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Olympia 2014
Kaum Sport in Sotschi

Russlands Präsident Wladimir Putin hat in seiner Neujahrsansprache noch einmal betont, Sotschi 2014 seien die "besten Spiele" gewesen. Aber wie steht es um die nachhaltige Nutzung der olympischen Sportstätten ein Jahr nach den Spielen? Ein Blick nach Sotschi.

Von Gesine Dornblüth | 01.02.2015
    Lebensgroße Plastiken der drei Sotchi-Maskottchen: ein Schneeleopard, ein Schneehase und ein Eisbär.
    Die drei Maskottchen der Olympischen Winterspiele in Sotchi winken auch im Jahr 2015 noch fröhlich. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Langsam fährt der Lift in den fünften Stock. Tatjana Gurtschatowa öffnet eine Wohnungstür.
    "Kommen Sie rein. Wir haben hier einen tollen Blick aufs Meer. Hier haben die Slowenen gewohnt. Eishockeyspieler und andere. Die Einrichtung ist immer noch dieselbe."
    Die Wohnung gehört zum ehemaligen Olympischen Dorf in Adler, dem Stadtteil Sotschis an der Küste, in dem die Wettbewerbe in den Stadien stattfanden. Vier Zimmer, helle Ledersofas, in jedem Raum ein Flachbildschirm. Die Wohnung steht zum Verkauf. Tatjana Gurtschatowa, die Hausmeisterin, zieht die Gardinen zur Seite. Ein Pool, gepflegter Rasen, dahinter die frisch zubetonierte Promenade, das Meer. Kein Mensch weit und breit.
    "In diesem Haus wohnen bis jetzt acht Personen. Aber wir haben sehr viele Interessenten. Es kommen drei bis vier Leute am Tag."
    Nach hinten hinaus sind die Olympiaanlagen zu sehen. Am Stadion Fischt, in dem vor einem Jahr die Olympischen Spiele eröffnet wurden, tragen Kräne das Dach ab. Es heißt, die FIFA wolle es so für die Fußball-WM 2018. In ein Stadion ist eine Tennis-Akademie eingezogen, in einem anderen trainiert das örtliche Eishockey-Team. Die Bauten sind weiträumig mit Zäunen abgesperrt. Nur ab und zu fährt ein Auto über die Asphaltwüste.
    Andrej Elinson, Generaldirektor der Firma, die die Wohnungen im Olympischen Dorf verkauft, hofft, Sotschi zu einem Zentrum für Sporturlaube zu machen. Er spricht von Tennis- und Fußballplätzen, die gebaut werden sollen. Die Sommerferien in Russland sind lang, Eltern könnten ihre Kinder in mehrwöchige Trainingslager nach Sotschi schicken.
    "Wir haben eine Marina, wir haben eine Segelschule. Und wir hatten letztes Jahr das erste große Aquajet-Festival Russlands. Die Mündung des Flusses Mzymta bietet ideale Bedingungen für Wettfahrten auf motorisierten Wasserjets."
    Viele nicht-sportliche Veranstaltungen seit Olympia
    Lärmenden Sport gibt es schon. Im Herbst fand im Olympiapark die Formel 1 statt - mit großem Publikumszulauf. Fans können die Strecke außerhalb der Wettkampfzeiten mit ihrem eigenen Auto testen oder in einem Rennwagen auf dem Beifahrersitz mitfahren. Im vergangenen Jahr haben Politiker und Funktionäre zudem alle möglichen nicht-sportlichen Veranstaltungen nach Sotschi geholt: ein Festival für Robotertechnik, ein Folklorefest zum Beispiel. Meist wurden die Veranstaltungen mit öffentlichen Geldern finanziert. Anwohner erzählen, dass viele Eintrittskarten kostenlos ausgegeben wurden. Angesichts der drohenden Rezession in Russland fragen Skeptiker, wie lange es sich der Staat noch leisten kann, das Prestigeprojekt Sotschi derart zu subventionieren. Bürgermeister Anatolij Pachomov ist optimistisch:
    "Die Belastungen sind aufgeteilt zwischen der lokalen, der regionalen und der föderalen Ebene. Wir haben Geld. Die Wirtschaft läuft vielleicht nicht so gut, wie wir es gern hätten. Aber die sozialen Maßnahmen hier und der Unterhalt der Eisarenen sind gewährleistet."
    Der Bürgermeister berichtet von steigenden Steuereinnahmen aus dem Tourismusbetrieb.
    In den Bergen um Sotschi, dort, wo die alpinen Wettkämpfe ausgetragen wurden, läuft die erste Wintersaison nach Olympia weit besser als erwartet. In den Neujahrsferien waren die Hotels zeitweise ausgebucht, und auch in den Wochen danach sind noch viele Gäste da. Ein Grund: Die Rubelkrise. Vielen Russen ist der Skiurlaub in den Alpen schlicht zu teuer, sie ziehen Urlaub in Russland vor. Im Skigebiet Roza Chutor läuft der Betrieb am besten. Zu dem Resort gehört auch das zweite Olympische Dorf, in den Bergen direkt an der Piste. An den Fassaden hängen noch die Fahnen der Mannschaften. Noch stehen viele Zimmer leer, aber die Nachnutzung hat auch hier begonnen: Ein Hotel, ein Hostel für junge Leute, ein Wohnheim für die Angestellten.
    Zwei Urlauberinnen aus Moskau: "Wir sind sehr zufrieden. Der Skilift ist direkt vor der Tür, und es ist sehr hübsch hier. Wenn wir noch mal kommen, wollen wir wieder im Olympischen Dorf wohnen."
    Kaum sportliche Wettkämpfe
    Während der Tourismus anläuft, sieht es mit der sportlichen Nachnutzung schlechter aus. Der einzige große Wettkampf in diesem Jahr in Krasnaja Poljana ist die Rennrodel EM Ende Februar/Anfang März. Vom Skilift aus ist die Langlaufarena zu sehen - ungenutzt. Ebenso die Sprungschanzen. Das sollte sich ändern, meint der Chef von Roza Chutor, Alexander Belokobylskij:
    "Sportler, insbesondere den Nachwuchs, hier nicht trainieren zu lassen, wäre natürlich falsch. Wir arbeiten daran. Bei uns wird die russische Meisterschaft im Abfahrtsski stattfinden. Wir stehen in den Plänen des Internationalen Ski-Verbandes für die Alpinen Ski-Juniorenweltmeisterschaften 2016. Natürlich hätten wir auch gern, dass Etappen des Weltcups bei uns stattfinden. Eines Tages werden sie das."