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Operation Atalanta
Spanien will mehr militärische Verantwortung in der EU

Weniger Geld, weniger Kampfkraft - der EU-Austritt Großbritanniens reißt eine Lücke in die militärische Einsatzfähigkeit der Union. Das gilt auch für die gemeinsame Anti-Piraterie-Mission Atalanta. Nun bietet sich Spanien als Nachfolger an.

Von Hans-Günter Kellner | 11.05.2018
    Marinestützpunkt in Rota, Spanien, 18.08.2013
    Rota ist der Stützpunkt der spanischen Marine und U.S.-Marinebasis (AFP/JORGE GUERRERO )
    Im Besprechungsraum des außenpolitischen Thinktanks Instituto Elcano in Madrid sind die Wände mit den Stichen alter Seeschlachten dekoriert. Damals kämpften die Europäer noch gegeneinander, nun sollen sie miteinander ihre Sicherheit gewährleisten - auch auf hoher See, erklärt Politikwissenschaftler Félix Arteaga:
    "Die Operation Atalanta begann vor einigen Jahren, weil Schiffe der spanischen und französischen Fischereiflotte am Horn von Afrika Opfer von Piratenangriffen wurden. Die Sicherheit auf hoher See wurde bei dieser Mission zum ersten Mal zum Ziel der europäischen Verteidigungspolitik."
    Piratenangriffe deutlich zurückgegangen
    Inzwischen sind die Piratenangriffe deutlich zurückgegangen. Der Einsatz wird im britischen Northwood koordiniert, doch mit dem Brexit werden die Briten dieses Hauptquartier verlieren. Spanien hätte es gerne:
    "Bislang gibt es in Spanien kein Hauptquartier für gemeinsame europäische Einsätze. Spanien hat die Operation Atalanta gegen die Piraterie zusammen mit Frankreich gegründet, unser Beitrag dazu ist bedeutend. Jetzt, wo sich die Chance bietet, ist es normal, auch das Kommando der Operation anzustreben."
    Italien bemüht sich ebenfalls, doch auch der spanische General Lucas Manuel Muñoz Bronchales hält es fast für folgerichtig, dass nun auch das Operative Hauptquartier in Spanien installiert wird.
    Spanien bietet ein ständiges Hauptquartier an
    "Das Operative Hauptquartier würde der spanischen Verpflichtung gegenüber der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik nur gerecht. Spanien leistet seit langer Zeit den größten Beitrag zu gemeinsamen Einsätzen. Dafür sollten wir hier auch ein ständiges Hauptquartier haben."
    157 spanische Soldaten sind am Horn von Afrika ständig im Einsatz. Es geht nicht nur um eine Befehlszentrale für die Operation Atalanta, sondern um ein ständiges Hauptquartier - auch für weitere Kriseneinsätze der Europäer. Dafür bieten die Spanier ihren Marinestützpunkt im andalusischen Rota an:
    "Rota ist der Stützpunkt unserer Marine und U.S.-Marinebasis. Er hat eine Brückenfunktion zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer. Schon jetzt laufen von hier alle spanischen Schiffe aus, die sich an internationalen Einsätzen beteiligen."
    Europa muss eigene Sicherheitsstrukturen entwickeln
    Denn wenn die USA nicht mehr im gewohnten Umfang die Sicherheit Europas gewährleisten wollen, muss Europa seine eigenen Sicherheitsstrukturen entwickeln. Spanien will dabei eine treibende Kraft bleiben, sagt General Muñoz Bronchales:
    "Gemeinsam mit Deutschland, Frankreich und Italien hat Spanien erst vor kurzem die Grundlagen für eine ständige militärische Zusammenarbeit in Europa erneuert. Es ist leicht, den europäischen Geist zu beschwören. Doch man muss dem auch mit Verpflichtungen nachkommen. Wir tun das mit unseren Einsätzen im Rahmen der Europäischen Union."
    Fast 3.100 spanische Soldaten sind derzeit in internationalen Missionen im Einsatz, davon 740 für die Europäische Union, erklärt der General. Doch in der spanischen Öffentlichkeit ist die künftige Sicherheitspolitik Europas kein Thema. Politikwissenschaftler Félix Arteaga vom Instituto Elcano zuckt mit den Schultern:
    "Als wir 1986 Mitglied der Nato wurden, sprachen sich im Referendum sechs Millionen Spanier dagegen aus. Die Parteien sehen in der Verteidigungspolitik ein politisches Risiko und vermeiden es lieber. Und die Leute auf der Straße kümmert das Thema wenig."