Freitag, 29. März 2024

Archiv


Ohne Netz

Mit nur 2,5 Milliarden Euro sind Schäden durch Atomunfälle in Deutschland versichert, und das angesichts der Milliardenkosten, die der GAU in Fukushima verursacht hat. Auch die gesparten Versicherungskosten sind es, die Atomstrom billig machen, aber nur, solange nichts schiefgeht.

Von Dieter Nürnberger | 11.05.2011
    Atomstrom sei billig, wurde uns Deutschen viele Jahrzehnte erzählt. Und mit dem Preisargument, dass alles andere, vor allem erneuerbare Energien viel zu teuer seien, wurde und wird die Nutzung der Atomkraft bis heute gerechtfertigt. Doch allein die Milliardenschäden, die der GAU in Fukushima schon bis jetzt angerichtet hat, zeigen: Atomstrom ist bestenfalls so lange billig, solange nichts schief geht in den Atomkraftwerken. Da das aber nicht auszuschließen ist, die Folgen eines Atomunfalls aber sehr ins Geld gehen können, gibt es bis heute keine Versicherung, die bereit ist, diese Restrisiken abzusichern.

    Klare Antwort: Das ist so. Es gibt diese Unterversicherung von Schadensfällen, die in Verbindung mit einem Atomunglücksfall stehen. Und das ist wohl auch nicht überraschend, wenn bedacht wird, was an Schäden eintreten kann. Schäden für die Umwelt, für die Menschen, für Wirtschaftskreisläufe und so weiter.

    Interessant ist, dass diese Studie von den Versicherungsforen Leipzig, ausgeführt im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, nicht im Zusammenhang mit dem Atomunglück in Japan steht. Diese Studie wurde bereits davor in Auftrag gegeben. Und zwar im politischen Umfeld der Laufzeitverlängerung in Deutschland im vergangenen Herbst. Es sollte somit eher um eine fast akademische Diskussion gehen, was wäre wenn? Die Realität aber hat diese Studie zumindest aus der akademischen Diskussion herausgeholt.

    Auftraggeber ist der Bundesverband Erneuerbare Energien - und die Einordnung des Ergebnisses der Studie fällt hier wie folgt aus - Björn Klusmann, der Geschäftsführer des BEE.

    "Das Ergebnis lautet, dass die Atomkraftwerke in Deutschland erheblich unterversichert sind. Im Umkehrschluss heißt es aber auch, dass Atomstrom dadurch einen immensen Preisvorteil am Markt hat. Wenn nicht alle Risiken adäquat bezahlt werden, kann zu niedrigeren Preisen angeboten werden, als es richtigerweise angesetzt werden müsste. Das zeigt auch, wie selektiv eine Kostendebatte geführt wird."

    Anwesend war heute Vormittag auch ein Vertreter der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft. Das ist ein so etwas wie der Versicherungspool der Kraftwerksbetreiber in Deutschland. Und hier wird das Ergebnis der Studie sogar mit Zahlen untermauert - demnach werden hierzulande 2,5 Milliarden Euro an Deckungsvorsorge bereitgehalten - für den Fall der Fälle. Dirk Harbücher ist der Geschäftsführer der Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft.

    "Die Deckungsvorsorge beläuft sich 2,5 Milliarden Euro. Von diesem Betrag tragen die Versicherungsunternehmen nur, grob gerechnet, die ersten 10 Prozent - also 256 Millionen. Der darüber hinausgehende Betrag bis 2,5 Milliarden Euro erfolgt durch gegenseitige Garantiezusagen der Betreibergesellschaften."

    Zusätzlich zu diesen 2,5 Milliarden Euro stünden auch noch bis zu 300 Millionen Euro an EU-Mitteln zur Verfügung. Mehr ist als Deckung für Schäden durch Atomunfälle in Deutschland nicht vorgesehen. In der Untersuchung heißt es denn auch, dass diese Summen nur für einen kleinen Teil der zu erbringenden Entschädigungszahlungen bei Auftreten eines nuklearen Katastrophenfalls ausreichen würden.

    BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann, als Vertreter des Auftraggebers der Studie, zog denn auch eine Parallele zu den Vorkommnissen in Japan.

    "Gestern, zwei Monate nach der Reaktorkatastrophe in Japan, hat nun der Atom-Betreiber Tepco Staatshilfen beantragt, weil er eben auch sieht, dass Tepco alleine diese Schäden nicht wird finanzieren könne. Schäden an der Umwelt, Schäden, die die Menschen im Umfeld der Atomanlage erlitten haben. Das Unternehmen hat Probleme, dafür Mittel auf den Finanzmärkten zu mobilisieren."

    Fazit: Die Schäden, die bei einem Atomunfall auftreten können, sind deutlich unterversichert. Und natürlich versäumte es der BEE als Auftraggeber der Studie nicht, darauf hinzuweisen, dass die wahren Kosten dieser Energieform verschleiert würden.

    Das wäre bei den Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien anders. Hier könne jeder wissen, wie hoch die zu zahlende Umlage für die Förderung sei - der Verbraucher erfahre es bekanntlich über die Stromrechnung.