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"Opel ist doch kein Produkt der Krise"

IG-Metall-Chef Berthold Huber hat die Konzernleitung von General Motors in den USA für die derzeitige Krise bei Opel verantwortlich gemacht. Das bornierte Management habe sich hochnäsig und arrogant über die Marktentwicklung hinweggesetzt. Deshalb komme es durch eine Opel-Rettung auch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen.

Berthold Huber im Gespräch mit Dirk Müller | 19.03.2009
    Dirk Müller: Von "Theater" ist die Rede, von "Politik-Theater", vom "Minister of Pop". Der neue Wirtschaftsminister in den USA, Karl-Theodor zu Guttenberg, mit weit ausgebreiteten Armen im Lichterspiel des New Yorker Times Square. Dabei war es eine Art politische Mission in Amerika, Gespräche mit der Führung von GM über die Zukunft der angeschlagenen Tochter Opel, Gespräche mit dem amerikanischen Finanzminister Timothy Geithner. Ergebnisse gibt es nicht, aber berechtigte Hoffnung, sagt der CSU-Politiker, der heute Nacht aus den Staaten zurückgekommen ist, weil GM sich etwas bewegt und weil Washington Unterstützung versprochen hat. Doch das Sanierungskonzept, das überzeugen soll, das überzeugen kann, das liegt immer noch nicht auf dem Tisch.

    25.000 Arbeitsplätze stehen bei Opel auf dem Spiel. Darüber sprechen wollen wir nun mit IG-Metall-Chef Berthold Huber. Guten Morgen!

    Berthold Huber: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Huber, wie viel Geduld haben Sie noch?

    Huber: Wir haben sehr viel Geduld, aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Es geht nicht um unsere Geduld. Wir haben wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit, um die Arbeitsplätze bei Opel zu sichern. Sie haben die Zahl über 20.000 genannt. Ich will darauf hinweisen, das sind ja "nur" die direkten Arbeitsplätze. Wir haben ja Zigtausende Arbeitsplätze im indirekten Bereich, sprich bei den Zulieferern, vom Werkzeugbauer bis hin zu Montageunternehmen, im Logistikbereich. Sie müssen das mindestens verfünffachen.

    Müller: Herr Huber, die Politik ist zumindest bemüht. Ist sie auch effektiv?

    Huber: Als Erstes würde ich mal festhalten, dass die Bundesregierung beziehungsweise insgesamt die Politik bemüht ist. Das ist schon mal ein Fortschritt und es werden nicht nur Debatten geführt, ob das systemrelevant ist oder nicht. Das ist ein Fortschritt, aber die Ergebnisse, ganz offen gesagt, die der neue Wirtschaftsminister aus den USA mitgebracht hat, sind aus meiner Sicht mit wenig Neuigkeitswert.

    Müller: Also hätte er sich das sparen können?

    Huber: Sparen kann man sich vielleicht das nicht, aber das Bemühen ist in Ordnung. Ob dann so viel Public Relations sein muss, das wage ich zu bezweifeln.

    Müller: Woran fehlt es denn an einer konkreten Umsetzung mit Blick auf die Rolle der Bundesregierung?

    Huber: Ich glaube, dass die Bundesregierung gar nicht darum herumkommt, wenn sie Opel wirklich sichern will, dass sie zumindest zu erkennen gibt, dass sie bereit ist, einen Schutzschirm für Opel in Form von einer direkten Beteiligung oder in Form von Bürgschaften abzugeben. Natürlich braucht man dazu ein wettbewerbsfähiges Konzept, das ist doch selbstverständlich, und vielleicht muss da Opel auch noch mal nacharbeiten. Aber insgesamt muss man sozusagen die Unsicherheit auch für die Menschen und für das Unternehmen beenden.

    Müller: Herr Huber, wenn das schiefgehen sollte, obwohl man investiert, ist dann auch die IG Metall bereit, Verantwortung zu übernehmen?

    Huber: Natürlich, das tun wir doch schon die ganze Zeit bei Opel. Selbstverständlich ist die IG Metall bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht. Das haben wir aber auch schon die letzten Jahre getan.

    Müller: Lohnverzicht der Mitarbeiter?

    Huber: Das muss man dann ganz konkret aushandeln, was dort in den Topf reingeworfen wird. Dazu muss man ja zuerst mal Sicherheiten haben. Die Menschen brauchen einfach eine Sicherheit, dass es weitergeht und dass sie nicht jeden Tag in einem Wechselbad der Gefühle, sprich in Angst leben.

    Müller: Wenn Sie die Geschwindigkeit auch der Politik kritisieren, könnte doch umgekehrt die IG Metall, könnten die Mitarbeiter ein Angebot machen.

    Huber: Darf ich Sie fragen, wie Sie das meinen? Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden.

    Müller: Die Mitarbeiter könnten doch ein Angebot machen, könnten doch beispielsweise diesen Lohnverzicht anbieten, um die ganze Sache nach vorne zu bringen.

    Huber: Wir haben doch schon längstens angeboten bei unserer Kundgebung am 26. Februar, dass wir wissen, dass das auch bei der Belegschaft Opfer kosten wird. Wir haben das nicht genau beziffert, weil wir ja zuerst mal sehen wollen, ob hier Politik und andere Dinge erledigt werden, und dann wird die IG Metall zu ihrem Wort stehen, selbstverständlich. Am 26. Februar vor 15.000 Menschen in Rüsselsheim habe ich das gesagt und hat das Klaus Franz gesagt, der Betriebsratsvorsitzende.

    Müller: Es geht ja, Herr Huber, um Bürgschaften der Bundesregierung, die da von Opel gefordert werden.

    Huber: Ja.

    Müller: Die Summe: 3,3 Milliarden.

    Huber: Das ist aber im europäischen Rahmen.

    Müller: Im europäischen Rahmen, wobei sich die Bundesregierung im Moment besonders dafür engagiert beziehungsweise sich fragt, ob sie das machen kann. Aber es geht ja auch indirekt und direkt um Steuerzahlungen. Wenn Opel diese Bürgschaften bekommen sollte, sind Sie dann sicher, dass Opel auch überlebensfähig ist?

    Huber: Es kommt wie gesagt auf das Konzept an. Wir sind der Meinung, dass Opel überlebensfähig ist - wir, das heißt die IG Metall, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, im Übrigen auch Herr Forster als der Verantwortliche bei GM Europe und der Betriebsrat insgesamt auch. Wir stecken ja in der Materie seit Jahren drin.

    Müller: Sie stecken in der Materie seit Jahren drin. Haben Sie denn auch schon vor Jahren festgestellt, dass Opel strukturelle Probleme hat?

    Huber: Ja, natürlich. Wir haben aus dem Grund in den 90er-Jahren für energiearme Antriebe gekämpft. Wir haben den Dieselmotor forciert. Wir haben andere Antriebssysteme forciert. Wir haben dafür gestritten bei Opel im Aufsichtsrat, dass neue Modelle entwickelt werden. Wir haben uns gewehrt gegen das Diktat aus Detroit. Das haben wir alles schon gemacht. Diese Auseinandersetzung beginnt ja nicht jetzt erst; jetzt hat sie nur eine neue und große Dramatik erreicht.

    Müller: Dann könnten wir zumindest festhalten, Schuld haben die Amerikaner?

    Huber: Ja, natürlich haben die Amerikaner Schuld. Das bornierte Management in Detroit, hochnäsig und arrogant, ist über die Marktentwicklungen hinweggegangen, hat das nicht gesehen und hat gemeint, wenn sie ihre großen, umweltfressenden Autos auf die Straße setzen, hätte Opel eine Chance. Das ist ja widerlegt worden.

    Müller: Herr Huber, welche Schuld, welche Mitverantwortung haben die deutschen Opel-Manager?

    Huber: Es tut mir leid, ich sehe keinen Grund zur Selbstkritik, weil wie gesagt seit zehn Jahren führen wir diese Auseinandersetzung. Wir führen die intensiv, wir haben auch Zugeständnisse schon gemacht im Laufe der Jahre bei Einkommen, also bei Entgelt und Lohn. Wir haben Produktivitätsfortschritte unterstützt, Produktivitätsentwicklungen unterstützt. Wir haben gestritten für neue Modelle, für umweltschonendere Produkte. Ich kann im Moment keine Schuld bei uns erkennen.

    Müller: Was sagen Sie, Herr Huber, wenn das Geld kommen sollte, Daimler, Audi, BMW?

    Huber: Da gibt es ja die Aussage - und das ist verständlich -, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann. Opel ist doch kein Produkt der Krise, unmittelbar der Finanzmarktkrise. Opel ist ein Produkt ganz wesentlich einer jahrzehntelangen Fehlleistung des Managements, einer Strategie, die nicht aufgehen konnte, und insofern kommt es doch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen, sondern man hält den Wettbewerb bei Opel (GM) am Markt und das ist in Ordnung. Das ist für die Menschen in Ordnung und das ist für Wettbewerb unter den Automobilisten auch in Ordnung.

    Müller: IG-Metall-Chef Berthold Huber heute Morgen live bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Huber: Ich danke Ihnen.