Donnerstag, 25. April 2024

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Olympia 2024
Die Spiele als Katalysator

Am Sonntag entscheiden die Bürger in Hamburg darüber, ob die Hansestadt sich für die Olympischen Spiele bewirbt. Der Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, nannte die Spiele im DLF einen "Katalysator" für die langfristige Entwicklung der Stadt, der 8.000 Wohnungen mit sich brächte. Auch sei die Durchführung der Spiele voll finanziert.

Michael Vesper im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 28.11.2015
    Zu sehen ist eine Foto-Simulation, die ein Stadion und neue Wohnhäuser zeigt. Alles steht im Hamburger Hafen auf der Elbinsel "Kleiner Grasbrook."
    DOSB-Chef Michael Vesper ist zuversichtlich, dass die Hamburger am Sonntag Ja sagen zur Olympia-Bewerbung (picture-alliance / dpa / Kcap / Arup / Vogt / Kunst+herbe)
    Insgesamt sollen die Spiele 11,2 Milliarden Euro kosten. Vesper erläuterte im Deutschlandfunk, die Hansestadt habe bereits in diesem frühen Stadium der Planung alles durchgerechnet. Sicher sei: Alleine die Durchführung koste 3,4 Milliarden Euro, und dieser Posten sei gesichert. Das Internationale Olympische Komitee steuere 1,7 Milliarden Dollar bei, hinzu kämen die Gelder aus dem Verkauf der Eintrittskarten und das Merchandising. Die verbleibenden 7,4 Milliarden Euro an Kosten seien für die Investitionen in den Verkehr und die Erschließung der Elbinsel "Kleiner Grasbrook" gedacht - sie liegt im Hamburger Hafen und soll das Herzstück der Olympischen Spiele 2024 werden.
    Michael Vesper
    Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) (picture alliance/dpa/Fredrik von Erichsen)
    Vesper betonte, Olympia könne ein Katalysator für große Projekte sein. Das habe sich in München 1972 gezeigt. Der Olympiapark laufe bis heute gut und sei erfolgreich. In London habe man mit den Spielen einen ganzen Stadtteil im Osten in die Stadt zurück geholt. In Barcelona hätten die Spiele die Stadt zum Meer geöffnet. In Hamburg nun entstehe ein neuer Stadtteil auf der Insel. Das bedeute etwa 8.000 neue Wohnungen.
    Vesper sagte, es hätten schon 500.000 Hamburgerinnen und Hamburger per Brief abgestimmt. Das bedeute, dass man bei der Wahlbeteiligung wohl über 50 Prozent und damit sogar höher als bei der Bürgerschaftswahl liegen werde. Nötig für die Gültigkeit des Referendums ist eine Beteiligung von 20 Prozent der Wahlberechtigten - und natürlich eine Mehrheit, die mit Ja stimmt.

    Das komplette Interview zum Nachhören:
    Jürgen Zurheide: 1,3 Millionen Hamburger können abstimmen bis morgen: Wollen sie Olympia oder wollen sie das nicht. In der Stadt ist heftig diskutiert worden. Es gibt kaum jemanden, der sich nicht dazu geäußert hat. Es gibt viele Argumente dafür, aber auch einige dagegen. Wir wollen heute mit einem Befürworter sprechen, nämlich dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, den ich jetzt herzlich am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Vesper!
    Michael Vesper: Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Vesper, können Sie eigentlich das Misstrauen verstehen, was Ihnen ja auch bei Veranstaltungen in Hamburg entgegengeschlagen ist?
    Vesper: Ich kann schon manche kritischen Äußerungen nachvollziehen, aber ich glaube, dass sie in der Regel auf falschen Fakten beruhen. Es wird natürlich im Moment sehr viel in einen Topf geworfen, weil die Diskussion im November ja nun wirklich außerordentlich dicht war, auch über Skandale im Bereich des Sports, aber auch die Flüchtlingsfrage, wir haben die Anschläge in Paris erlebt, die schrecklichen Anschläge, also es war ein äußerst bewegter November. Dann während einer solchen Zeit ein solches Referendum zu haben, das ist natürlich dann eine besondere Herausforderung.
    Zurheide: Es gibt ja vor allen Dingen zwei Punkte, die ganz kritisch diskutiert werden. Vielleicht sollten wir das nach und nach auch abarbeiten: Das sind erstens die Zahlen, reicht das Budget, 11,2 Milliarden, das ist das eine. Das Zweite ist die Frage der Nachhaltigkeit. Beginnen wir mit den Zahlen: Sie selbst haben ja gesagt – so habe ich Sie jedenfalls mehr als einmal gehört –, diese Zahlen seien mehr geprüft als das früher der Fall war. Das schließt ja immerhin ein, dass es früher nicht immer so ganz genau geprüft wurde. Da kommt ja auch Misstrauen her. Ist das nachvollziehbar?
    Vesper: Sie müssen sehen, wir sind ja in einem sehr, sehr frühen Stadium. Und in diesem Stadium hat die Freie und Hansestadt Hamburg alles, was mit Olympia zusammenhängt, was ausgelöst ist dadurch, dass dieses Sportfest im Jahr 2024 in Hamburg stattfinden soll, hat alles geprüft und durchgerechnet von Experten und ist dann auf diesen Betrag gekommen, den sie genannt haben. Das ist in anderen Bewerbungen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit so intensiv in diesem frühen Stadium noch nicht gemacht worden. Was ein bisschen unbeachtet bleibt, ist, dass der Teil, der auf die eigentliche Durchführung der Spiele entfällt, das sind die 3,4 Milliarden Durchführungskosten, also das Organisationsbudget der Spiele, dass das – das wird auch von niemandem bestritten – voll finanziert ist, einmal durch einen Zuschuss des IOC in Höhe von voraussichtlich 1,7 Milliarden US-Dollar, dann durch den Verkauf von Eintrittskarten, durch den Verkauf von Merchandising-Artikeln und durch nationales Sponsoring. Da ist eine schwarze Null, wenn nicht ein Gewinn bei diesem Durchführungsbudget zu erwarten. Der Betrag, um den es in der öffentlichen Diskussion die ganze Zeit geht, ist der verbleibende Betrag von etwa 7,4 Milliarden Euro, der für Investitionen erforderlich ist, etwa in das Verkehrssystem, etwa in die Erschließung des kleinen Grasdrucks, einer Halbinsel in der Elbe, wo das Herz von Olympia stattfinden soll, etwa durch weitere, allerdings nur wenige in Hamburg notwendige Bauten. Das Olympiastadion muss natürlich gebaut werden, die Olympiahalle, wo die Turnwettbewerbe stattfinden sollen und auch die Schwimmhalle. All das zusammengenommen macht diesen Betrag von 7,4 Milliarden Euro aus, wobei dies in Preisen von 2024 gerechnet ist. Und in alle Projekte große Kostenvarianten für mögliche Risiken einberechnet sind. Denn Hamburg hat natürlich das Trauma der Elbphilharmonie und das hat dazu geführt, dass man da eher vorsichtig gerechnet hat.
    Zurheide: Sie haben gerade die wichtigen Fakten genannt, ich will da an dem Punkt genau nachfragen. Sie haben gesagt, da werden 7-Komma-so-und-so-viel Milliarden für die Stadtentwicklung ausgegeben. Ich kenne nun einige Stadtplaner, die sagen, diese 7 Milliarden könnte man klüger ausgeben als für solche Projekte, die man in Teilen jedenfalls nur für dieses eine Ereignis braucht. Halten Sie die Kritik – Sie waren ja auch mal Bauminister als Grüner, auch mit einem besonderen Anspruch –, halten Sie diese Kritik für völlig daneben?
    Vesper: Herr Zurheide, Sie haben könnte gesagt. Sie sprechen im Konjunktiv. Das begegnet man bei jedem Projekt, dass dann gesagt wird, mit dem Geld könnte man etwas anderes machen. Aber aus dem Konjunktiv wird eben kein Indikativ, denn solche großen Projekte brauchen einen Katalysator, um sie öffentlich durchsetzen zu können, um das Geld zu bekommen. Und dieser Katalysator ist Olympia. Das haben wir erlebt schon 1972 in München, wo bestimmte Investitionen in das öffentliche Verkehrssystem in den Olympiapark, der übrigens bis heute läuft und sehr erfolgreich läuft, getätigt werden mussten. Das konnten Sie erleben in London, wo ein ganzer Stadtteil im Osten der Stadt, der marode war, der zurückgefallen war, in die Stadt zurückgeholt wurde. Das konnten Sie beispielsweise erleben in Barcelona, wo Olympia ausgelöst hat, dass diese wunderbare Stadt sich zum Meer geöffnet hatte, was vorher eben nicht der Fall war. Also man muss Olympia nutzen, um Projekte durchzusetzen, die langfristig nützlich sind für diese Stadt. Und dieser neue Stadtteil mitten in der City auf einer Insel gelegen, mit einem gesunden Wohnungsbaumix, bringt am Ende 8.000 neue Wohnungen in einem äußerst engen Wohnungsmarkt. Und den würden Sie sonst nicht kriegen. Schon deswegen, weil die Hafenbetriebe diese kleine Grasburg ohne das Projekt Olympia gar nicht verlassen würden.
    Zurheide: Jetzt ist die Frage, ich habe es gesagt, 1,3 Millionen Wahlberechtigte stimmen ab – erstens, wie hoch muss die Beteiligung sein. Und zweitens, reichen am Ende 50,01 Prozent? Ab wo würden Sie skeptisch sagen, na ja, das reicht uns nicht als Zustimmung in einer Stadt, in der schwierigen Lage, die Sie ja vorhin auch beschrieben haben mit vielen anderen Themen, die die Menschen beschweren?
    Vesper: Wir brauchen rein formal gesehen mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten, die mit ja stimmen und natürlich eine Mehrheit. Es haben bis heute schon über 500.000 Hamburgerinnen und Hamburger per Briefwahl abgestimmt. Das heißt, die Experten rechnen damit, dass wir deutlich über 50 Prozent landen bei der Wahlbeteiligung. Das ist mehr als im März zur Bürgerschaftswahl. Zur Frage der Mehrheit kann ich nicht nur als ehemaliger Politiker nur sagen –
    Zurheide: Mehrheit ist Mehrheit!
    Vesper: Mehrheit ist Mehrheit. Und gerade in dieser angespannten Situation, in der der "Wahlkampf", in Anführungsstrichen, in den letzten Wochen stattgefunden hat, ist das natürlich folgerichtig. Wenn die Hamburgerinnen und Hamburger in ihrer Mehrheit dieses Projekt wollen, dann werden wir es gemeinsam machen und sonst nicht.
    Zurheide: Übrigens, jetzt haben wir noch nicht darüber gesprochen, welche Chancen Deutschland hat, aber ich glaube, das machen wir dann, wenn die Hamburger mit ja gestimmt haben, dann werden wir uns wieder verabreden.
    Vesper: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dazu kommen, uns darüber unterhalten zu müssen!
    Zurheide: Zu müssen ist dann die Frage! Zu müssen oder zu dürfen!
    Vesper: Zu dürfen! Ja, genau!
    Zurheide: Herr Vesper, ich bedanke mich herzlich für das Gespräch. Tschüss.
    Vesper: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.