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Olympische Spiele in Südkorea
Russische Athleten hoffen auf IOC-Einladung

Medienberichten zufolge will das IOC wegen des Dopingskandals 169 russischen Athleten lediglich erlauben, unter neutraler Flagge bei den Olympischen Spielen in Südkorea zu starten. Bestätigt ist die Zahl offiziell noch nicht. Für die hart trainierenden Athleten ist die Ungewissheit eine enorme Belastung.

Von Thielko Grieß | 26.01.2018
    Jewgenija Medwedjewa bei der Eiskunstlauf-WM 2017 in Helsinki
    Die Europa-Vizemeisterin im Eiskunstlauf, Jewgenija Medwedjewa hofft auf eine Einladung des IOC zu den Olympischen Winterspielen 2018 (imago / Xinhua)
    Von den 13.000 Zuschauern in der Eiskunstlauf-Arena in Moskau sind die allermeisten aus dem Häuschen. Denn endlich läuft Jewgenija Medwedjewa auf das Eis – es ist der letzte Auftritt in der Kür der Damen. Die 18-Jährige ist amtierende Europa- und Weltmeisterin. Schafft sie es, sich den Europa-Titel abermals zu erlaufen? Vier Minuten hat sie Zeit, um die Kampfrichter zu überzeugen.
    Sprünge und Drehungen führt sie nahezu perfekt aus. Als sie, ihre schnelle Atmung und Gesichtszüge exakt kontrollierend, ihre Abschlusspose findet, weiß jeder in der Arena: Medwedjewa zu schlagen, kann nur einer Konkurrentin gelingen.
    So kommt es. Medwedjewa wird Zweite; denn die neue Europameisterin ist ebenfalls Russin, erst 15 Jahre alt und heißt Alina Sagitowa.
    Bisher noch keine Einladung des IOC
    Von zwölf Medaillen dieses Turniers gehen Ende vergangener Woche neun an russische Sportlerinnen und Sportler – das Land ist im Eiskunstlauf das Maß der Dinge. Aber auch die Europameister wissen nicht, ob sie nach Südkorea dürfen oder nicht, weil das IOC die angekündigten Einladungen noch nicht ausgesprochen hat. Die in Russland dank Sport und sozialen Medien bekannte und populäre Medwedjewa, die wegen Dopings noch nie aufgefallen ist, war im Dezember zur IOC-Führung in die Schweiz gereist und hatte dort die Sicht der russischen Athleten vorgetragen.
    Laut dem danach veröffentlichten Redetext hatte sie betont, eine Teilnahme unter neutraler Flagge komme für sie nicht infrage. Nun, nach der EM erklärt sie auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Moskau in versöhnlichem Ton:
    "Ich bin froh, dass das IOC trotz allem zu einem Kompromiss gelangt ist. Ja, wir werden unter einer weißen olympischen Flagge auftreten, aber wir werden 'Olympische Athleten aus Russland' heißen.
    Wir werden also unser Land, Russland, vertreten. Und jedem, der vor dem Bildschirm oder im Stadion sitzt, wird klar sein, aus welchem Land wir kommen und wen wir repräsentieren."
    Sie klingt abgeklärt und sicher. Aber dann fragt ein anderer Journalist, ob sie sich in ihren Vorbereitungen durch den Doping-Skandal nicht gestört fühle: Da wird sie plötzlich knapp.
    "Entschuldigen Sie, aber diese Frage beantworte ich nicht."
    Trainieren unter enormen Druck
    Nach Ende der Pressekonferenz entspinnt zwischen zwei Journalisten und der Eiskunstläuferin eine kurze, etwas hitzige Diskussion. Die Sportlerin bittet darum, diesen Teil nicht zu zitieren, sie wolle keine Schlagzeilen hervorrufen und deutet an, dass ihr die ständigen Fragen nach dem Skandal, der sie selbst doch nicht betreffe, auf die Nerven gingen. Ihre Reaktion ist vielleicht ein Hinweis darauf, wie schwer es Sportlerinnen und Sportlern fallen mag, sich kurz vor Beginn der Olympischen Spiele auf ihren Auftritt vorzubereiten, nicht wissend, ob sie dürfen oder nicht – zumal in dieser Woche fast täglich Nachrichten aus der Schweiz eintreffen: So ist bereits bekannt, dass neben anderen der Biathlon-Läufer Anton Schipulin oder der Eisschnellläufer Wiktor Ahn nicht zugelassen werden. Das hat viele überrascht, weil diesen Russen Doping nicht nachgewiesen worden war. Seine Entscheidungen hat das IOC bislang nicht begründet.
    Enttäuschte Zuschauer
    In der Sportarena in Moskau wissen viele Zuschauer um die Debatte. Zwei Frauen, die seit Jahren den Turnieren hinterher reisen und so große Fans des Eiskunstlaufs sind, dass sie neben der russischen auch französische, spanische und israelische Flaggen dabei haben und schwenken, sagen:
    "Wir sehen das alles mit großem Bedauern, das ist sehr traurig. Ich denke, eine Schuld der Sportler gibt es nicht – das ist alles Politik, die sich auf die Sportler so schwer auswirkt. Sehr bedrückend, weil sich die Sportler vier Jahre lang auf das Turnier vorbereiten, und dann ist war es doch alles vergebens."
    Gestern Abend meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf den Vize-Präsidenten des Olympischen Komitees Russlands, das IOC werde 169 russische Athleten zulassen. Namen wurden nicht genannt.