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Topoi - wissenschaftliches Publizieren von Objekten

Wissenschaftliches Arbeiten und korrekt zitieren ist gar nicht so einfach. Und: Bestimmte Dinge lassen sich nicht im klassischen Sinn zitieren. Das Problem betrifft zum Beispiel Historiker, die digitale Daten von archäologischen Funden zitieren möchten. Das Exzellenzcluster Topoi ist ein Lösungsversuch.

Von Philipp Banse | 19.04.2016
    "Hier sehen wir die Fragmente von Magnesia." Im Browser zu sehen ist der 3D-Scan eines ionischen Kapitels, es stammt von einer Säule aus einem Tempel in Magnesia, West-Türkei, 3. Jahrhundert vor Christus. Gerd Graßhoff, Wissenschaftshistoriker an der Humboldt-Universität in Berlin, klickt das antike Säulen-Fragment an, er kann es drehen von allen Seiten betrachten.
    "Aber das Interessante ist, dass diese 3D-Objekte und die zugehörigen Daten auch digital zu laden sind in Programmumgebungen, so dass man dann auch weitere Vermessungen damit auch machen kann."
    Gerd Graßhoff ist Sprecher es Exzellenz-Clusters Topoi, in dem Freie und Humboldt-Universität die Gesellschaft der Antike erforschen. Die Forschungsergebnisse wurden zunächst bei einem kommerziellen Verlag veröffentlicht, doch damit waren die Forscher nicht zufrieden und entwickelten ihre eigene Publikationsplattform namens Edition Topoi. Die Forscher wollten jedoch nicht nur Aufsätze nach dem Open Access Prinzip online stellen, sondern auch ihre Rohdaten, also konkrete Objekte: Vasen, Scherben, Säulen-Fragmente, Rollsiegel, Handschriften. Im Prinzip stehen Scans solcher Objekte auch heute schon im Netz, sagt Historiker Graßhoff, wissenschaftlich sind sie aber kaum zu gebrauchen:
    "Sie kommen an die Daten gar nicht ran. Sie können sie sich anschauen, aber sie können sie in den seltensten Fällen runterladen. Und sie können auch nicht sicherstellen, dass der Link zum Objekt, den sie jetzt verwenden, dass sie den in Zukunft auch verwenden können. Und sie wissen eigentlich auch nicht, wie sie eine solche Quelle zitieren sollen. So das sind technisch gesehen eigentlich kleine Probleme, organisatorisch eine riesen Herausforderung. Und das ist das, was wir versuchen wollen, zu lösen. "
    Graßhof und seine Kollegen haben deshalb Server eingerichtet, 40.000 gescannte Objekte wurden von den am Cluster beteiligten Forschungseinrichtungen eingereicht, eine Redaktion sichtet die Objekte, überprüft die Metadaten und stellt alles zum Download auf die Plattform Edition Topoi. Eine liberale Creative Commons Lizenz ermöglichst es jedem, diese Objekte rechtssicher weiter zu verwenden – wenn denn das Objekt korrekt zitiert wird. Dafür haben die Forscher eine neue Technik entwickelt: Citables. Jedes digitale Objekt bekommt eine eindeutige Nummer und standardisierte Metadaten, sagt Graßhof:
    "Das ist was Wichtiges, dass man dieses Objekt als Objekt wie eine Text-Fußnote referenzieren kann und in allen wissenschaftlichen Publikationen darauf Bezug nehmen kann. Das heißt, welche Publikation in welchen Büchern oder Artikeln auch immer erscheinen und diese Quelle zitieren, werden auch in 30 Jahren diese Quelle wieder aufrufen können und damit wissenschaftlich nachvollziehen können."
    "Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen mit der Edition Topoi."
    Jürgen Renn, Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte.
    "Sie ist wirklich ein Meilenstein auf dem Weg zu einem Netz des Wissens, in dem die Quellen um ihre Interpretation und die Interpretationen um die Quellen wissen."
    Auch Lukas Bossert ist begeistert, er promoviert an der HU in klassischer Archäologie und kann sich gut vorstellen, seine antiken Objekte, seine Rohdaten gescannt ins Netz zu stellen:
    "Auf jeden Fall, weil sie damit zitierfähig publiziert sind und damit ist auch mein Name damit verbunden und unter Einhaltung der wissenschaftlichen Regeln muss auch jeder mich zitieren, wenn er es benutzt und dadurch ist das eine gesicherte Sache."
    Derzeit lagern die Daten noch auf Servern des Forschungsclusters. Ziel ist es jedoch, ein weltweites Speichernetz aufzubauen, um gescannte Objekte aller Forschungseinrichtungen weltweit nach dem Topoi-Prinzip zu veröffentlichen. Technische Standards seien kein großes Problem, sagt Koordinator Graßhof. Die größte Herausforderung sei es, die Infrastruktur aufzubauen; ein Redaktionsteam müsse zentral alle Objekte wissenschaftlich sichten und veröffentlichen. Dazu müsse ein Konsortium gegründet werden:
    "So was gibt es bisher nicht. Das ist unser großer Wunsch auch an die großen Wissenschaftsträger, vielleicht auch die Bundesregierung, das Forschungsministerium, solche Infrastrukturen zu fördern."
    Dann sei ein globaler Katalog mit Millionen zitierbarer Objekte in Reichweite.