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Olympische Winterspiele
"Die Augen der Sportler haben sofort geleuchtet"

Um zu erfahren, wie einige Nachwuchssportler selbst über Olympia denken, hat Journalist Sebastian Trepper mit einigen Wintersportlern gemeinsam trainiert und ihre Perspektive eingenommen. Die Gespräche zeichnen ein Bild, das zu denken geben sollte.

Sebastian Trepper im Gespräch mit Matthias Friebe | 11.02.2018
    Der Journalist Sebastian Trepper testete zehn Olympische Wintersportarten.
    Der Journalist Sebastian Trepper testete zehn Olympische Wintersportarten (Deutschlandradio / Sebastian Trepper)
    Matthias Friebe: Wie groß ist der Stellenwert von Olympia eigentlich für die Sportler?
    Sebastian Trepper: Extrem groß. Eigentlich immer wenn ich nach Olympia gefragt habe, haben die Augen der Sportler sofort geleuchtet. Der 18-jährige Langläufer Elias Homrighausen beschreibt die Bedeutung folgendermaßen:
    "Es ist ein Traum für jeden Nachwuchssportler. Die Vorstellung, bei Olympia dabei zu sein, ist unbeschreiblich. Es gibt einfach nichts Größeres."
    Trepper: Die Einzigen, denen etwas mit ansatzweise vergleichbarem Stellenwert eingefallen ist, waren Freestyle-Snowboarder. Einer von ihnen sagt: "Jeder will da hin, ich auch. Aber im Snowboard-Freestyle-Bereich gibt es viele Events, die mit Olympia mithalten oder konkurrieren können. Deswegen ist Olympia nicht die einzige Hoffnung, etwas zu gewinnen. Aber natürlich ist es cool, wenn man da mitfährt."
    Die Boarder haben auch noch die X-Games oder den Air and Style, aber Olympia ist bei denen schon auch cool.
    Friebe: Aber warum?
    Trepper: Das hat offensichtliche Gründe: Es ist die größte Bühne, die größte Auszeichnung. Allein was Ehrgeiz und Finanzen angeht, ist das schlichtweg das Größte.
    Aber auch: Immer noch die ursprüngliche Idee der Spiele. Trotz aller negativen Schlagzeilen, die vor allem Sportfunktionäre in den letzten Jahren produziert haben. Die Funktionäre sind nicht das, was im Olympischen Dorf zählt.
    "Olympia als Völkerverständigung auf engem Raum"
    Das funktioniert dann irgendwie immer noch wie bei Coubertin - Treffen der Jugend der Welt. Völkerverständigung auf engem Raum mit dem Sport als Verbindung untereinander.
    Selbst Jemand, der schon auf dem Weg raus aus dem aktiven Sport ist, wird euphorisch: Jannik Melzer spielt bei den Kölner Haien in der höchsten Eishockey-Jugendliga, hört nach dieser Saison auf.
    Er sagt über den olympischen Geist: "Ich denke, es ist ein geiles Gefühl, bei Olympia dabei zu sein. Bei diesem Einzug, wo die verschiedenen Länder vorgestellt werden. Man spielt ein geiles Turnier gegen super Mannschaften. Man bekommt vielleicht auch etwas von den anderen Sportarten mit, sieht vielleicht ein bisschen davon."
    "Olympia ist für viele Sportler der Höhepunkt"
    "Es ist häufig der Fall, dass Sportler, die Olympia dabei waren, sagen, das sei ein ganz eigenes Gefühl, weil so viele Sportler, so viele Sportarten, so viele Nationen auf einem Raum zusammentreffen. Es ist vielleicht nicht von klein auf das Ziel, bei Olympia dabei zu sein, aber wenn man die minimale Chance hat, das irgendwie zu schaffen, will man diese auch ergreifen. Und ich denke, Olympia ist auch für viele Sportler der Höhepunkt."
    Trepper: Ich habe seit den Begegnungen mit all den Sportlern, die entweder nur ganz heimlich träumen oder sogar knapp dran sind teilzunehmen, viel mehr Lust auf Olympia.
    Friebe: Wie ist es denn um die Situation der Sportler außerhalb der Spiele bestellt?
    Trepper: Gerade weil wir in den vergangenen Jahren viel über das Sportsystem gesprochen haben, sind mir da viele Sachen aufgefallen. Das war mir nicht so präsent, weil ich selbst eher Ballsportarten gemacht habe, die viele tausend Andere auch betreiben.
    In vielen Sportarten gibt es die Kader, also den Leistungsbereich und sonst nichts. Also wenn mein Trainer mir beim Biathlon sagen muss: 'Sorry, du bist nicht gut genug', dann kann ich nicht in die zweite Mannschaft oder zu einem anderen Verein. Dann ist Essig. Und das ist schon hart.
    Kaum Zukunftsperspektive für die Trainer
    Gerade wenn ich mir angucke, wie viel da viele Sportler investieren mit fast täglichem Training, oft Fahrerei zu den Trainingsstätten, finanziellem Einsatz, oft auch von den Eltern und vielem mehr. Das ist schon eine echt heftige Geschichte. Und sich dann nicht unter Druck zu setzen, finde ich schon schwierig.
    Elias, der Langläufer, der so begeistert über den Traum von Olympia gesprochen hat, steht zum Beispiel in diesem Jahr an einer wichtigen Schwelle. Wenn es gut läuft, kann er es in diesem Jahr in den Bundes-C-Kader schaffen.
    Für ihn hätte das einige Vorteile: "Wenn man in Deutschland C-Kader-Niveau erreicht hat, dann beginnt die Sportförderung extremer. Dann hat man zehn Jahrgänge über das Jahr verteilt. Man ist mit zehn Sportlern unterwegs, die in ihrem Jahrgang auf einem hohen Niveau sind, und pusht sich daher gegenseitig."
    Trepper: Und auch die ganze Lebensplanung ändert sich, weil C-Kader-Athleten Sportlerstellen beim Zoll, bei der Bundespolizei und so weiter bekommen können. Da hängt die komplette Zukunft dran.
    Friebe: Überträgt sich das auf die Trainer?
    Trepper: Klar, die müssen ja erfolgreiche Athleten produzieren, um ihren Job im System zu rechtfertigen.
    Auch da: Gespräche mit den Menschen vermitteln nochmal einen ganz anderen Eindruck von der Situation. Die Verträge sind kurz, die Stellen teilweise rar. Das ist in vielen Fällen keine Zukunftsperspektive, die entspannt. Und das bei einem Job, bei dem ich sowieso permanent abends arbeiten und oft am Wochenende bei Wettkämpfen, in Trainingslagern oder wer weiß wo unterwegs bin.
    Die Einsamkeit der Trainer
    Mit einem Trainer habe ich nach meinem Testtraining noch zusammengestanden und gequatscht. Ich hab dann gesagt, dass ich mich jetzt nicht mehr beeilen muss, weil ich es zum Ins-Bett-Bringen der Kinder ohnehin nicht mehr schaffe. Und der hat dann erzählt, dass bei ihm durchaus auch der Job ein Faktor dafür war, dass er alleine lebt. Und das glaub ich ihm. Und ich finde, dass das schon eine wirklich harte Aussage ist.
    Friebe: Wenn die Situation teilweise dermaßen problematisch ist: Was hält die Sportler und Trainer daran, am Leistungssport festzuhalten?
    Trepper: Das, worüber wir jetzt miteinander sprechen war ja vielleicht fünf Prozent dessen, worüber ich mit Sportlern und Trainern gesprochen habe. Viel eindrucksvoller als all das, was problematisch sein kann, ist die nahezu grenzenlose Begeisterung für ihren Sport. So viel Herzblut, so viel unbedingter Einsatz, egal in welcher Sportart. Und weil ich mittrainiert habe, habe ich das wirklich unmittelbar spüren können. Das war schon sehr beeindruckend.