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Ohne Narkose

RTL 2 Trailer: Sprecher: Eine Schönheitsklinik in Ungarn.

Von Martina Schulte | 21.08.2004
    O-Ton Karinas Schwester: Du weißt ja, was die Natur verhunzt, ersetzt die Kunst! Sprecher: Schönheit um jeden Preis - Letzte Hoffnung Skalpell. Jetzt hier bei RTL II
    O-Ton Katrin K.: Ich will 'ne große Brust haben, sie muss groß sein! Und ich bin halt mit der nicht zufrieden, die ich hab’...Und da sag’ ich: warum nicht? Heutzutage kann man sich ’nen Körper zusammenkaufen.

    Katrin K. ist 23 Jahre alt, Lastwagenfahrerin und - um es höflich auszudrücken - ziemlich blond. Ihr Lebenstraum manifestiert sich in zwei schwabbeligen Silikon-Implantaten von je 700 ml Fassungsvermögen. Körbchengröße DD will Katrin mindestens haben. So wie ihr Vorbild Katie Price, besser bekannt als "Boxenluder" im Boulevard der bunten Blätter. Katrin hält also ein Pin-up-Foto von Katie in die Kamera und lacht dazu so unbeholfen und so oft, dass es den Betrachter auf der heimischen Couch zwischen Erstaunen, Entsetzen und Mitleid hin- und her reißt. Welches dieser Gefühle letztlich auch die Oberhand gewinnt, für RTL2-Sprecher Frank Lilie steht eines jetzt schon fest. Mit der neuen Make-Over-Doku hat der Sender den Geschmack seiner Zielgruppe getroffen:

    400.000 Menschen in Deutschland im Jahr legen sich unters Messer, aus verschiedenen Gründen, um sich zu verschönern. Wir haben eine sehr junge Zielgruppe, 14-49 und 14-29 sind unsere zwei definierten Kernzielgruppen und dort sind Schönheits-Ops auch ein Thema.

    Zehn Prozent der 14-49-jährigen schalteten in dieser Woche trotz Olympia noch um 22 Uhr die erste Folge des neuen Face-Lift-Fernsehens ein. Neun weitere Folgen sind geplant. Schönheitsoperationen vor laufender Kamera gelten in der Branche momentan als Allzweckwaffe im Quotenkampf. Pro 7 plant mit 'The Swan" gerade eine eigenes Make-Over-Format, das hässliche Entlein zu stolzen Schwänen operiert. Und der Musiksender MTV zeigt seit ein paar Wochen die amerikanische Erfolgsshow "I want a famous Face", die Teenies auf dem OP-Tisch in Elvis-Imitate oder Britney-Spears-Doubles verwandelt. Mit diesem Format bewegt sich MTV in Deutschland allerdings auf wackligem Terrain: Drei der Folgen von "I want a famous face" haben die Jugendschützer in der vergangenen Woche ins Nachtprogramm verbannt. Denn nach einem Beschluss der KJM, der Kommission für Jugendmedienschutz, dürfen Sendungen, in denen Schönheitsoperationen "zu Unterhaltungszwecken anregend, durchgeführt oder begleitet werden" erst ab 23 Uhr gezeigt werden. Um diese Beschränkung zu umgehen, plante man bei RTL 2 "Schönheit um jeden Preis" als Dokumentation. Sprecher Frank Lilie beieilt sich zu versichern:

    Wir haben ein journalistisches Reportageformat, was sich mit dem Für und Wider der Schönheitsoperationen befasst. Und da fallen wir nicht unter diese Unterhaltungsformate.
    Die erste Folge von "Schönheit um jeden" Preis war in der Tat so kritisch und so nüchtern gestrickt, dass sogar die Kommission für Jugendmedienschutz nichts zu beanstanden hatte. Der KJM-Vorsitzende Wolf Dieter Ring findet lobende Worte für RTL2:

    Also im Unterschied zu den von der Kommission für Jugend- und Medienschutz beanstandeten drei Sendungen bei MTV war das keine Unterhaltungssendung, sondern es war tatsächlich wie angekündigt eine Reportage, die sich mit dem gesamten Komplex Schönheits-Operationen kritisch und sachlich und ruhig auseinander setzt. Also die Sendung wirft nicht die Grundsatzfragen auf, die wir in der KJM gesehen haben im Zusammenhang mit Sendungen, die zu Unterhaltungszwecken das Ganze so schick und lässig machen und damit negative Wirkung auf Jugendliche und auf Kinder auslösen können.

    Dass die Autorin der Sendung das seltsame Treiben von Katrin K. und ihren Kolleginnen so distanziert kommentieren konnte, war wohl kein Zufall. Aus gut informierten Kreisen war zu hören, dass RTL2 die Machart der Sendung bereits im Vorfeld mit der KJM abgestimmt hatte.