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Opel-Rettungsplan geht "in die richtige Richtung"

Der Spitzenkandidat der Linkspartei in Thüringen, Bodo Ramelow, hat das Opel-Sanierungskonzept begrüßt. Das Land solle sich an einer Rettung von Opel beteiligen, falls damit eine wirkliche Trennung von General Motors verbunden sei. Im thüringischen Eisenach sei das modernste Werk im Opel-Verbund überhaupt, fügte Ramelow hinzu.

Bodo Ramelow im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 28.02.2009
    Tobias Armbrüster: Die Zukunft des Autoherstellers Opel hängt seit Wochen in der Schwebe. Das Unternehmen gehört zum amerikanischen General-Motors-Konzern, der steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Gefährdet ist damit auch die deutsche Tochter - eine Traditionsmarke mit 140 Jahre alten Firmengeschichte. Gestern hat das Europa-Management von GM einen Plan vorgelegt, nach dem Opel gemeinsam mit anderen GM-Ablegern in Europa als eigenständiger Unternehmensteil weiterleben soll. Dieses neue Unternehmen benötige aber staatliche Finanzspritzen in Höhe von über drei Milliarden Euro. Ein Opel-Werk in Deutschland liegt im thüringischen Eisenach. Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Bodo Ramelow, dem Spitzenkandidaten der thüringischen Linkspartei bei der kommenden Landtagswahl. Guten Morgen, Herr Ramelow!

    Bodo Ramelow: Guten Morgen!

    Armbrüster: Was halten Sie von diesem Plan?

    Ramelow: Im Kern ist das der Weg in die richtige Richtung. Das Management - das sind ja immerhin Manager, die GM selber eingestellt hat - kommt trotzdem zu dem Ergebnis, dass man so nicht mehr weitermachen kann, nämlich in einem verflochtenen System, bei dem jedes einzelne Werk, unabhängig von der Marke, einfach wie ein atomarer Teil in einem richtig fetten Atomkern eingebunden ist, aus dem sich dann das einzelne Atom nicht mehr loslösen könnte. Und jetzt sagt das Management, es wäre besser, wenn wenigstens die europäischen Produktionsstandorte zu einer eigenen Firma aufgebaut und verbunden werden, die dann in einem neuen Verhältnis, in einem neuen Abstand auch zu GM arbeiten könnten. Das wäre ein Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, auch wenn es im weltweiten Verbund dann immer noch strategische Allianzen gibt.

    Armbrüster: Aber der Europa-Chef Carl-Peter Forster sagt, für diese Rettung sind staatliche Finanzhilfen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro nötig. Sollte sich auch das Land Thüringen daran beteiligen?

    Ramelow: Das Land Thüringen sollte sich eben nur daran beteiligen, wenn es wirklich ein radikaler Schnitt zu GM ist, das heißt, wenn die eigentumsrechtliche Frage neu gestellt wird. Wenn es darum geht - und deswegen muss man tatsächlich die vorgelegten Pläne jetzt prüfen - wenn es nur darum geht, den heutigen Standorten Staatsbürgschaften zu geben, die aber nicht dazu führen, dass diese Standorte eigentumsrechtlich dann für den europäischen Verbund auch zur Verfügung stehen, soll heißen, man gibt Bürgschaften, ohne dass Gegenwert dafür in Europa gebildet wird, dann würde das Geld einfach nur bei einem amerikanischen Insolvenzverfahren abgesaugt werden. Man würde also nur einem absaufenden Weltkonzern noch mal Geld hinterherwerfen. Wenn es aber darum geht, das staatliche Geld zu nehmen, um diese Firma Opel Europa aufbauen zu können, um damit auch die Möglichkeit zu schaffen, dass man bis zu 49 Prozent Mitarbeiterbeteiligung an dem Unternehmen entstehen lässt und die europäische Händlervereinigung mit immerhin 4000 Händlern, die auch signalisiert, Eigentum zu bilden, also auch Grundeigentum zu zeichnen, das wäre ein Weg, wie dieser europäische - ich nenne das immer, von der Marke Opel zur Firma Opel zu werden, damit diese Firma Opel auch eigenständig im Firmengeflecht agieren kann und eben nicht beim Insolvenzverfahren von Amerika untergeht.

    Armbrüster: Mal angenommen, es klappt jetzt, dass man Opel aus der GM-Struktur herauslöst, und mal angenommen, diese 3,3 Milliarden Euro fließen, würden Sie dann sagen, sollten die Politiker auch mitreden dürfen bei geschäftlichen Entscheidungen dieses neuen Unternehmens?

    Ramelow: Ich denke, dass das Beispiel von VW uns wirklich zeigt, wie positiv es wirken kann, wenn ein Bundesland 20 Prozent Minderheitsbeteiligung an einem großen Automobilbauer hat. Bei VW hat diese Regelung schon eine lange Tradition, und früher hatte das Land Niedersachsen sogar eine höhere Kapitalbeteiligung. Das hat dem Unternehmen VW überhaupt nicht geschadet. Auch dass es dort eine starke Mitarbeitervertretung gibt, hat dazu geführt, dass VW zu einem der leistungsfähigsten Konzerne der Welt geworden ist und in der jetzigen Situation ein heftiger Übernahmekandidat durch Porsche geworden ist, also durch ein anderes deutsches Unternehmen, das ja auch bisher nur sehr kleine Stückzahlen an Fahrzeugen gefertigt hat. Wenn man GM betrachtet oder andere große Weltkonzerne, erlebt man ja, dass die alle einem großen Finanzmarkt unterworfen worden sind, dass dann mit der reinen Fahrzeugproduktion schon gar nichts mehr zu tun hatte. Diese Konzerne haben mehr an den Weltfinanzmärkten gezockt, als sich um Automobilbau zu kümmern. Wenn es also darum ginge, dass tatsächlich diese Firma Opel mit einer Beteiligung der vier Bundesländer - ich plädiere deswegen für eine Beteiligung der vier Bundesländer an diesem Unternehmen, also die vier Bundesländer, wo die Standorte sind -, dann muss es auch eine Minderheitsbeteiligung der Landesregierung geben.

    Armbrüster: Herr Ramelow, wir haben genau darüber auch mit der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin gesprochen über die staatlichen Hilfen und über eine mögliche Beteiligung des Staates. Und wir hören mal kurz, was sie gesagt hat:

    Silvana Koch-Mehrin: "Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene, ein Zukunftskonzept für ein Unternehmen vorzulegen. Das muss es selbst leisten, das müssen die unternehmerisch handelnden Personen dort leisten. Und die Politik kann dann schauen, ob es Möglichkeiten gibt, die kurzfristigen Probleme zu lindern. Strukturprobleme eines Unternehmens oder einer ganzen Branche kann die Politik nicht lösen. Das sind Dinge, die selbst von der Industrie getragen werden müssen."

    Armbrüster: Würden Sie dem zustimmen, kann es nur kurzfristig sein, dass der Staat einspringt, um unternehmerisch Hilfe zu leisten bei Opel?

    Ramelow: Ich glaube, die Kollegin hat einfach das Problem nicht verstanden. Es geht nicht darum, dass der Staat Autos baut, es geht auch nicht darum, dass der Staat die Konzepte vorlegt, sondern wir reden ja in dem Interview über ein Konzept, das das Management gerade vorgelegt hat. Und dazu ist es sinnvoll, dass die vier Bundesländer Eigentumsanteile erwerben, damit dieser Trennungsplan überhaupt funktioniert. Es geht also nicht um kurzfristige Hilfen, die man hinterherschmeißt, die dann anschließend im schwarzen Loch verschwinden, sondern es geht um das Entstehen einer eigenen Firma Opel, an der die Mitarbeiter beteiligt werden, an der die Händler beteiligt werden und dann der Staat sich - bis auf die vier Bundesländer - bis auf eine Minderheitsbeteiligung auch aus dem Kapitalstock wieder zurückzieht.

    Armbrüster: Herr Ramelow, mal angenommen, Sie wechseln von der Oppositionsbank in die Regierung, und angenommen, die thüringische Landesregierung hält einen Anteil an dieser neuen Opel-Firmenkonstruktion. Würden Sie dann auch einer Werkschließung oder Entlassung bei Opel zustimmen?

    Ramelow: Es gibt in Bezug auf das Thüringer Werk diesen Grund überhaupt nicht. Das Werk Eisenach ist das modernste Werk im GM-Verbund. Selbst die koreanischen Automobilbauer kennen den Namen Eisenach, wenn es um die Preis-Leistungs-Vergleiche geht und die Effizienzkennziffern.

    Armbrüster: Heißt das, Herr Ramelow, Sie würden auf jeden Fall Entlassungen oder Werkschließungen als beteiligter Politiker an einem solchen Unternehmen ausschließen?

    Ramelow: Wenn es um Werkschließungen geht, die einfach nur einem verfehlten Finanzmarkt geschuldet sind, dann ja, weil wir brauchen Produktion. Wenn es aber darum geht, einen Standort, der einer der leistungsfähigsten ist, jetzt dem Finanzmarkt zu opfern, dass er einfach nur verhökert wird, dagegen muss die Politik einschreiten.

    Armbrüster: Nun steht nach wie vor diese Forderung von GM in Höhe von 3,3 Milliarden Euro im Raum, und ich nehme mal an, viele Hörer oder viele, die das heute in den Zeitungen lesen, werden sich denken, da erpresst ein amerikanisches Unternehmen die deutsche Politik. Würden Sie das auch so sehen?

    Ramelow: Ach, ehrlich gesagt, nach dem, was mit der Hypo Real Estate auf der Welt und in Deutschland passiert, kann ich das alles zwar gut verstehen, darf aber darauf hinweisen, dass der eigentliche Anlass dieser ganzen Debatten, mit denen wir es gerade zu tun haben, ein ungeregelter Weltfinanzmarkt ist. Auch GM hat Milliarden von Geldern über den Markt vagabundieren lassen, angelegt, damit irgendwie großes Monopoly gespielt. Das hat tatsächlich mit der Produktion in Opel Eisenach oder Bochum, Rüsselsheim oder Kaiserslautern leider Gottes überhaupt nichts zu tun. Wenn wir also überhaupt über Veränderungen reden wollten, müssten wir über die sofortige Regulierung der Weltfinanzmärkte reden, und zwar mit Wirkung: also Hedgefonds schließen, Zweckgesellschaften auflösen, das Recht auf Verbriefung abschaffen und in Deutschland endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einführen, wären wenigstens die Maßnahmen, um zurückzukehren zu einer sozialen Marktwirtschaft, die das Wort "sozial" verdient hat.

    Armbrüster: Wir bleiben noch mal einen Augenblick bei der deutschen Wirtschaft. Mal angenommen, nach diesen 3,3 Milliarden Euro kommt das nächste Unternehmen und will ebenfalls so viel Geld aus der Staatskasse: Wo würden Sie Schluss machen?

    Ramelow: Das Problem ist, das nächste Unternehmen ist längst da. Die Bilder von Frau Schaeffler sind doch durch alle Nachrichten gegangen. Dort haben die Banken 22 Milliarden hinein an Krediten gegeben, damit die Schaefflers dieser Welt, aber auch vorher Conti mit VDO, mit Firmen zocken, als wenn es Monopoly wäre, als wenn es einfach Casino-Kapitalismus wäre. Und diese Frau Schaeffler bittet ja jetzt um Hilfe. Und da sagen wir ganz klar, bei Schaeffler müssen die Banken das gesamte gezeichnete Geld, die gesamten Kreditlinien, umwandeln in Eigentum, und auch Frau Schaeffler hat ihr persönliches Eigentum dort einzubringen. Und dann kann man über einen Konzern Schaeffler reden, bei dem Mitarbeiter an den Entscheidungsgremien und in den Entscheidungsgremien überhaupt vertreten sind. Also, einfach nur Geld fordern vom Staat, weil man viele Arbeitnehmer unter einem Hut hat, die man dann als Manövriermasse einsetzt, funktioniert nicht. Wir sagen, die Realwirtschaft muss gestärkt werden, und auch die Produktionsformen müssen auf neue Verhältnisse gebracht werden. Und wir müssen - und damit bleibe ich bei der gleichen Argumentation - wir müssen den Finanzmarkt regulieren und eingreifen, damit diese Zocker dieser Welt nicht hinterher die ganzen Schicksale der Arbeitnehmer beeinflussen.

    Armbrüster: Der Rettungsplan für Opel, gestern wurde er dem Aufsichtsrat vorgelegt. Wir haben dazu gesprochen mit Bodo Ramelow, dem Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Landtag von Thüringen. Vielen Dank, Herr Ramelow, für das Gespräch!