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Operation Trockenlegung

Umwelt. - Langsam sinken die Flutpegel in New Orleans ab und geben Experten erste Einblicke in die giftigen Hinterlassenschaften von Katrina. Dabei drohen aber die Zerstörungen an den Küstenökosystemen von Louisiana und Mississippi in den Hintergrund zu geraten.

Von Volker Mrasek | 13.09.2005
    Welche Schäden Katrina in den Ökosystemen an der US-Golfküste angerichtet hat - darum konnten sich Biologen vor Ort bisher nicht kümmern. Stationen der Forscher an der Küste wurden selbst von dem Hurrikan in Mitleidenschaft gezogen, ihre Schiffe demoliert. Doch nun starten auch die Kenner von Flora und Fauna erste Expeditionen in die Salzmarschen und Seen am Mississippi-Delta. Unter ihnen der gebürtige Kroate Dubravko Justic, Direktor des Instituts für Küstenökologie an der Staatsuniversität von Louisiana:

    "Wir stellen gerade mehrere Teams zusammen. Aus Texas sind zwei Schiffe unterwegs, die wir für unsere Untersuchungen nutzen können. Und zum Glück hat Katrina auch zwei unserer an der Küste stationierten Forschungsboote verschont, die "Pelikan" und die "Arcadiana". Auch sie werden wir bald einsetzen können. Also, ich denke, in einigen Wochen werden wir wissen, welche Schäden der Hurrikan in den Ökosystemen angerichtet hat."

    Das Mississippi-Delta beherbergt Sumpfzypressenwälder und grasreiche Salzmarschen. Der Weißkopfseeadler ist dort genauso zuhause wie der Braunpelikan, Louisianas Wappenvogel. Das Feuchtgebiet gilt als Kinderstube für unzählige Fischarten und es ist bekannt für seine großen Austernbänke. Sie könnten Schaden durch den Hurrikan genommen haben, fürchtet James Cowan, Professor für Fischereibiologie an der Staatsuniversität:

    "Ein Hurrikan wie Katrina wirbelt große Mengen Bodensediment auf. Austernbänke könnten dadurch verschüttet worden sein. Sie vertragen das überhaupt nicht gut und sterben ab. Das könnte ein Problem sein."

    Mit Sorge verfolgen die Forscher auch die "Operation Trockenlegung" in New Orleans. Das Wasser, das seit Tagen in der Stadt steht, wird bisher komplett in den nördlich gelegenen See zurückgepumpt, den Lake Pontchartrain. Was die Brühe alles enthält, ist noch nicht genau geklärt. Bisher weiß man nur: viele Fäkalkeime, Öl und Benzin sowie erhöhte Konzentrationen des giftigen Schwermetalls Blei. Der schwach salzige Lake Pontchartrain ist zwar dreimal so groß wie der Bodensee, aber nur fünf bis zehn Meter tief. Den Stoff- und Keim-Cocktail aus New Orleans werde er nicht so ohne weiteres verkraften, glaubt Dubravko Justic:

    "Wir sprechen hier von riesigen Mengen Schadstoff belastetem Wasser. Nach unseren Abschätzungen mit Hilfe von Landoberflächen-Modellen sind es insgesamt 94 Millionen Kubikmeter. Stellen Sie sich ein Gebiet vor, das 94 Quadratkilometer groß ist und einen Meter tief unter Wasser steht - um solch eine Menge geht es hier."

    Der Biologe vermutet, dass es dem Pontchartrain bald akut an Sauerstoff mangelt. Denn das viele organische Material, das jetzt mit der Brühe aus New Orleans einströmt, wird im See zersetzt. Und das verbraucht große Mengen Sauerstoff. Der fehlt dann in tieferen Wasserschichten, die vom Wind nicht mehr durchmischt werden:

    "Bodenbewohnende Tiere gerieten dadurch in Gefahr, zum Beispiel Blaukrabben. Davon gibt es einen ziemlich großen Bestand im See. Der Pontchartrain ist durch Abflüsse mit der Küste verbunden. Das Wasser aus New Orleans wird schätzungsweise 30 Tage lang im See verbleiben und dann in den Mississippi-Sund ablaufen. Dort wiederum befinden sich große Austernbänke. Die Muscheln könnten durch Krankheitskeime geschädigt werden oder Schwermetalle aus dem Wasser in ihrem Gewebe anreichern. Für den Verzehr wären sie dann nicht mehr geeignet."

    Genauso ist denkbar, dass Fische Giftstoffe in ihren Körpern akkumulieren. Das könnte am Ende sogar Louisianas Braune Küsten-Pelikane gefährden. Denn sie ernähren sich als geübte Stoßtaucher von Fischen. Wäre ihre Hauptnahrung fortan vergiftet, würden die Wasservögel wahrscheinlich krank und vielleicht sogar zugrunde gehen. Allerdings: Im Moment ist noch immer offen, wie viele und welche Schadstoffe das Wasser aus New Orleans tatsächlich enthält.