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Olympische Jugendspiele
Kostenexplosion in Buenos Aires

In Buenos Aires wird vom 6. bis 18. Oktober 2018 die dritte Ausgabe der Olympischen Jugendspiele stattfinden. Die Vorbereitungen laufen und schon jetzt ist klar: Es wird teuer.

Von Sandra Schmidt | 11.03.2018
    IOC-Präsident Thomas Bach (Mitte) bei der Besichtigung des Olympischen Dorfs für die Olympischen Jugendspiele 2018 in Buenos Aires.
    IOC-Präsident Thomas Bach (Mitte) bei der Besichtigung des Olympischen Dorfs für die Olympischen Jugendspiele 2018 in Buenos Aires. (imago sportfotodienst)
    Am 4. Juli 2013 bekam das Bewerbungskomitee der Stadt Buenos Aires den Zuschlag für die Olympischen Jugendspiele. Kurz darauf erklärte der damalige Bürgermeister der Metropole am Rio de la Plata und jetzige Staatspräsident Maurizio Macri mit vor Stolz geschwellter Brust: "In Buenos Aires müssen wir im Grunde nichts investieren, wir haben alle Stadien und Hallen, die es braucht. Wir müssen nur das Olympische Dorf bauen, das danach zu Sozialwohnungen werden wird, um den Süden der Stadt weiterzuentwickeln."
    Das Konzept sah tatsächlich vor, nahezu alle Wettbewerbe in bereits bestehenden Stadien und Hallen auszutragen, fast ein Viertel davon im elf Hektar großen Cenard, dem nationalen Hochleistungssportzentrum Argentiniens. Das überzeugte das IOC offenbar. Das Gesamtbudget des Mitbewerbers Glasgow war fast doppelt so hoch.
    Kostensteigerung um 1000 Prozent
    Mitte Februar 2018 sind nach Berechnungen von Ernesto Rodríguez III die Zahlen allerdings ganz andere: "Dieser Plan ging von Ausgaben von 1040 Millionen Pesos aus. Am heutigen Tage liegen die Ausgaben bei über 11.500 Millionen Pesos, aber es könnte noch viel mehr werden, weil es nicht nur die Bauten gibt, sondern auch einen internationalen Kredit in Dollar, der 2026 fällig wird."
    Eine Steigerung um rund 1000 Prozent rechnet der Journalist, selbst aus Buenos Aires, vor, und damit schon mal "ein olympischer Rekord", wie er sarkastisch hinzufügt. Ein Rekord für den der steuerzahlende Bürger der Hauptstadt aufkommen wird. Aber wie zum Teufel kommt eine solch irrwitzige Kostensteigerung zustande?
    Da ist die Geschichte mit dem Dollar: Die ambitionierten Argentinier rund um ihren NOK-Präsidenten Gerardo Werthein, der auch IOC-Mitglied ist, hatten für 2018 einen Wechselkurs von 1 Dollar zu 4,5 argentinischen Pesos angenommen. Dazu Ernesto Rodríguez III: "Das ist nicht nur eine absolut optimistische Zahl, sondern auch eine irreale, den schon in jenem Moment lag der Dollar bei 5,7 - es stimmte also nicht mal damals, sie haben von Anfang an gelogen."
    So kam man auf Gesamtkosten von rund 230 Millionen Dollar. Schon im Bericht der IOC-Arbeitsgruppe wurde dies 2012 angesichts der bereits damals hohen Inflationsrate als "Risiko" eingeschätzt. Heute liegt der Kurs bei über 20 Pesos, womit die Veranstaltung, sozusagen ohne weiteres Zutun, schon vier Mal so teuer wird wie prognostiziert.
    Die Geschichte mit dem Olympischen Dorf
    Alejandro Lifschitz, Kommunikationsdirektor des Organisationskomitees, sagt nichts über den Dollar, präsentiert aber seinerseits neue Zahlen: "Unser operativer Etat für diese Spiele beträgt circa 210 Millionen US-Dollar, von denen 20 bis 25 Millionen vom IOC und durch unsere Lizenz- und Sponsorenprogramme getragen werden. Den Rest finanziert die Regierung der Stadt Buenos Aires."
    Dann ist da die Geschichte mit dem Olympischen Dorf: Der Bau im armen Süden der Stadt schlug im ursprünglichen Budget von 230 Millionen Dollar mit 126 zu Buche. In den Zahlen von Alejandro Lifschitz taucht es nicht mehr auf: "Nein, das ist nicht unser Budget. Wir profitieren davon, also wir sind in gewisser Weise die Ausrede dafür, dass dieses Viertel, das so lange vernachlässigt wurde, endlich gefördert wird."
    Formal und finanziell ist das Dorf nun ein Projekt des Ministeriums für Stadtentwicklung. Nach Recherchen von Ernesto Rodríguez III sind hier die geplanten Kosten von ehemals 2000 auf über 3500 Millionen Pesos angestiegen. Die 1050 Wohneinheiten sollen noch vor Beginn der Spiele verkauft werden, die Online-Registrierung beginnt kommende Woche. Von Sozialwohnungen ist allerdings keine Rede mehr, man zielt explizit auf "Familien der Mittelschicht".
    Und dann ist da noch die Geschichte mit den Sportstätten. Neben dem Olympischen Dorf - also in der ärmsten Gegend der Stadt - entsteht ein kompletter Olympiapark: fünf große Hallen, ein Schwimmstadion, Hockeyfelder und die Leichtathletikanlagen. Nur noch vier von 36 Sportarten sollen im Oktober dort stattfinden, wo sie ursprünglich mal geplant waren. Mit dem Bewerbungskonzept von 2013 hat das nichts mehr zu tun.
    Warum gibt eine Stadt wie Buenos Aires Millionen für Sportstätten aus?
    Das sagt sogar Alejandro Lifschitz: "Die Spiele, die wir in knapp sieben Monaten abliefern werden, und die Spiele, die am Anfang geplant waren, sind zwei komplett verschiedene Dinge. Von daher sind sie nicht einfach zu vergleichen, das wäre wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen." Lifschitz gibt zu, dass es nun teurer wird als geplant, das habe vor allem mit der Entscheidung für ein "Vermächtnis" zu tun: "In Koordination mit dem IOC hat man entschieden, ein sehr viel größeres Vermächtnis zu hinterlassen als geplant: Nach dem anfänglichen Plänen hätte man das Geld ja primär ausgegeben, um schon existierende Sportstätten anzumieten, das heißt das Vermächtnis wäre gleich Null gewesen."
    Warum aber gibt eine Stadt wie Buenos Aires, in der nach aktuellen Zahlen rund zwanzig Prozent der Menschen als arm oder bedürftig gelten und Hunderttausende in Elendsvierteln wohnen, plötzlich Abermillionen für neue Sportstätten aus? Immerhin ist klar, was mit diesen Sportstätten nach den Spielen passiert: Sie sollen das neue Hochleistungssportzentrum der Nation werden. Der Cenard wird sein seit den fünfziger Jahren existierendes Areal nahe dem Rio de la Plata räumen müssen.
    Ernesto Rodríguez III hat eine Erklärung, was es damit auf sich hat: "Es gab einen Paradigmenwechsel als Larreta Bürgermeister geworden ist und entschieden hat, den Cenard zu ersetzen. Der Cenard muss weichen, um dort Luxus-Wohnungen zu bauen. Und deshalb mussten neue Ausschreibungen erfunden werden, um Sportstätten zu bauen."
    Kurzum die öffentlich finanzierten Jugendspiele als Vorwand für riesige private Bauprojekte? In der Tat ist die Urbanisierung des grünen und wohlhabenden Nordens der Stadt eines der großen Projekte von Horacio Rodríguez Larreta, neoliberaler Parteifreund seines Vorgängers Maurizio Macri.
    Die großen öffentlichen Ausschreibungen für die neuen Sportstätten im Olympiapark haben übrigens, auch das weist Ernesto Rodríguez III nach, mehrheitlich Firmen gewonnen, die mit genau diesen beiden Herren auf die ein oder andere Art verbandelt sind. Aber das ist noch eine ganz andere Geschichte.