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Online-Werbung
Der Adblock-Krieg

Adblocker unterdrücken Werbung auf Internetseiten. Für Online-Verlage ein Problem, denn mit der Werbung finanzieren sie ihre Inhalte. Nun wollen die Verleger gegen Adblocker vor Gericht ziehen. Doch Online-Werbung ist nicht nur umstritten, sie birgt auch Risiken und Gefahren für Nutzer.

Von Jan Rähm | 14.04.2018
    Adblock - ein Programm um Werbung auf einer Webseite zu entfernen
    Die Zahl der Adblocker hält sich konstant bei ungefähr 20 bis 25 Prozent - Online-Verleger sehen dadurch ihr Geschäftsmodell gefährdet (imago / Rüdiger Wölk)
    "Wir haben Angebote, die sich refinanzieren müssen. Da sitzen Menschen, die hart arbeiten und dafür Geld verdienen sollen. Und freie Angebote sind wichtig, gerade für Menschen, die sich keine Bezahlangebote leisten können und dass das irgendwie refinanziert werden muss, ist klar. Meine Kritik ist die Art und Weise, wie Online-Werbung funktioniert."
    Überangebot an Online-Werbung
    Manfred Kloiber: Das war der Netzaktivist und Klein-Verleger Stephan Urbach aus Berlin. Wie Online-Werbung funktioniert und was das Problem daran ist, darum geht es im heutigen Schwerpunkt dieser Sendung. Die online aktiven Zeitungsverleger sagen: Das Problem sind Adblocker, die Werbeblocker in den Webbrowsern, denn die schmälern die Einkünfte. Und zwar so sehr, dass die Verleger dafür sogar vor Gericht ziehen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Die nächste Verhandlung ist kommende Woche am BGH geplant. Die juristische Auseinandersetzung soll jetzt aber nicht Thema sein, sondern vielmehr: Was passiert da technisch bei der Werbung, bei den Abwehrmaßnahmen und warum ist Online-Werbung unter Umständen sogar gefährlich für die Nutzer. Jan Rähm, was sind die Kernprobleme in Sachen Online-Werbung?
    Jan Rähm: "Das unterscheidet sich je nach Sichtweise. Relativ einig ist man sich, dass die Preise für Online-Werbung im Keller sind. Kritiker sagen, das liege vor allem am Überangebot an Werbefläche, das die Seitenbetreiber selbst geschaffen haben, indem sie jedes freie Pixel mit Werbung zugepflastert haben. Dazu kommt, dass mit Werbung im Netz auch immer mehr Schadcode oder missbräuchlicher Code verteilt wird. Dagegen wehren sich die Nutzer mit Adblocker, also kleinen Programm-Zusätzen, die die Anzeige von Werbung blockieren. Und das wiederum merken die Seitenbetreiber an sinkenden Einnahmen und wehren sich mit Adblocker-Blockern. Man kann geradezu von einem Krieg, dem Adblock-War, sprechen."
    Manfred Kloiber: Glücklicherweise nur ein Krieg der Argumente, der ja, wie Jan Rähm schon berichtete, bis vor den höchsten Gerichten ausgetragen wird. Die Argumentationslinen haben wir zusammengefasst.
    Werbeanzeigen zunehmend mit Schadcode verseucht
    Die Verleger sagen: Journalismus an sich funktioniert im Netz, aber er lässt sich nur schwer refinanzieren, denn das Werbegeschäft sei kompliziert. Vor allem Werbeblocker, oder Englisch Adblocker, machen der Branche zu schaffen, erklärt Holger Kanski, Leiter Digitales beim Bund Deutscher Zeitungsverleger BDZV:
    "Die Zahl der Adblocker hält sich konstant bei ungefähr 20 bis 25 Prozent. Und das merkt man natürlich auch bei den Werbeerlösen im Netz. Für die Verlage, die Situation ist ja eh schon schwierig eine Refinanzierung im Netz herzustellen. Die Entwicklungen im Werbemarkt sind dahingehend sehr negativ. Datenschutzgesetze ändern sich nachteilig. Die Bereitschaft Displaybanner anzuschauen bei den Nutzern ist nicht sehr groß."
    Die sinkende Bereitschaft der Nutzer, Werbung zu akzeptieren liegt auch an der zunehmenden Auslieferung von gefährlichem Code durch Werbeanzeigen. So registrierte der Industrieverband Online Trust Alliance bereits 2012 10 Milliarden Werbeauslieferungen, die mit Schadcode verseucht waren. Zum Ende des Jahres 2017 registrierte das Cybersecurity-Unternehmen Malwarebytes einen massiven Zuwachs beim sogenannten Cryptojacking, dem unbemerkten Schürfen von digitalen Währungen auf Kosten des Nutzers. Der Bund deutscher Zeitungsverleger hält beides allerdings für kein großes Problem. Holger Kanski:
    "Schadsoftware-Auslieferung über die Werbeketten ist mir ehrlich gesagt jetzt im Alltag noch nicht so zu Ohren gekommen, dass das ein Problem ist von Nutzern. Ich will nicht ausschließen, dass es auch ein Thema ist, aber da sehe ich die Zeitungsverlage auch nicht als Ansprechpartner, denn vielfach wird die Werbeauslieferung über Agenturen, über andere Ketten ausgeliefert, so dass die Verlage am Ende der Kette nicht der direkte Ansprechpartner und auch nicht der ursächlich Verantwortliche dafür ist oder sind."
    Wer haftet durch den Schaden?
    Das sieht Verleger und Netzaktivist Stephan Urbach ganz anders. Er meint: Diese Ketten sind ein gewichtiger Teil des Problems.
    "Wenn ich mir so eine Webseite angucke und sie mir im Quellcode angucke, werden für einen Werbeplatz halt bis zu acht andere Domains aufgerufen von acht anderen Anbietern und das ist meine Kritik, weil die Betreiber geben ihren Quelltext aus der Hand im großen Stile. Sagen aber gleichzeitig, das hat jetzt ein Magazin gemacht, dass sie sich um unsere Sicherheit im Netz kümmern würden. Was sie aber offensichtlich nicht tun."
    Dass die Verleger und andere Seitenbetreiber diese Art der Verteilung von Schadcode nicht mitbekommen haben, will Stephan Urbach nicht glauben.
    "Es wurde schon bemerkt. Es gab auch schon diverse Fälle, wo das passiert ist und die auch dokumentiert sind. Das Risiko ist wohl noch zu gering, also für die Webseitenbetreiber. Zumal noch gar nicht klar ist, wer haftet eigentlich nachher."
    Nutzer, verfolgt vom Adblocker
    Noch ein zweiter Grund treibt Anwender dazu, Adblocker zu installieren. Sie wollen im Netz nicht permanent verfolgt werden. Das machen die Seitenbetreiber einerseits um Werbeeinblendungen und andererseits ihre eigenen Seiten zu optimieren. Dieses sogenannte Tracking sei alternativlos, meint Holger Kanski vom BDZV.
    "Kein Tracking ist aus meiner Sicht keine Alternative. Das denke ich mal, ist auch nicht im Sinne des Nutzers. Es gibt einen Wettkampf, einen Wettbewerb im Netz um die Aufmerksamkeit und das Geld des Nutzers, und diesen Wettkampf kann nur der gewinnen, der sich am besten auf die Bedürfnisse, Wünsche, Affinitäten der Nutzer einstellt."
    Entsprechend rüsten Verlage und Seitenbetreiber auf und ergreifen juristische, aber auch technische Maßnahmen gegen Adblocker. Stephan Urbach schildert, es werde Code ausgeführt.
    Aufrüstungsspirale: Vom Adblocker zum Adblock-Blocker
    "Der wiederum sagt, hier, du hast einen Adblocker an. Du kannst jetzt nichts sehen. Bitte schalte ihn aus und dann lade die Seite neu und dann siehst du den Inhalt der Seite. Also quasi ein Adblocker-Blocker. Die wiederum kann man blocken. Also ein Adblocker-Blocker-Blocker betreiben. Und das wird, glaube ich, auch immer so weitergehen, bis wir ganz viele Male das Wort "Adblock" irgendwo stehen haben. Das ist halt eine Aufrüstungsspirale. Es wird nicht besser werden."
    Experten wie Holger Kanski und Stephan Urbach sprechen einhellig von Adblock-Wars. Und in noch einem sind sich beide einig: Der Kampf um Online-Werbung ist ein Krieg, der nur Verlierer kennt.
    Holger Kanski: "Diesen Wettbewerb anzugehen, wird für alle, denke ich, letzten Endes nicht gewinnbringend sein."
    Stephan Urbach: "Am Ende wird keiner gewonnen haben."