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Online-Marktplatz für Selbstgemachtes
Abschied von Dawanda

Nach zwölf Jahren kann die Online-Plattform Dawanda für Selbstgemachtes nicht mehr aus eigener Kraft wachsen - und gibt auf. Für manche Verkäufer ein herber und abrupter Einschnitt. Ihnen bleibt der Wechsel zur US-Firma Etsy. Mit noch mehr Konkurrenten.

Von Philip Banse | 29.08.2018
    Selbstgemachte Wärmekissen und weitere Handarbeit wird im Online Shop Dawanda angeboten
    Dawanda-Verkäufer können mit ihren Shops jetzt auf die US-Plattform Etsy umziehen (imago/Lichtgut)
    "Hier sind die Ohrringe. Stecker. Und Ohrringe." Die Werkstatt von Maria Leibhammer, die ihren richtigen Namen nicht im Radio hören möchte, ist im oberen Geschoss ihres Berliner Reihenhauses. Ein Schreibtisch, Drucker für Adress-Etiketten, wattierte Umschläge liegen auf dem Fußboden, und Schränke voller Schmuck, den sie zum Teil anfertigen lässt, zum Teil selber macht: Ketten, Ohrringe, rund 200 Produkte, alles in "Rosé, Silber, Gold."
    Ihren Modeschmuck verkauft Maria Leibhammer auf Berliner Märkten, vor allem aber auf dawanda.de, der deutschen Handels-Plattform für Selbstgemachtes. Sie kann davon gut leben: "Bei Dawanda waren es 3.000 bis 4.000 Euro im Monat." Umsatz. Pro Monat. "Und das Weihnachtsgeschäft. Das ist mal drei." Im November und Dezember also 10.000 bis 15.000 Euro. Zieht man die Flautemonate Februar bis April ab, käme das Ein-Frau-Unternehmen Maria Leibhammer nur bei Dawanda auf einen Jahresumsatz von 60.000 bis 70.000 Euro. Damit ist Schluss, denn Dawanda macht Ende des Monats dicht. "Schon viel Geld, was da so wegfällt."
    Nur zwei Monate Vorlaufzeit gab Dawanda den Verkäufern
    So ähnlich geht es vielen der 70.000 aktiven Verkäufer, die auf Dawanda Kissen, Jacken, Schmuck oder Töpferware verkauft haben. Viele haben auch kleine Firmen gegründet mit Angestellten und Ladengeschäft. Viele sind aus allen Wolken gefallen, als das Berliner Unternehmen trotz des ersten Quartals mit schwarzen Zahlen verkündete: In zwei Monaten hören wir auf: Zu groß ist die Konkurrenz, zu wenig Geld für Investitionen in die Webseite.
    "Was sehr unfair ist, denn uns Verkäufern gegegenüber finde ich es nicht nett, acht Wochen vorher zu sagen: 'Tschüss und jetzt seht zu, wie ihr fertig werdet.'" Die Hamburgerin Rebecca Leupold verkauft bei Dawanda unter dem Namen BeccyLemon Selbstgemachtes. "Ich war sowieso nicht hundertprozentig glücklich auf dieser Plattform, ich war nicht immer zufrieden mit allem. Das lag auch daran, dass sich diese Plattform nicht weiterentwickelt hat und man sieht: Sie ist gescheitert dran."
    Mit zwei Klicks zum neuen Shop bei Etsy
    Dawanda hat für seine Verkäufer einen Deal mit dem großen US-Konkurrenten Etsy gemacht: Die Dawanda-Verkäufer können ihren Shop einfach zu Etsy umziehen. "Das habe ich schon gemacht. Das war super einfach. Das waren zwei Klicks, fertig", sagt die Berliner Schmuck-Verkäuferin Maria Leibhammer. "Für mich war wichtig, dass ich die guten Bewertungen mit rüber nehme. Ich habe knapp 13.000 Verkäufe bei Dawanda, dementsprechend habe ich auch viele gute Bewertungen und das war mir wichtig, dass ich die weiterhin habe, dass die auch sichtbar sind."
    "Ich bin von Etsy nicht 100-prozentig überzeugt", sagt die Hamburger Dawanda-Verkäuferin Rebecca Leupold. "Es ist in Deutschland immer noch nicht rechtssicher in vielerlei Punkten." So sei das deutsche Widerrufsrecht auf Etsy noch nicht korrekt eingebaut. Auch mit der Datenschutzgrundverordnung habe Etsy noch Probleme, fürchtet Leupold. "Die Plattform ist mir zu groß, zu voll, zu viele Leute."
    Das Dawanda-Aus als Chance?
    Zum Vergleich: Auf Dawanda boten zuletzt 70.000 Händler ihre Waren an; bei Etsy sind es zwei Millionen, fast 30 Mal so viel. "Da geht man noch mehr unter als bei Dawanda." Leupold will Etsy ausprobieren, aber als Hauptvertriebskanal will sie einen eigenen Webshop aufsetzen. "Bei Etsy habe ich das Gefühl, das ist schon alles mehr up-to-date. Dawanda ist schon mehr so eine selbstgehäkelte Hausfrauenseite. Vom ganzen Erscheinungsbild her ist Etsy schon cooler."
    Die Berliner Schmuck-Verkäuferin Maria Leibhammer hat schon einen Plan, wie sie ihre 60.000 Euro Dawanda-Umsatz ausgleichen will: "Ich habe schon vorher einen Etsy-Shop gehabt, aber ich merke jetzt schon: Seit ein paar Wochen habe ich deutlich mehr deutsche Etsy-Bestellungen."
    Ein Etsy-Plus könnte das Dawanda-Minus also ausgleichen. Außerdem sei das Ende von Dawanda auch eine Chance: "Ich lebe davon. Aber dieser Endkundenverkauf ist doch sehr aufwändig und ich habe mir schon lange vorgenommen, mehr Großhandel zu machen und an Geschäfte zu gehen. Und das fällt mir jetzt glaube ich leichter, weil es Dawanda nicht mehr geben wird. Dementsprechend bleibt mir gar nichts anderes übrig, als nach einem neuen Vertrieb zu suchen."