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Ombudsmann bei "Bild"
Vermittler oder Feigenblatt?

Seit gut einem Jahr ist Ernst Elitz Ombudsmann bei der "Bild"-Zeitung. Leserinnen und Leser können sich mit Kritik am Blatt an den ehemaligen Deutschlandradio-Intendanten wenden, der diese Kritik dann prüft und in einer Kolumne thematisiert. Eine sinnvolle Initiative oder doch nur ein Feigenblatt?

von Vera Linß | 28.03.2018
    Ernst Elitz in seinem Büro auf einem Bürostuhl sitzend
    Ernst Elitz, der ehemalige Intendant des Deutschlandradios, ist seit gut einem Jahr Ombudsmann bei der "Bild"-Zeitung (Deutschlandfunk / Vera Linß)
    Überraschend kam die Personalie Ernst Elitz im vergangenen Frühjahr nicht. Verbunden mit der "Bild"-Zeitung war er da schon länger - als Kolumnist zu Themen wie NSA, Steuern, Obama oder dem Rechtsaußen Thilo Sarrazin. Dass Elitz auch in neuer Funktion die "Bild" nicht auf den Kopf stellen würde, war demnach kaum zu erwarten. Und tatsächlich: Die immer wieder monierten "Baustellen" des Blattes sind für ihn kein Problem. Beispiel: Der "Bild"-Sexismus, der für manche Kritiker schon beim - gerade so halb abgeschafften - Oben-ohne-Girl beginnt.
    "Nachdem der Chefredakteur ja deutlich gemacht hat, dass die "Bild"-Girls nicht mehr oben ohne abgebildet werden, habe ich keine einzige Reaktion von den Lesern bekommen. Und auch vorher ist das kein Thema gewesen. Sexismus ist für die Leser kein Thema, wobei der Begriff Sexismus ja auch ein bisschen immer wieder hinterfragt werden muss. Viele Frauen sind eben auch stolz, wenn sie sich so abbilden können in der "Bild". Aber wie gesagt, jetzt haben sie diese Möglichkeit nicht mehr."
    "Titanic"- Fake ein Fall für Elitz
    Auch der eigentliche Kern des "Bild"-Sexismus, die ungleiche Darstellung der Geschlechter, ficht Ernst Elitz nicht an. Der 76-Jährige wirkt wie ein Elder Statesman, der ein bisschen über den Dingen steht. Was nicht heißt, dass er nicht auch Kritik übt. Denn manch handwerkliche Fehler können auch den Vollblutjournalisten Elitz aufregen. Wie etwa im Februar. Da hatte die "Bild"-Zeitung von E-Mails berichtet, die angeblich belegen sollten, dass Juso-Chef Kühnert überlegt hätte, für seine NoGroKo-Initiative russische Hacker anzuheuern. Ein Fake, wie sich zeigte und - nach Leserbeschwerden - auch ein Fall für den Ombudsmann.
    "Das ist für mich dann auch noch mal Anlass gewesen, sehr deutlich darzustellen, dass dieses Verhalten nicht korrekt ist und dass ich den Informanten identifizieren muss und auch klären muss, welche Interessen dahinter stehen."
    Weniger kritisch sieht Elitz die Berichterstattung über den SPD-Mitgliederentscheid zur Großen Koalition. Die Hündin Lima sei Mitglied der Partei geworden und habe auch die Unterlagen für das Votum erhalten, schrieb die "Bild", die das Ganze auch inszeniert hatte. Für Ernst Elitz eine berechtigte Satire auf das umständliche Prozedere der Meinungsbildung in der SPD.
    "Da gab es jetzt bis auf diese Beschwerden von zwei oder drei Lesern keine Reaktion, und ich habe das auch nicht als einen Anlass, dort ein kritisches Wort zu erheben, gesehen."
    "Ombudsmann wird von Redaktion und Lesern akzeptiert"
    Der Deutsche Presserat sah das allerdings teilweise anders: Er missbilligte die Überschrift zum Thema. Dass die Berichterstattung insgesamt Züge einer Kampagne gegen die SPD hatte: geschenkt. Relevant ist für Elitz zuallererst, ob sich Leser beschweren. Dann tritt er in Aktion. 50 bis 60 Mal pro Woche bekommt er Post. Jeder erhalte eine Antwort und allem werde nachgegangen, versichert er. Manche Themen schaffen es auch in die regelmäßige Ombudsmann-Kolumne im Blatt. Auf das Redaktionsgeschehen nehme er ansonsten keinen Einfluss, sagt Elitz. Ein Prinzip, das sich bewährt hat, glaubt man Springer-Vorstand Jan Bayer.
    "Ich weiß, dass dieses Prinzip des Ombudsmanns eines ist, was von der Redaktion sehr akzeptiert wird und auch von Lesern. Ich lese es selber immer und kenne auch die Reaktionen von Herrn Elitz und aus meiner Sicht nach allem was ich weiß, gibt’s auch überhaupt gar keine Bedürfnisse der Änderung da. Also scheint es wirklich akzeptiert zu sein",
    so Bayer Anfang März auf der Bilanzpressekonferenz des Verlags. Moritz Tschermak vom "Bild"-kritischen "Bildblog" hat dagegen wenig lobende Worte für die Arbeit des Ombudsmanns übrig. Bei Elitz gehe es meist um Nebensächlichkeiten, findet Tschermak.
    "Was Elitz da teilweise so in den letzten Ausgaben seiner Kolumne thematisiert hat - also die Frage 'Ist biodeutsch rassistisch?'. Dann soll's irgendwie keinen Krieg in Georgien geben und 'Bild' hat trotzdem drüber geschrieben, dass es da einen gibt. Oder dass ein Beamtenmobbing bei 'Bild' stattfindet. Wenn das tatsächlich die Sachen sind, die Ernst Elitz in seinen ein bis zwei Beiträgen im Monat thematisiert - ich finde das geht wahnsinnig daran vorbei, was grundsätzlich schief läuft bei 'Bild'."
    Typisch reißerische "Bild"-Sprache
    Und das seien - neben dem Sexismus - Themen wie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder die Missachtung der Rechtssprechung, wie etwa beim G20-Gipfel.
    Warum Ernst Elitz das eine aufgreift und anderes nicht, darüber müsste man mit ihm im Einzelfall diskutieren. Ein Kontinuum zieht sich allerdings durch alle seine Kolumnen im Blatt: die typisch reißerische "Bild"-Sprache, die weit weg ist von den Deutschlandradio-Sendern, deren Intendant Elitz mal war.

    "Mein Interesse am Journalismus besteht eigentlich darin - das halte ich auch für eine wichtige Aufgabe - dass der Journalist für alle sozialen Milieus und für alle Bildungsmilieus seine Arbeit macht. Und aus diesem Grunde ist das kein Kontrast, sondern jede dieser Medien hat eine spezielle Ansprache und das ist eine Aufgabe für den Journalismus" - der sich Ernst Elitz, soviel ist klar, mit Überzeugung verpflichtet sieht.