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Medizin. - Hepatitis C verläuft zunächst meist unbemerkt, kann dann aber eine Leberzirrhose verursachen. Mit einem neuen, preiswerten Test wollen Bonner Forscher die Früherkennung der Krankheit weltweit verbessern. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal.

10.02.2009
    Blumenthal: Ist der Test nur billiger – oder ist er auch anders als herkömmliche Hepatitis-C-Tests?

    Winkelheide: Er ist anders, und die Forscher, die ursprünglich im Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg gearbeitet haben, und jetzt an der Universität Bonn sind, haben einen wirklichen Coup gelandet. Denn herkömmliche Tests weisen Fragmente des Erbguts der Viren im Blut nach und sie konzentrieren sich dabei auf die Anfangssequenz der RNA des Virus. Und die ist sehr kompliziert, sie ist ungünstig gefaltet, und insofern ist dieser Test immer ein bisschen störrisch gewesen. Die Firmen haben sehr viel Geld investieren müssen, um ihn zuverlässig zu machen, denn es gibt nicht das Hepatitis-C-Virus, sondern verschiedene Genotypen. Die Forscher aus Bonn haben einen Trick angewandt: Sie haben entdeckt, das Virus ist länger als man eigentlich gedacht hatte. Es gibt eine typische Abschlusssequenz, da werden viele Erbgutbausteine wiederholt. Und dahinter ist noch ein kleines Schwänzchen mit 110 Basenpaaren. Und sie haben gesehen, das ist sehr stabil, also es ist in allen genetischen Varianten des Virus enthalten und sehr unverändert. Das heißt, das muss irgendwie eine wichtige Aufgabe haben, und darauf haben sie sich konzentriert, dieses Stückchen nachzuweisen.

    Blumenthal: Also ein ganz anderer Ansatz. Ist das Verfahren denn genauso gut wie herkömmliche Tests?

    Winkelheide: Er ist genauso gut, insofern als er zudem auch noch eine weite Palette von Viren nachweist, also auch Viren, die hier in Deutschland nicht so häufig verbreitet sind. Hier in Deutschland ist der Genotyp 1 sehr weit verbreitet, in anderen Ländern sind es ganz andere Genotypen: in Südafrika ist es Genotyp 5, in Singapur der Genotyp 6, in Brasilien hat man ein Gemisch, da sind sehr viele verschiedene Genotypen. Und alle diese Typen weist er eher mindestens genauso gut wie die Standardverfahren nach, das haben die Forscher auch nachgewiesen.

    Blumenthal: Das heißt, er ist eigentlich universell, ich kann Patienten, die sich irgendwo auf der Welt infizieren, jetzt in Deutschland und in aller Welt universell nachweisen?

    Winkelheide: Man hat es in verschiedenen Ländern ausprobiert und gesehen, dieser Test arbeitet sehr zuverlässig.

    Blumenthal: Haben die Forscher sich den Test patentieren lassen?

    Winkelheide: Nein, sie haben es sich nicht patentieren lassen. Könnte man ja denken, man lässt es sich patentieren, gründet eine Firma, vermarktet das, macht einen kommerziellen Test daraus. Genau das haben sie nicht gemacht. Sie haben ja auch veröffentlicht in PLoS Medicine, und das ist eben ein Online-Journal. Das heißt, was sie veröffentlich haben, ist öffentlich zugänglich für alle Wissenschaftler. Und das Besondere bei dieser Veröffentlichung ist, das ist im Prinzip wie ein Kochrezept. Also man kann diesen Test nachkochen. Und das zweite ist, er ist sehr billig, man braucht eigentlich nur Reagenzien im Wert von neun Dollar ungefähr, und wenn man dann noch ein bisschen Lizenzgebühr zahlen würde für das PCR-Verfahren, was man aber nicht in allen Ländern machen muss, dann kämen noch einmal zehn Dollar darauf. Aber im Prinzip ist er extrem preiswert.

    Blumenthal: Was heißt das jetzt für die Handhabbarkeit dieses Tests gerade in Ländern, wo niemand in der Lage ist, 100 Dollar für einen Hepatitis-C-Test aufzubringen?

    Winkelheide: Das Ziel der Forscher ist, das ist prima, dass er nachgekocht wird. Also wenn ein kleines Unternehmen in Brasilien zum Beispiel hingeht und sagt, wir bauen einen kommerziellen Test daraus, dann könnte das Blutbankensystem in solchen Ländern einfach sicherer werden. In Brasilien zum Beispiel plante man den Aufbau eines Testsystems für Blutkonserven und ist an den Kosten gescheitert. Das heißt, hier wäre tatsächlich eine Chance, das zu machen.