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Ohne Rückhalt
Frauenquote droht auf EU-Ebene zu scheitern

Von Jennifer Rieger | 03.12.2015
    "Jetzt kommen wir - jetzt muss ich weiter ausholen. Wir kommen zu den Fragen 21, 22, 23."
    Es ist Mittwochnachmittag, Fragestunde im Bundestag. Frage 22 kommt vom Grünen Hans-Christian Ströbele. Er will wissen, wie die Bundesregierung zur Frauenquote auf EU-Ebene abstimmen wird.
    "Werden allesamt schriftlich beantwortet. Wir kommen zu Frage 41."
    Die Antwort lässt erst mal auf sich warten.
    Anfang kommender Woche geht es im europäischen Ministerrat darum, ob in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen mindestens 40 Prozent Frauen sitzen müssen. Momentan ist Deutschlands Votum das Zünglein an der Waage: Die Zeichen stehen auf Enthaltung, was faktisch einem Nein gleichkommt. Bleibt es dabei, droht die Quote zu scheitern.
    Cornelia Möhring versteht die Bundesregierung nicht. Denn erst vor Kurzem ist für deutsche Unternehmen eine 30 prozentige Frauenquote beschlossen worden.
    "Ich hab erlebt, wie Anfang März bei den Vereinten Nationen sich die Bundesrepublik hat feiern lassen für die Quote."
    Cornelia Möhring ist frauenpolitische Sprecherin der Linkspartei.
    "Also, da war die Freude groß und alle haben gesagt, Mensch, die Bundesrepublik setzt jetzt echte Zeichen. Und jetzt zu hören, dass die Regierung sich enthalten wird, da war ich gelinde gesagt ein bisschen fassungslos."
    Hierzulande hatte die Einführung des Quotengesetzes einen jahrelangen Vorlauf und sorgte immer wieder für hitzige Diskussionen:
    Schwesig: "Es muss Schluss sein mit der Männerquote von 90 Prozent in Deutschland."
    Kauder: "Die Familienministerin soll nicht so weinerlich sein."
    Bracht-Bendt: "Die Wirtschaft an die Kandare zu nehmen und ihr vorzuschreiben, wen sie einstellen soll, ist ein Witz."
    Am 6. März war es dann doch so weit.
    Schwesig: "Die Quote kommt. "
    Es sei ein Meilenstein, ein historischer Schritt, verkündete Frauenministerin Manuela Schwesig stolz im Bundestag. Weshalb die Quote auf EU-Ebene nun nicht an Deutschland scheitern dürfe, sagt die zuständige Ministerin.
    Schwesig: "Wenn Deutschland nicht zustimmt, dann hat die EU-Richtlinie keine Chance. Ich fände das sehr schade, denn ich kann schlecht erklären, warum wir hier im Land der deutschen Wirtschaft Vorschriften machen, aber nicht dafür sorgen, dass alle anderen in der EU nachziehen müssen."
    "Sehr schade"? Spricht man mit Schwesigs Unterstützerinnen, erzählen sie, die Familienministerin übe Druck auf Angela Merkel aus - aber im Interview ist sie betont zurückhaltend. Und nicht nur das:
    "Ich habe mich sehr auf EU-Ebene dafür eingesetzt, dass wir nicht verpflichtet werden mehr zu tun aber dass das, was wir schon machen gut berücksichtigt wird."
    Die Schirmherrin der Frauenquote engagiert sich für schwächere Gleichstellungsgesetze - möglicherweise, damit die Kollegen aus der Union den Vorschlag nicht komplett blockieren?
    Schauws: Man ist Deutschland da noch mal entgegen gekommen und hat gesagt, wir gestalten es so aus, dass die nationale Ebene nicht noch mal nachbessern muss.
    Jetzt gibt es überhaupt keinen Grund mehr die EU-Quote abzulehnen, findet Ulle Schauws von den Grünen. Die neue EU-Richtlinie hätte überhaupt keinen Einfluss auf das deutsche Modell.
    Warum will sich die Bundesregierung also enthalten? Druck aus den eigenen Reihen, oder aus der Wirtschaft, meint die Linkenabgeordnete Cornelia Möhring:
    Möhring: "Ich glaube schon, dass da international Unternehmen anklopfen und sagen, bitte jetzt nicht auch noch auf EU-Ebene. Die Männerstrukturen funktionieren. Um nicht zu sagen, das Patriarchat lebt!"
    Aus der Union wollte sich auch nach einem halben Dutzend Anfragen niemand dazu äußern.
    Für die Frauenquote für deutsche Unternehmen haben sich Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen stark gemacht - darunter auch Angela Merkel. Jetzt verliere die Kanzlerin an Glaubwürdigkeit, so Ulle Schauws:
    Schauws: "Wir hatten das Gefühl, Frau Merkel hat nicht nur einen Koalitionsvertrag erfüllt, sondern sie hat hier auch ne gewisse Überzeugung und so wie es jetzt aussieht, scheint es keine Überzeugung gewesen zu sein, dass die Quote richtig ist."
    Ob die Kanzlerin von der Quote überzeugt ist oder nicht und ob die Familienministerin sich durchsetzen wird, ist offen. Heute Morgen kam die schriftliche Antwort auf Hans-Christian Ströbeles Frage: Die Bundesregierung befindet sich noch im Entscheidungsprozess.
    Die Frauenpolitikerinnen wollen sich nicht unterkriegen lassen. Immerhin sind noch ein paar Tage Zeit:
    Möhring: "Ich hab die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, das muss man sich in der Politik auch abgewöhnen. Abgerechnet wird immer zum Schluss."