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Online-Projekt "Republik"
Das Versprechen eines anderen Journalismus

Menschen sind nicht mehr an hintergründigen Berichten interessiert? In der Schweiz will eine Gruppe von Journalisten den Gegenbeweis antreten - und ist damit offenbar in eine Marktlücke gestoßen.

Von Thomas Wagner | 08.05.2017
    Manifest der neu gegründeten Online-Zeitung "Republik"
    Manifest der neu gegründeten Online-Zeitung "Republik" (Laurent Burst)
    "Wie viele sind es grade? Ich glaube 10.755 Mitglieder, also 2,7 Millionen. Das freut man sich, natürlich freuen wir uns darüber." Ein altes Hotelgebäude mitten im einstigen Rotlichtbezirk von Zürich: Im Aufenthaltsraum sitzen vier Frauen und Männer um einen Holztisch herum - und staunen. Innerhalb kürzester Zeit haben sich knapp 11.000 Unterstützer bereitgefunden, um ein Start-up-Unternehmen der besonderen Art zu finanzieren: die "Republik".
    "Es geht darum, ein digitales Magazin zu machen, werbefrei. Also wir nehmen uns aus der Logik des Werbemarktes. Wir müssen nicht auf Reichweite bolzen, wir müssen nicht auf den Werbemarkt schauen, sondern wir konzentrieren uns auf die Leserinnen und Lese. Wir werden keine News machen, sondern Hintergrundartikel." Christof Moser, Anfang 30, ist mit Leib und Seele Journalist - und gilt als einer der Initiatoren des Online-Magazins "Republik": Hintergründige Analysen bieten statt News im Häppchen-Format - damit gehen Christof Moser und sein Team genau den umgekehrten Weg vieler Zeitungsverleger, die ihre Redakteure tendenziell eher zu kürzeren, straffen Texten anhalten.
    "In diese Lücke springen wir"
    "Das finde ich jetzt das Interessante an 'Republik', dass wir eben diesen Gegenbeweis angetreten haben, dass über 10.000 Leute jeweils 240 Franken bezahlt haben aufgrund unseres Versprechens, mehr Hintergründe statt Lärm zu bieten. Das zeigt eben, dass dieses Mantra aus den Großverlagen nicht stimmt, wonach die Leute weniger lesen wollen, dass sie immer kürzer lesen wollen, das stimmt nicht, das zeigt im Übrigen die Leserforschung: In diese Lücke springen wir." Und das in einer Zeit, in der immer häufiger jene Medien in Misskredit gebracht werden, die kritisch und hintergründig berichten: Politiker wie Donald Trump tun Beiträge, die ihnen nicht in den Kram passen, ganz einfach als 'Fake News' ab, setzen dem ihre eigene 'Parallel-Realität' in Form eines Twitter-Tweeds entgegen.
    "Da muss man einen anderen Journalismus machen. Da muss man sich überlegen, wie man in einem Zeitalter, wo autoritäre Demokratien plötzlich en vogue werden, wie man mit solchen politischen Kräften umgeht. Und dort ist, glaube ich, das große Panorama, die Recherche, die Tiefe dann, das effektivere Instrument als diese oberflächlichen Skandalgeschichten, die diese Leute nur noch stärker machen." Mit dieser Ausrichtung scheinen Christof Moser und seine Mitstreiter in eine Marktlücke gestoßen zu sein. Über ein 'Crow-Funding-Projekt', bei dem überzeugte Unterstützer Geld überweisen, soll der Start finanziert werden
    Neuen technischen Herausforderungen stellen
    "Dabei haben wir gesagt, dass wir mindestens 3.000 Mitglieder finden müssen, die 750.000 Franken investieren", erklärt Susanne Sugimoto, die die Geschäfte des neuen Medien-Start-ups führt. Ende April ging es los mit der Suche nach Sponsoren. "Jetzt haben wir 10.755, aktueller Stand, Mitglieder und Abonnenten gefunden und haben 2,7 Millionen zusammengetragen: Wir wollen über dieses Projekt ja auch ein neues Modell austesten, wie man Journalismus finanzieren kann." (Anm. d. Red.: Die Zahl der Unterstützer wächst weiter an.)

    Ein Journalismus, der nicht nur auf Hintergründiges und Kritisches setzt, sondern der auch verstärkt die Möglichkeiten neuer multimedialer Darstellungsformen nutzen will: "Wir machen ein richtiges digitales Magazin, dass sich allen technischen neuen Herausforderungen stellt und dieses auch anwendet, also digitale Datenaufbereitung." Susanne Sugimoto nennt dafür als Beispiel die Berichterstattung über eine Volksabstimmung: "Man bezieht sich dann auf die großen Daten -Bigdatas. Und man kann bis hin zu einer Landkarte, wenn es um die Abstimmungsergebnisse geht, bis hin auf das Dorf nachschauen, wer wie abgestimmt hat in der Schweiz. Und die Leute sind mehr involviert, wenn sie schauen können: Wie sieht das denn in meinem Dorf aus? Es gibt natürlich auch Erklär-Videos. Es gibt die Möglichkeit der Interaktion mit der Community. Da kann man selber auch Abstimmungen machen."
    Ein Screenshot der Crow-Funding-Aktion für "Republik"
    Noch ist "Republik" nur eine Idee, bislang wurde kein einziger Artikel veröffentlicht. (Screenshot / Deutschlandfunk)
    Softwareentwicklung auf Open-Source-Basis
    Und nicht nur das: Die Software dafür will das "Republik"-Team, das gerade eine eigene IT-Abteilung aufbaut, zum Teil selbst entwickeln - und anderen zur Verfügung stellen. "Das ist uns auch ein Anliegen, dass unsere Softwareentwicklung auf Open Source basiert. Das heißt, wir wollen das ganze System profitieren lassen von unserer Erfahrung, die wir jetzt hier sammeln dürfen. Wir teilen unsere Plattform, unseren Code auch öffentlich, damit auch Regionalmedien davon profitieren können, was wir hier auf die Beine stellen", erklärt der Schweizer Journalist Richard Höchner, beim "Republik"-Projekt Mitstreiter der ersten Stunde.
    Klingt alles vielversprechend - nur: Bisher ist noch kein einziger Artikel, keine einzige Zeile online gegangen. Christof Moser: "Wir haben bis Ende Mai diese Crowdfunding-Phase. Dann werden wir uns an den Redaktionsaufbau machen. Und wir werden dann voraussichtlich Anfang 2018 wirklich an den Start gehen, also redaktionell als Publikation agieren."