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Olympische Spiele
Lieber Doha als Hamburg

Hamburg ist das Ergebnis kühler Berechnung, weil die Stadt den Rückhalt der Bevölkerung hat, kommentiert Philipp May. Sollten bundespolitisch aber wieder nur Medaillen und nicht die Aufarbeitung schwerer Fehler der Vergangenheit im Fokus stehen, sollten die Spiele aber nicht nach Deutschland kommen.

Von Philipp May | 16.03.2015
    Flaggen mit den Olympischen Ringen und dem Wappen von Hamburg hängen neben einem Straßencafe am Rathausmarkt in Hamburg
    Flaggen mit den Olympischen Ringen und dem Wappen von Hamburg hängen neben einem Straßencafe am Rathausmarkt in Hamburg (dpa / Christian Charisius)
    Der DOSB hat logisch entschieden. Keine emotionale Wahl, wie 2003, als das viel zu kleine Leipzig in ein aussichtsloses Rennen geschickt wurde. Hamburg ist das Ergebnis kühler Berechnung.
    Ja, Berlin ist eine echte Weltstadt, Berlin ist sexy - auch aus Sicht vieler IOC-Funktionäre, die am Ende die Entscheidung über die Olympiastadt treffen. Man kennt und schätzt Berlin dank vieler hochkarätiger Sportevents in der Vergangenheit, zum Beispiel der Leichtathletik WM. Hamburg ist dagegen ein weißer Fleck auf der internationalen Sportlandkarte. Doch die Hansestadt hat etwas Wichtigeres zu bieten: Den Rückhalt der eigenen Bürger.
    Hamburg als Sicherheitsvariante
    Denn sollte nach der gescheiterten Winter-Bewerbung Münchens wieder ein Olympiaanlauf per Bürgerentscheid zu Fall gebracht werden, wäre die Vision von Olympischen Spielen in Deutschland auf Jahre hinaus, wenn nicht Jahrzehnte gestorben. Hamburg mit seiner Zustimmungsrate von 64 Prozent bietet dem DOSB eine relativ hohe Sicherheit, dass diese erste Hürde genommen wird. In Berlin mit seiner großen wie lautstarken Opposition wäre so eine Abstimmung ein unkalkulierbares Risiko. Doch der deutsche Sport in seiner derzeitigen Lage braucht eine Olympiabewerbung so dringend wie die Luft zu atmen.
    Ob beim Anti-Doping-Gesetz oder der Leistungssportförderung – noch nie blies den Sportfürsten der politische Gegenwind so stark ins Gesicht wie derzeit. Doch nun gehen Sport und Politik gemeinsam mit den pflegeleichten Hamburgern in ein jahrelanges Bewerbungsrennen – vermutlich sogar bis 2021, wenn der Gastgeber für 2028 gekürt wird. Das wird zu einem Schulterschluss führen. Der den (Steuer-) Geldbeutel für den Spitzensport wieder etwas lockerer sitzen lässt. Denn wenn Olympische Spiele nach Deutschland kommen, dann soll auch der deutsche Sport wieder zurück sein an der Weltspitze.
    Deutsche als Kraftmeier?
    Alles nachvollziehbar aus Sicht des DOSB. Doch nun, da die Weichen für das wichtigste Projekt des nächsten Jahrzehnts gestellt sind, müssen Sport und Politik endlich anfangen, Fragen zu beantworten: Welches Signal wollen wir setzen mit Olympischen Spielen in Deutschland? Wollen wir uns wieder wirklich wieder als leistungsfähige Kraftmeier darstellen? Als Weltmeister der Wirtschaft und des Medaillenspiegels?
    Dafür spricht Vieles: Oder wie ist sonst zu erklären, dass noch immer hunderte schwer gezeichnete Opfer des DDR-Zwangsdopings vergeblich auf Entschädigung warten, während viele Täter von einst noch immer in teilweise hohen Funktionen an den Hebeln des deutschen Sports sitzen. Oder der für den Sport zuständige Bundesinnenminister: Der hat gerade erst eine neue Leistungssportförder-Offensive ausgesprochen und unmissverständlich klar gemacht: Es gehe nicht ums Wohlfühlen, sondern um Medaillen. Ein großes Medaillenförderprogramm: Wenn das die Vision ist, dann sollen Olympische Spiele gerne in Boston, Paris oder Doha stattfinden, aber bitte nicht in Hamburg oder sonst wo in Deutschland!