Das Musikgeschäft und Tonstudio Atlantic Music liegt wie das Museum an der H.J. Rink Straße, aber am unteren Anfang. In einem blauen Einfamilienhaus organisiert Ejvind Elsner mit Familie die moderne Musikszene der Stadt. Oben sind die CD`s und Musikinstrumente, im Keller ein Tonstudio, in dem derzeit fast alles produziert wird, was es heute an Rock- und Popmusik aus grönländischer Produktion gibt. Die Familie Elsner zog 1998 aus Nanortalik, einer kleinen Stadt in Südgrönland, nach Nuuk. Ejvind stammt von einem deutschen Walfänger ab.

    Ejvind:
    "Hallo, kommt rein. Es ist ein bisschen hektisch. Ich habe wirklich Trouble. Das Festival steht vor der Tür. Ich muss eine Bootstour für die Musiker organisieren und ich habe noch kein Boot."

    Das jährliche Akisuanerit Festival soll am Wochenende in Nuuks Kulturhaus Katuaq stattfinden. Neben der ältesten grönländischen Rockgruppe Sume wird auch die Band von Ejvinds Söhnen auftreten - Nanook. Nanook heißt Eisbär, das ist momentan die erfolgreichste Newcomer-Band Grönlands. Ejvind ist sichtlich stolz:

    Ejvind:
    "Die Gitarre ist stark betont, aber nicht zu sehr mit den wilden Solos. Es sind mehr Themenstücke, die hier oben sehr populär geworden sind. Aber nicht nur bei der lokalen Bevölkerung, auch bei Leuten die von woanders kommen. Die hier verkauft sich am besten bei den Gästen von außerhalb. Sie hat diese Prägung der alten Kultur, aber gemischt mit neueren Traditionen. Man behält also immer den Draht zur alten Kultur. Der soll uns ja auch in der Zukunft noch Kraft geben."

    Die Kraft wird gebraucht. Grönland ist seit 2009 politisch selbstständig. Das heißt, nach 300 Jahren kolonialer Abhängigkeiten und Beziehungen zu Dänemark findet sich das Land jetzt mitten in der Globalisierung. Internationale Rohstoffkonzerne wollen mit der Regierung ins Geschäft kommen. Nur 150 Kilometer von Nuuk entfernt plant eine englische Minengesellschaft eine riesige Eisenerzmine. Das wird die kleine arktische Gesellschaft, die sich seit Jahrhunderten mit immer neuen Einflüssen auseinandersetzen muss, einmal mehr in Anspruch nehmen. Man kann den Grönländern nur allen Erfolg auf ihrem weiteren Weg wünschen. Gute Musik haben sie schon.

    Es ist Freitagabend im Kulturhaus von Nuuk. Zwei Bühnen sind aufgebaut. Das Bier rauscht aus den Fässern, Plastikbecher wandern über den Thresen. Das Publikum ist altersmäßig gemischt, Dänen sieht man nur wenige. Die Nuuk'er scheinen heute alle Sorgen hinter sich zu lassen. Die Stimmung ist fantastisch. Nanook kommt auf die Bühne:
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