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Opposition in Polen
Immobilien-Skandal belastet Warschaus Bürgermeisterin

Polens Regierung steht international in der Kritik, im Land ist sie weiterhin beliebt: Die rechtskonservative Partei PiS erhält Rekordwert-Zustimmungswerte, die Opposition "Bürgerplattform" kommt nicht dagegen an. Auch weil ein Skandal arg am Image der Regierungsgegner kratzt.

Von Florian Kellermann | 20.10.2017
    Warschaus Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz steht im Zentrum eines Immobilienskandals.
    Warschaus Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz steht im Zentrum eines Immobilienskandals. (imago / Eastnews)
    Hanna Gronkiewicz-Waltz ist seit elf Jahren Bürgermeisterin von Warschau. In dieser Zeit ist nicht nur eine zweite U-Bahn-Linie gebaut worden, es sind auch riesige Bürokomplexe entstanden. Aber nicht das ist es, was zählt, wenn die Warschauer die Amtszeit ihrer Bürgermeisterin beurteilen sollen. Ein Immobilien-Skandal belastet die 64-Jährige. Und mit ihr die rechtsliberale Oppositionspartei "Bürgerplattform", in der sie noch immer Vize-Vorsitzende ist, sagt Antoni Dudek, Politologe an der katholischen Kardinal-Wyszynski-Universität in Warschau:
    "Hanna Gronkiewicz-Waltz ist eigentlich schon eine politische Rentnerin, ihre Karriere ist praktisch beendet. Die Frage ist nur, ob sie sich nicht noch als Mühlstein um den Hals der ganzen Bürgerplattform erweist."
    Vorzugsbehandlung für findige Geschäftsleute
    Die Warschauer Stadtverwaltung hatte großzügig Immobilien, die nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht worden waren, an Privatleute abgegeben. Häufig nicht an die ehemaligen Eigentümer oder ihre Nachkommen, sondern an findige Geschäftsleute. Diese legten Dokumente vor, die beweisen sollten, dass sie die Rechte der Nachkommen aufgekauft hätten. Die Mitarbeiter im Rathaus akzeptierten diese Dokumente bereitwillig, teilweise ohne notarielle Beglaubigung.
    Hanna Gronkiewicz-Waltz erklärte dazu erst vor wenigen Tagen:
    "Da war eine Gruppe von Verbrechern am Werk. Sie hat weit über die Angestellten der Stadtverwaltung hinaus gereicht, die ich inzwischen entlassen habe. Richter und auch Anwälte waren da beteiligt. Die Staatsanwaltschaft muss feststellen, wie weit die Verbindungen dieser Gruppe gereicht haben."
    Die Bürgermeisterin hat inzwischen ein Gutachten erstellen lassen, das die Privatisierung von 175 Immobilien durchleuchtet. Das Ergebnis: In mehr als jedem zweiten Fall besteht der Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt: 21 Personen wurden bereits festgenommen.
    Bürgermeisterin will nichts gewusst haben
    Gronkiewicz-Waltz gibt an, sie habe nichts gewusst von den Machenschaften in ihrer Behörde. Doch so leicht will die politische Konkurrenz sie nicht davon kommen lassen. Der Sejm hat mit den Stimmen der rechtskonservativen Regierungspartei PiS einen Sonder-Ausschuss ins Leben gerufen, der im Justizministerium angesiedelt ist. Er überprüft einzelne Immobilienverkäufe und macht die Entscheidungen des Rathauses rückgängig. Vorsitzender ist Patryk Jaki, Staatssekretär im Justizministerium:
    "Es hieß, wenn es einer Seilschaft gelungen ist, etwas zu stehlen und das von den Gerichten bestätigen zu lassen, dann könne man nichts mehr tun. Wir aber geben die Immobilien dem Staat zurück."
    Verweigerung der Zeugenaussage
    Bürgermeisterin Gronkiewicz-Waltz weigert sich, als Zeugin vor dem Ausschuss auszusagen. Dafür kommen Bewohner der Häuser, die von der Stadt bereitwillig weitergegeben wurden - und berichten von unmenschlichen Methoden der neuen Eigentümer:
    "Wir bekommen keine Post mehr, jemand leert ständig unseren Briefkasten. Die Renovierungsarbeiten dauern bis nach 22 Uhr, und schon zweimal haben sie dazu geführt, dass unsere Wohnung überschwemmt wurde. Das machen die nur, damit wir ausziehen."
    Führende Politiker der "Bürgerplattform" haben Gronkiewicz-Waltz zunächst verteidigt und verglichen den Ausschuss mit einem stalinistischen Tribunal. Inzwischen jedoch drängen sie die Bürgermeisterin, sich dort zu stellen, zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende Slawomir Neumann:
    "Ich glaube, dass die Bürgermeisterin ihre Strategie überdenken sollte. Nur vor dem Ausschuss kann sie die absurden Theorien widerlegen, die Patryk Jaki dort ausbreitet. Ihre drei erfolgreichen Amtszeiten in Warschau sollten nicht völlig von der Reprivatisierung überschattet werden."
    Die Lage für die "Bürgerplattform" ist ernst, denn bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr wird es einen heißen Kampf vor allem um Warschau geben. Dass die PiS dann den Immobilienskandal gegen die Oppositionspartei ins Feld führt, gilt als sicher.