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OIC-Sondergipfel zur Jerusalem-Krise
Die islamische Welt sucht nach Antworten

In Istanbul treffen sich Vertreter von 57 Staaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Auf dem OIC-Sondergipfel wollen sie über eine Antwort auf US-Präsident Trumps Jerusalem-Entscheidung beraten. Der türkische Präsident Erdogan dringt auf eine harte Antwort, doch die 57 Staaten sind sich uneins.

Von Christian Buttkereit | 13.12.2017
    Blick über Istanbul vom Galataturm aus
    Den in Istanbul stattfindenden Sondergipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) hat der türkische Staatspräsident Erdogan einberufen (imago/BE&W)
    Wenn die Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Istanbul zusammenkommen, dürfen sie sich der türkischen Gastfreundschaft gewiss sein. Bereits seit Tagen wird in Istanbul gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt demonstriert. Gestern waren LKW- und Taxifahrer an der Reihe.
    "Palästina wird seit 1948 nach und nach von Israel vereinnahmt. Sich mit erhobenem Haupte einer Armee aus Banditen gegenüber zu stellen, ist für jeden Muslim eine Ehrensache. Daran möchten wir die muslimischen Länder erinnern."
    "Wir als Mitglieder des Taxifahrerverbands haben uns entschieden, alle US-amerikanischen und israelischen Waren zu boykottieren."
    Kein Wunder, denn der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte mit markigen worten die Linie vorgegeben: "Dieses Israel ... ist ein Terrorstaat, Terror."
    Erdogan sieht sich als Fürsprecher der palästinensischen Anliegen
    Wenige Worte, die reichen könnten, um das in den letzten Jahren mühsam gekittete türkisch-israelische Verhältnis zu zerstören. Die Türkei unterhält gute Verbindungen zur Hamas. Erdogan persönlich sieht sich als Fürsprecher der palästinensischen Anliegen.
    "Jerusalem ist wie unser Augapfel. Wir werden Jerusalem nicht der Willkür eines Staates von Kindermördern überlassen."
    Auch wenn Erdogan mit seiner aggressiven Rhetorik relativ isoliert dasteht – in der Sache sind sich die Führer der arabischen Welt grundsätzlich einig, bestätigt der oberste Geistliche des Iran, Ajatollah Ali Chamenei.
    Wichtige Arabische Staaten schicken keine Repräsentanten
    Trotzdem dürfte kaum möglich sein, auf dem Sondergipfel der OIC heute in Istanbul alle 57 Staaten auf eine konsequente Linie einzuschwören. Denn die Bereitschaft der arabischen Staaten, einen Konflikt mit Israel und den USA einzugehen, ist höchst unterschiedlich. Während die Türkei auf Konfrontationskurs geht, ist Saudi-Arabien zwischen der Solidarität mit Palästina und seinem engen Verhältnis zu Washington hin- und hergerissen. Eher denkbar als eine Kampfansage wäre eine Erklärung, die sich am Friedensplan der Arabischen Liga orientiert, meint deren Generalsekretär Ahmed Aboul Gheit:
    "Die Friedensinitiative der Arabischen Liga hat eine komplette Normalisierung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und Israel in Aussicht gestellt, sofern sich Israel von palästinensischem und arabischem Boden zurückzieht. Das ist das Angebot der Araber. Wenn wir selbst erwägen würden, unsere Initiative einzufrieren, oder gar zurückzuziehen, dann wäre das wie Selbstmord. Denn es gibt keine Alternative zu unserem Vorschlag."
    Dieser Vorschlag basiert auf dem vollständigen israelischen Abzug aus den 1967 besetzten Gebieten. Auch das klingt im Moment eher unrealistisch. Erdogans Ankündigung, auf dem Sondergipfel die gesamte Islamische Welt in Bewegung zu setzen, könnte sich als zu vollmundig erweisen. Zumal wichtige Arabische Staaten gar keinen Repräsentanten nach Istanbul schicken, darunter Saudi-Arabien, Marokko, Ägypten, Bahrain und Irak.