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Opioidkrise in den USA
Die betäubte Nation

Es begann in den 90ern, als in den USA plötzlich viel mehr Schmerzmittel verschrieben wurden. Heute wütet dort die Opioid-Epidemie, vor allem auf dem Land. Knapp 100 Menschen täglich sterben an einer Überdosis von Schmerzmitteln. Damit sich das ändert, müssten Ärzte und Pharmaindustrie umdenken.

Von Katja Ridderbusch | 24.10.2017
    Ein Mann reicht eine Verpackung Schmerzmittel
    Anders als die letzten Drogenschwemmen findet diese vor allem auf dem Land statt. "Er beginnt häufig mit Langeweile", sagt Debra Murphy, Leiterin einer Methadonklinik (AFP / Dominick Reuter)
    Angstattacken, Kreislaufkollaps, Herzstillstand: Menschen, die mit schweren Entzugserscheinungen oder einer Drogen-Überdosis in die Notaufnahme eingeliefert werden, gehören zum traurigen Alltag in Baxley, einer Kleinstadt mit gut 4.000 Einwohnern im Südwesten des Bundesstaates Georgia. Und nicht nur in Baxley ist das so, an vielen anderen Orten in den USA ist es ähnlich.
    Knapp 100 Menschen sterben jeden Tag an der Opioid-Epidemie, die seit der Jahrtausendwende in Amerika wütet. Opioide, das sind morphinhaltige Substanzen wie Heroin, aber auch Schmerzmittel wie Oxycodon, Hydrocodon und das Betäubungsmittel Fentanyl, dessen Suchtpotenzial 50 bis 100 Mal höher ist als Heroin. Popstar Prince starb im vergangenen Jahr an einer Überdosis Fentanyl. Knicole Lee ist Nurse Practitioner, Krankenschwester mit eigener Praxis in Baxley. Hier erlebt sie den Alltag der Opioid-Epidemie. Die Geschichten ihrer suchtkranken Patienten beginnen fast immer mit derselben Klage, sagt sie: Schmerzen.
    Jeder dritte Amerikaner nimmt Opioide
    Heute nähmen doppelt so viele Patienten opioidhaltige Schmerzmittel ein als noch vor zehn Jahren, schätzt Lee, eine große Frau mit feschem Kurzhaarschnitt und manikürten Fingernägeln. Über die Medikamente rutschten viele Menschen in die Sucht. Und jetzt sei die Lage außer Kontrolle.
    Die Opferzahlen steigen von Jahr zu Jahr; die Medien berichten fast täglich von der Opioid-Epidemie, die das gesamte Land, besonders den Nordosten und die Südstaaten erfasst hat, und die auch Kinder nicht ausspart.
    Jeder dritte Amerikaner nimmt heute opioidhaltige Medikamente, stellte eine Studie fest; 2,6 Millionen sind abhängig. Seit 1999 hat sich die Zahl der Menschen, die an einer Opioid-Überdosis sterben, vervierfacht. 2015 waren es 33.000, und die Opferzahlen für 2016 dürften noch höher liegen. Drogen-Überdosis ist mittlerweile die häufigste Todesursache bei Amerikanern unter 50 Jahren.
    Medikamente kosten viel, ein "Schuss" rund zehn Dollar
    Der Schmerzmittelboom befördert auch eine neue Welle der Heroinsucht. Denn: Die Medikamente sind teuer, und aus Mexiko und China flutet billiges Heroin auf den amerikanischen Markt. Heroin wirkt ähnlich auf die Rezeptoren des Gehirns wie opioidhaltige Schmerzmittel - und ein "Schuss" ist schon für 10 Dollar zu haben.
    Präsident Donald Trump will in dieser Woche die Opioid-Krise auch formell zum nationalen Notstand erklären. Damit würden kurzfristig zusätzliche Bundesmittel zum Kampf gegen die Epidemie freigesetzt.
    Die Opioid-Epidemie ist eines der wenigen Themen, über dessen Dringlichkeit sich Demokraten und Republikaner einig sind. Schließlich ist die anschwellende Schmerzmittelsucht mit all ihren Folgen - eine Zunahme von Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis C oder der Anstieg der Beschaffungskriminalität - auch ein Problem der öffentlichen Sicherheit.
    Ab den 90ern plötzlich viel mehr Opiode verschrieben
    Anne Schuchat ist Vize-Chefin der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Zu viele Menschen bekämen zu viele opioidhaltige Medikamente für zu lange Zeit, sagt sie -- und das führe zu immer mehr Drogen-Toten.
    Die Ursachen für die Opioid-Krise liegen in einer komplexen Kombination aus medizinischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren.
    Eine Mutter hält das Bild ihres Sohnes, der im Zuge der "Opioid-Krise" ums Leben gekommen ist
    Opioidsucht kommt in den USA in allen Gesellschaftsmilieus vor. Diese Mutter hat ihren Sohn durch die Drogensucht verloren (imago stock&people)
    Die Entwicklung begann in den 90er Jahren. Damals legte die Bundesagentur für Kriegsveteranen Schmerz als fünften so genannten Vitalparameter fest - neben Blutdruck, Puls, Körpertemperatur und Atmung.
    Die Folge war ein medizinischer, aber auch ein soziokultureller Paradigmenwechsel: Schmerz galt fortan als etwas, was man nicht ertragen musste, sollte oder wollte.
    Bis dahin waren opioidhaltige Schmerzmittel nur nach Operationen, bei schweren Krebsleiden oder in der Palliativmedizin zum Einsatz gekommen. Doch jetzt verschrieben Ärzte die Medikamente freizügiger, und Patienten forderten sie selbstbewusster ein.
    Heute würden in den USA so viele opioidhaltige Schmerzmittel verschrieben, dass jeder Amerikaner rund um die Uhr drei Wochen lang betäubt werden könnte, sagt Schuchat. Dreimal mehr als in Europa.
    Sogar Kinder und Teens bekommen Opioide
    Knicole Lee arbeitet seit 1993 als Krankenschwester in Baxley, im Appling-Gesundheitszentrum, zu dem ein 34-Betten-Krankenhaus, eine Hausarzt- und eine Kinderarztpraxis gehören. Auch sie hat die Veränderung im Umgang mit Schmerz und Schmerzmitteln beobachtet:
    "Mit der Zeit stellten Ärzte immer mehr Rezepte für opioidhaltige Schmerzmittel aus, von fünf bis zehn Tabletten bis zu 30-Pillen-Packungen und einer Wiederholungsverordnung. Weil die Ärzte ihre Patienten zufriedenstellen wollten. Und tatsächlich linderten Opioide die Schmerzen und hoben die Stimmung, und die Patienten beklagten sich weniger - bis sie die Situation eben nicht mehr in Griff hatten."
    Bereits Kinder und Teenager werden in den USA häufig - und ohne Not - mit den suchtfördernden Schmerzstillern behandelt. Lee erlebt das immer wieder.
    "Vor einiger Zeit hatte ich einen Zwölfjährigen Jungen in meiner Praxis. Der Orthopäde hatte ihm wegen Knieschmerzen ein Opioid verschrieben, das sollte er zweimal am Tag einnehmen, 60 Pillen insgesamt. Ich habe seine Mutter gebeten, ihm die Tabletten nicht zu geben. Sie antwortete: Er will aber Baseball spielen. Ich habe gesagt: Das ist mir völlig egal. Ich will nicht, dass er mit zwölf Jahren abhängig wird."
    Heroinwelle nicht in Innenstädten, sondern auf dem Land
    Anders als die Heroin-Wellen in den 70er- und 80er-Jahren wütet die aktuelle Opioid-Epidemie nicht primär in den Ghettos der Innenstädte, sondern vor allem auf dem Land - in Regionen, die wirtschaftlich ausgeblutet sind, die sich nie erholt haben von der großen Rezession vor zehn Jahren.
    Amerikanische Oldtimer am Straßenrand, Bisbee, Arizona, USA, Nordamerika.
    Rostige Autos in Kleinstadt Bisbee in Arizona, USA. (dpa / picture alliance / Benjamin Beytekin)
    Es sind Landstriche, die einander gleichen. Straßen mit aufgeplatztem Asphalt und blechernen Briefkästen am Seitenstreifen, die scheinbar keine Besitzer haben. Verödete Wohncontainersiedlungen und Weiden, auf denen ausrangierte Schulbusse und verrostete Autowracks stehen. Orte wie Baxley. Oder wie Chatsworth im nördlichen Zipfel von Georgia.
    Hier, in einer ambulanten Drogenklinik mit dem Namen "Counseling Solutions" tritt Patient 279 jeden Morgen an das Fenster für die Medikamentenausgabe. Er spricht mit der Krankenschwester über die brütende Hitze, das Footballspiel am Vorabend oder das neue Café am Ende der Straße, worüber man eben so spricht in einer Kleinstadt wie Chatsworth. Dann reicht die Schwester ihm ein Fläschchen mit einer giftgelben Flüssigkeit.
    Die Sucht von Patient 279 begann mit Wirbelverletzung
    Patient Nummer 279, ein junger Mann mit Baseballkappe und rotblondem Bart, ist opioidabhängig. Er macht seit einem Jahr eine Methadon-Ersatztherapie. Die Sucht hätte beinahe sein Leben zerstört, sagt der Patient, der als Tontechniker beim Radio arbeitet. Er habe fast alles verloren, mehrere Jobs, sein Auto, sein Haus, seine Freundin.
    Die Geschichte von Patient 279 begann mit einem verletzten Halswirbel. Sein Hausarzt verschrieb ihm opioidhaltige Schmerzmittel, immer stärkere, und als der Arzt sich schließlich weigerte, das Rezept zu erneuern, ging der Patient einfach in eine andere Praxis. "Doctor Shopping", heißt das in den USA. Am Ende besorgte er sich die Tabletten auf dem Schwarzmarkt:
    "Mein Leben war ein einziges Chaos. Ich war nur noch damit beschäftig, Pillen aufzutreiben, habe mir von Leuten Geld geliehen und es nicht zurückgezahlt."
    Abhängigkeit kennt keine sozialen Barrieren
    Debra Murphy kennt Geschichten wie die von Patient 279. Sie klingen alle ähnlich, sagt sie. Murphy, von Hause aus Sozialarbeiterin, leitet die Methadonklinik in Chatsworth. Sie trägt ein adrettes Kostüm und hat ihre gesträhnten Haare zu einem Dutt gesteckt. Der Holzfußboden knirscht unter ihren energischen Schritten.
    Die Klinik in Chatsworth ist vergleichsweise klein. Zwölf Mitarbeiter - ein Arzt, mehrere Krankenschwestern und Sozialarbeiter - betreuen rund 300 Patienten. Die haben hier Nummern, wegen der Privatsphäre. Viele von ihnen kommen aus dem benachbarten Bundesstaat Tennessee.
    "In dieser Gegend gibt es nicht viele Drogenkliniken", sagt Murphy, "Einige Patienten fahren jeden Tag 100 Meilen, um zu uns zu kommen."
    Im Wartezimmer sitzen Junge und Alte, Männer und Frauen, Schwarze Weiße und Latinos, Leute in Arbeitsoveralls und Leute in Anzügen.
    Abhängigkeit könne jeden treffen, sagt Murphy, Sucht kenne keine sozialen Barrieren. Sie arbeitet seit 30 Jahren in der Suchttherapie, und sie kennt den Teufelskreis aus Stigma, Scham und Schweigen, vor allem auf dem Land.
    "Er beginnt häufig mit Langeweile. Dies sind arme Gemeinden. Da ist nicht viel los. Die Leute haben keine Jobs und nicht viel Geld. Also trinken sie, oder nehmen Pillen. Manchmal sind auch ganze Familien abhängig. Sie nehmen alle Drogen. Das ist ihr Geheimnis, deshalb schweigen sie."
    In Kleinstadt hat man Angst, dass Sucht öffentlich wird
    Hinzu kommt: In einer Kleinstadt wissen die Leute viel voneinander, manchmal zu viel. Das hat auch Patient 279 erfahren:
    "Hier in Chatsworth kennt jeder jeden. Deshalb scheuen sich die Leute Hilfe zu suchen. Weil sie Angst haben, dass ihre Sucht dann öffentlich wird."
    Patient 279 hat Scham und Furcht überwunden. Mittlerweile hat er wieder einen Job bei einer lokalen Radiostation, zahlt langsam seine Schulden ab und versucht, sein soziales Netz neu zu knüpfen.
    Sein Leben sei wieder fast wieder so wie früher, sagt er, bis auf die täglichen Besuche in der Methadonklinik.
    Die Geschichte von Patient 279 ist eine mit vorläufig gutem Ausgang.
    Fünf Kilogramm Heroin liegen am 18.06.2015 bei der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift Zoll / Polizei in Karlsruhe (Baden-Württemberg). Ermittler in Baden-Baden haben einen international tätigen Drogenring zerschlagen. Fünf mutmaßliche Schmuggler wurden festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft am 13.07.2015 mitteilte. Foto: Polizei/GER/dpa (zu lsw Meldung: "Fahnder zerschlagen internationalen Drogenring" vom 13.07.2015. Achtung Redaktionen: Nur zur redaktionellen Nutzung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über einen Rauschgiftfund vom 13.07.2015)
    Heroin ist in den USA billiger als Schmerzmittel, die Opioide enthalten. Wer einmal süchtig ist, läuft Gefahr, auf die billigere Variante umzusteigen. (picture alliance / dpa / Polizei)
    Doch für die Opioid-Krise ist kein Ende in Sicht. Die Zukunft von Obamacare, dem bestehenden Gesundheitsgesetz, ist ungewiss, der Krankenversicherungsmarkt instabil. Ginge es nach der Trump-Administration, dann wären Krankenkassen bald nicht mehr verpflichtet, die Kosten für Suchttherapie zu erstatten.
    Zugleich fluten Schmerzmittel weiter das Land, und ihr Fluss ist schwer zu stoppen. Er wird getrieben von einem mächtigen Bündnis aus Pharmalobby und Politik, die verhindern, dass der Vertrieb von Schmerzmitteln stärker reguliert wird.
    Eine Industrie außer Kontrolle, sagt Ex-Drogenfahnder
    Das ist eine Industrie, die außer Kontrolle geraten sei und sich nicht um Gesetze schere, sagt Joe Rannazzisi, ehemaliger Mitarbeiter der Anti-Drogenbehörde DEA, in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS und der "Washington Post." Eine Industrie, die in Kauf nähme, dass Menschen sterben.
    Rannazzisi und sein Team versuchten jahrelang, auf Basis bestehender Richtlinien, so genannte "verdächtige Medikamentenlieferungen" zu stoppen. Lieferungen von Pharmagroßhändlern an Apotheken und zwielichtige "Schmerzkliniken", so genannte Pill Mills.
    Diese Pillenfabriken - Arztpraxen, die illegal Medikamente verschreiben und verkaufen - gehorchen dem Gesetz der Nachfrage. Sie befinden sich häufig in schäbigen Ladengeschäften an Autobahnausfahrten und am Rande von Überlandstraßen.
    "Drogendealer in Laborkitteln"
    Eine verdächtige Lieferung: Das war zum Beispiel der Versand von neun Millionen Hydrocodon-Pillen über einen Zeitraum von zwei Jahren an eine Apotheke in der Kleinstadt Kermit in West Virginia. Einwohnerzahl: 400.
    Rannazzisi sieht einen medizinisch-industriellen Komplex am Werk, eine Interessenkoalition mit hoher krimineller Energie:
    "Das sind keine Kids, die an einer Straßenecke etwas Crack verkaufen, sagt er. Sondern Profis. Drogendealer in Laborkitteln."
    Doch seine Vorgesetzten im Justizministerium bremsten Rannazzisi aus, drängten ihn in den vorzeitigen Ruhestand. Gleichzeitig bereitete eine Gruppe von Kongressabgeordneten einen Gesetzentwurf vor, der die Kontroll- und Regulierungskompetenzen der Anti-Drogenbehörde einschränkt und die Verbreitung opioidhaltiger Schmerzmittel erleichtert.
    Der Entwurf passierte das Repräsentantenhaus und den Senat ohne eine einzige Gegenstimme. Im April 2016 machte der damalige Präsident Barack Obama mit seiner Unterschrift den Entwurf zum Gesetz.
    Klagen gegen Pharmafirmen häufen sich
    Mittlerweile formiert sich Widerstand gegen die Pharmaindustrie: In mehr als 40 Bundesstaaten haben Staatsanwälte Klagen gegen Schmerzmittelhersteller eingereicht: Sie hätten ihre Medikamente mit irreführenden Informationen beworben, heißt es in der Begründung.
    Orchestriert werden die Klagen von Mike Moore, einem Anwalt, der in den 90er-Jahren die amerikanische Tabakindustrie auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagte - mit Erfolg.
    Auch hat die Gesundheitsbehörde CDC strengere Richtlinien für die Verschreibung von opioidhaltigen Schmerzmitteln verabschiedet.
    Die sickern zwar nur langsam in den Alltag der Arztpraxen durch, vor allem auf dem Land. Doch bei Schmerzspezialisten wie Dr. Anne Marie McKenzie-Brown sind sie angekommen:
    "Keine Frage, ich gehe heute anders mit dem Thema um als früher. Wenn wir als Ärzte Schmerzen behandeln, müssen wir über viele verschiedene Therapiemöglichkeiten nachdenken und auch über viele verschiedene Medikamente, nicht nur Opioide."
    McKenzie-Brown leitet das Schmerzzentrum der Emory-Universitätsklinik in Atlanta. Sie ist Mitglied einer nationalen Expertenkommission, die Empfehlungen für die Zukunft der Schmerztherapie erarbeitet.
    Ärztin: Pharmaforschung und Ärzte sollten umdenken
    Die Erkenntnisse will sie in ihrem Praxisalltag umsetzen. So arbeiten sie und andere Schmerzspezialisten in den USA heute stärker mit alternativen Therapien als noch vor zehn Jahren: von Krankengymnastik über Akupunktur und Massagen bis hin zu Gewichtsabnahme, Ernährungsumstellung und Naturheilmitteln.
    Und wenn sie Schmerzmittel verschreibe, seien nicht-opioidhaltige Analgetika stets ihre erste Wahl, sagt sie:
    "Wir müssen auch stärker in die Entwicklung neuer, effektiver, nicht-opioidhaltiger Schmerzmittel investieren, in Medikamente, die weniger Nebenwirkungen haben als die meisten gängigen Schmerzmittel. Da ist die Pharmaforschung gefragt."
    McKenzie-Browns wichtigster Rat geht an die Hausärzte:
    "Wenn der Hausarzt nicht weiter wisse, solle er den Patienten an einen Schmerzspezialisten überweisen statt Opioide zu verschreiben, sagt sie."
    Null Toleranz bei Patienten, die Opioidkonsum verschleiern
    Das findet auch Knicole Lee, die resolute Krankenschwester in Baxley. Sie nutzt außerdem ein Instrument, das die Drogenkontrollbehörde in Georgia - ebenso wie in anderen Bundesstaaten - Arztpraxen an die Hand gibt: eine Datenbank, in der jeder Patient verzeichnet ist, der innerhalb des Staates ein opioidhaltiges Medikament verschrieben bekommt:
    "Überprüfen wir alle unsere Patienten anhand der Datenbank? Nein. Sollte man es bei jedem neuen Patienten tun? Ja. Sollten wir immer mal wieder Stichproben machen, auch bei etablierten Patienten? Wahrscheinlich."
    Lee und ihre Kollegen in Baxley verfolgen eine Null-Toleranz-Politik bei Patienten, die ihren Medikamentenkonsum verschleiern oder lügen. Solche Manöver kämen immer ans Licht, sagt Lee - das sei eben der Vorteil in einer Kleinstadt.
    "Wir haben hier ein enges Verhältnis zu den Apothekern. Einer rief mich vor kurzem an; wir hatten einer Patientin ein opioidhaltiges Schmerzmittel verschrieben. Er sagte: Sie hat erst vor zwei Tagen ein Rezept von einem anderen Arzt eingelöst, und ein paar Tage davor ein weiteres Rezept. Das war eine Patientin, von der wir das niemals gedacht hätten, eine Dame über 60. Wir haben sie dann gefeuert."
    Knicole Lee weiß nicht, wo die Patienten, die sie ziehen lässt, künftig ihre Schmerzmittel beziehen. Vielleicht von Händlern auf dem schwarzen Markt und gestreckt mit billigem Heroin. Oder in einer der Pillenfabriken, irgendwo am Rande eines Highways.