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Oper "Medea in Corinto"
In der Instrumentierung ihrer Zeit voraus

Auf dem "Festival della Valle Itria" präsentierten Benedetto Sicca und Fabio Luisi in diesem Jahr die 1813 uraufgeführte und eher unbekannte Oper "Medea in Corinto" von Giovanni Simone Mayr. Und sie zeigten: Mayrs "Medea" verdient es, öfter in großen Opernhäusern gespielt zu werden.

Von Elisabeth Richter | 31.07.2015
    Rote Theaterstühle
    Rote Theaterstühle (picture-alliance / dpa-ZB / Patrick Pleul)
    Der Name Medea bedeutet: die, die Rat weiß - doch angesichts der wohl niemals begreiflichen Brutalität dieser mythologischen Frauengestalt aus der griechischen Antike fragt man sich unwillkürlich: welcher Rat soll das sein?
    Eine eifersüchtige Frau, die ihre Rivalin tötet und deren Vater? - keine gute Lösung. Eine alle Menschlichkeit verlierende, rasende Frau, die dazu aus Rache an ihrem Mann die gemeinsamen Kinder tötet? Bis heute hört man immer wieder von solchen Taten, und dies bestätigt nur, dass Mythen die Wahrheit über die möglichen Abgründe der Seele erzählen. Der zweieinhalbtausend Jahre alte Medea-Stoff inspirierte Dutzende von Künstlern. Simone Mayrs 1813 in Neapel uraufgeführte Oper "Medea in Corinto" steht etwa Cherubinis oder Charpentiers Fassungen des Stoffes in nichts nach. Mayr ist ein Komponist mit einem fantastischen, musiktheatralischen Instinkt.
    "Es ist ein Transitionsstück zwischen der italienischen Opera seria a la Rossini und der deutschen romantischen Oper a la Weber, und auch Fidelio, der ebenfalls schwer zu charakterisieren ist. Ist Fidelio eine romantische Oper, nicht wirklich, eine Biedermeier-Oper? Nicht wirklich. Genauso ist es mit dieser Oper von Mayr."
    Man kann Dirigent Fabio Luisi - seit diesem Jahr musikalischer Direktor der "Itria-Tal Festivals" - nur zustimmen: Mayrs "Medea" verdiente es, öfter in großen Opernhäusern gespielt zu werden. Luisi destillierte am Pult des gut vorbereiteten "Orchestra Internazionale d’Italia" mit Präzision und spannungsvollem dramatischem Zugriff die Qualitäten der ungeheuer farbigen Partitur heraus.
    "Die Stärken liegen in der Instrumentation, die weit voraus ist anderen italienischen Komponisten der Zeit. Das sind die deutschen Erfahrungen und die deutsche Schule Mayrs. Und es ist schwer, adäquate Sänger zu finden."
    Davinia Rodriguez in der Titelpartie sang nach ein paar Startschwierigkeiten eine beeindruckende Schluss-Arie der Medea. Hier blitzen bei dieser Furie minimale menschliche Züge durch. Sie wird sich der Unschuld ihrer Kinder, die sie töten will, bewusst. Exzellent über die gut drei Stunden präsentierten sich etwa Mihaela Marcu als Rivalin Creusa, der Mayr grandios virtuose Arien mit Chor zudachte, und der Tenor Michael Spyres als Giasone/Jason.
    Musikalisch hat diese Produktion des Itria-Tal-Festivals ein exzellentes, ein europäisches Niveau. Mit der Regie von Benedetto Sicca indes wurde man weniger glücklich. Gelang diesem Regisseur im letzten Jahr eine zauberhafte Inszenierung einer Kurz-Oper von Agostino Steffani, so scheiterte er an Mayrs "Medea". Dabei störten weniger die konventionellen Kostüme oder die Einbindung einer Tanzgruppe aus Mailand als Spiegel und Kontrapunkt der handelnden Personen. Vielmehr vermisste man eine Bewegungs- und Personenregie, die auch nur Ansätze einer Interpretation oder Sichtweise des Regisseurs hätte erkennen lassen. So waren die Sänger fast gänzlich auf sich gestellt und retteten sich durch hilflose, sich wiederholende Gesten. Schade. Die weiteren Opern-Produktionen des "Itria-Tal Festivals" - von Monteverdi oder von Nicola de Giosa konnten mit ansprechenderen szenischen Lösungen aufwarten.