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Olympia in Sotschi
Wie der Kreml das Fernsehen kontrolliert

Noch 71 Tage, dann beginnen in Sotchi die Olympischen Winterspiele. Modern und weltoffen möchte sich Russland bei diesem Sportereignis präsentieren. Doch die Realität vor Ort sieht oft anders aus. Was erfährt eigentlich die russische Bevölkerung über die Verhältnisse in ihrem Land durch die vielfach staatlich kontrollierten Medien? Und wie wirkt sich das auf die Olympia-Berichterstattung aus? Darüber haben in Berlin russische und deutsche Journalisten diskutiert. Auf Einladung von Reporter ohne Grenzen und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde.

Von Thomas Wheeler | 27.11.2013
    Blake Skjellerup will in Sotchi einfach nur er selbst sein. Das könnte schwierig werden, denn der Shorttrack-Läufer aus Neuseeland ist schwul. Mit seiner Teilnahme an den Winterspielen will er ein Zeichen setzen – gegen die homophobe Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin.
    “Die großen staatsnahen Fernsehsender verschweigen solche Fälle bewusst. Unabhängige Medien, wie z. B. TV Doschd berichten darüber schon.“
    Michail Fishman, seit 17 Jahren arbeitet er als politischer Journalist in Moskau. Momentan ist er freier Nachrichtenmoderator für den Privatsender TV Doschd. Aktuell die einzige kritische Stimme auf dem russischen Fernsehmarkt.
    “Der Sender unterscheidet sich vor allem von den staatlichen Programmen, dass er extrem viel live sendet. (…) Dadurch ist es viel, viel unverfälschter. Während in den großen Kanälen nahezu alle Sendungen aufgezeichnet werden. Also dort finden sie nichts, was dann unvorhergesehen mal gesagt werden kann.“
    Ulrike Gruska, Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen. In diesem Sommer hat sie die russischen Medienverhältnisse näher untersucht. Ihr Bericht „Der Kreml auf allen Kanälen“ basiert auf rund 30 Interviews, die sie mit Journalisten in Moskau und Berlin führte.
    “Wir wollten in unserem Bericht zeigen, wie stark das russische Fernsehen kontrolliert ist. Denn man hört hier immer wieder, es gebe auch viele kritische Medien in Russland. Man könne dort frei berichten. Das kann man. Aber wirklich nur in ganz, ganz kleinen Medien, und die großen Fernsehsender, die das ganze Land erreichen, sind einfach hundertprozentig vom Kreml kontrolliert.“
    Unter diesen Bedingungen ist natürlich auch die Berichterstattung über die bevorstehenden Winterspiele gefärbt.
    “Aus der Sicht Putins sind die Olympischen Spiele die größte Errungenschaft seit vielen Jahren. Deswegen wird über sie auch so berichtet, als sei es einfach ein einziger, großer Feiertag für ihn.“
    Unangenehme Themen wie Korruption, Geldverschwendung beim Bau der Sportanlagen, Umweltzerstörungen und Zwangsumsiedlungen werden in den staatlichen Fernsehsendern bewusst verschwiegen. Aber das stört die meisten Russen kaum, meint der Journalist Michail Fishman. Seit Sowjetzeiten habe sich die Bevölkerung daran gewöhnt, dass das Fernsehen nicht die Realität abbilde.