Donnerstag, 18. April 2024

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Onlineportal watson.de
Angriff aus der Werbebranche

Deutschlands größter Werbevermarkter Ströer versucht schon seit einigen Jahren mit journalistischen Inhalten Geld zu verdienen. Mit watson.de hat Ströer ein Nachrichtenportal für junge Leute geschaffen - und will Bento, ze.tt und co. Konkurrenz machen.

Von Christopher Ophoven | 08.05.2018
    19.03.2018, Hamburg: Ein Werbeplakat für das Portal "watson.de" mit der Aufschrift Blabla wird in einem Bahnhof aufgeklebt. (zu dpa "Neues Online-Portal für «Generation Mobile» geht an den Start" am 21.03.2018)
    Werbeplakat für das Portal "watson.de" (dpa / Thomas Frey)
    Wer watson.de verstehen will, der muss zuerst in die Schweiz schauen, denn daher kommt die Marke eigentlich. Vor vier Jahren ging hier watson.ch an den Start mit einer klaren Ausrichtung, sagt Michael Wanner der Geschäftsführer.
    "Watson ist das Newsportal für die Generation, die ohne Zeitung - dafür mit Smartphone und Social-Media - aufgewachsen ist."
    "News ohne bla bla" lautet einer der provozierenden Slogans – und das kommt an.
    "Wir sind Top-5 der Schweizer Nachrichtenportale und wir sind sicher das am stärksten wachsende Portal."
    Aber schwarze Zahlen schreibt watson.ch bisher noch nicht. Deutschlands größten Werbevermarkter Ströer hat das nicht abgeschreckt, als es darum ging ein Webangebot für junge Leute auf den Markt zu bringen, erklärt Marc Schmitz Content-Chef bei Ströer.
    "Da hätte man natürlich überlegen können, es selber zu machen mit einer eigenen Marke. Aber warum was komplett neu machen, was halt bewährt ist? Zumal wir es ja in einem Lizenzmodell mit den Schweizer Kollegen machen, was für uns erst mal ein geringeres Initial-Invest auch bedeutet."
    Große Konkurrenz in Deutschland
    Im Gegensatz zur Schweiz ist die Konkurrenz in Deutschland aber deutlich größer. Hier heißt der Marktführer bento und kommt aus dem Spiegel-Verlag. Auch "Die Zeit" hat mit ze.tt ein ähnliches Portal. watson.de soll sich davon aber unterscheiden sagt Schmitz.
    "Andere Portale in dem Segment bilden heute eher einen kleinen Bereich ab, gehen eher in eine magazinige Richtung und sind angedockt an größere Nachrichtenportale, bieten aber nicht das gesamte Spektrum von Nachrichten, Politik, Sport, alles was dazu gehört. Wir glauben, dass da Platz ist für ein journalistisches Vollprogram. Das kann man aber nur machen, wenn man es ernst nimmt."
    Tatsächlich hat die Konkurrenz nur selten Sport-Artikel und etwas weniger Nachrichten. Vor allem versucht watson mehr zu provozieren, zum Beispiel mit dem Format "Wein doch!" - eine Art Video-Kommentar, bei dem sich eine angetrunkene Redakteurin zu Alltäglichem äußert, wie beispielsweise Essen teilen. So will watson Marktführer bento angreifen, der immerhin rund 13,7 Millionen Visits pro Monat hat. Allerdings soll Bento massiv durch die Verlinkungen von Spiegel-Online profitieren. Ströer hat dafür seine Plakat und Videowände, die in ganz Deutschland an vielbefahrenen Straßen und Bahnhöfen stehen, sagt Schmitz.
    "Wir erreichen über diese Infrastruktur über 30 Millionen Nutzer jeden Monat und können diese natürlich nicht nur mit Werbung bespielen, sondern auch mit Inhalten. Klassische Nachrichten bespielen wir über t-online, nutzen das aber natürlich genauso, um jetzt watson-Formate in der Bevölkerung bekannt zu machen."
    Eine junge 25-köpfige Redaktion
    Früher hat Ströer für Inhalte auf seinen Videowänden bezahlt, jetzt machen die Werber sie selber und damit gleichzeitig watson.de bekannt. Und das mit Erfolg. Laut eigenen Angaben hatte watson.de schon im ersten Monat eine Reichweite von über acht Millionen Visits und ist damit aus dem Stand das zweitgrößte Portal dieser Art in Deutschland. Der Unterschied ist aber: Für die Verlage ist Werbung nötiges Beiwerk, um Geld zu verdienen. Bei Ströers Videowänden ist es genau umgekehrt. Sie wollen mit Inhalten ihre Werbung attraktiver machen. Und dafür hat Ströer ordentlich ins Personal investiert. Hinter watson.de steht eine junge 25-köpfige Redaktion, die teilweise direkt bei der Konkurrenz abgeworben wurde. Bestes Beispiel ist die Chefredakteurin selber. Gesa Mayr hat für Spiegel Online gearbeitet und war beim Jugendangebot bento stellvertretende Redaktionsleiterin. Eine junge Journalistin, die sicher auch andere Optionen hat und kein Problem darin sieht, dass ihr neuer Arbeitgeber ursprünglich keine journalistischen Ambitionen hatte.
    "Für mich zählt halt einfach der Gedanke, dass man hier auch in Zeiten, wo viele nicht mehr so viel ausprobieren und vor allem viele auch ein bisschen festgefahrener sind, sich an Strukturen gewöhnt haben, halt noch mal seine eigenen Weichen stellen kann. Und wir müssen uns hier nicht die Frage stellen: Ist das dem Haus angemessen? Also wir kriegen auch nie ein 'Das haben wir aber schon immer so gemacht' oder 'Das haben wir noch nie so gemacht'. Das sind, find ich, journalistische und publizistische Freiheiten, die auch nicht mehr so häufig zu finden sind."
    Mehr Verantwortung - darum ging es Mayr also nicht allein und damit ist sie nicht die Einzige. Florian Harms beispielsweise war früher Chefredakteur bei Spiegel-Online und hat heute den gleichen Job bei t-online.de, was ja auch zu Ströer gehört.