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Opposition in Russland
Mit Videos gegen die Regierung

Auch wenn der Kreml offiziell hinter seinen Sicherheitskräften steht, maskieren sich diese seit einiger Zeit bei Einsätzen auf Demos. Die Zeitung "Nowaja Gasjeta" stellte kürzlich ein Video ins Netz, in dem ein Polizist eine Demonstrantin misshandelt. Damit will sie erreichen, dass der Polizist ermittelt wird.

Von Thielko Grieß | 14.08.2019
Eine Gruppe maskierter russischer Polizisten blockiert einen Bereich während einer Demo für faire Wahlen in der Moskauer Innenstadt am 3. August 2019
Eine Gruppe maskierter russischer Polizisten blockiert einen Bereich während einer Demo für faire Wahlen in der Moskauer Innenstadt am 3. August 2019 (AFP / Vasily Maximov)
Einen Monat nach Beginn der wöchentlichen Proteste in Moskau gibt sich die Staatsmacht nach wie vor unbeeindruckt. In all der Zeit hat sich Präsident Wladimir Putin zu den Vorgängen in der Hauptstadt nicht geäußert, nun aber immerhin sein Sprecher, Dmitrij Peskow. Die Linie ist eindeutig: Der Kreml stellt sich hinter Polizei und Sicherheitskräfte, die mehrfach mit großer Härte gegen Demonstranten vorgegangen sind. Die hätten die öffentliche Ordnung gefährdet.
"Die Sicherheitskräfte erfüllen ihre Pflicht und tun selbstverständlich alles Notwendige, um solche illegitimen Versuche zu unterbinden; so wie sie es auch tun, um die Sicherheit bei legitimen, genehmigten Demonstrationen zu gewährleisten."
Bei nicht genehmigten Demonstrationen handelte es sich um Spaziergänge im Zentrum Moskaus. Um dabei festgenommen zu werden, reichte es aus, sich an einem der betreffenden Orte aufzuhalten, auch ganz ohne Plakate und ohne Parolen zu rufen.
Handyvideos dokumentieren die Brutalität der Sicherheitskräfte
Bewiesen ist längst vielfach, wie gewalttätig Sicherheitskräfte teilweise vorgehen. So ist auf Handyvideos festgehalten, wie Demonstranten beschimpft werden.
Aufsehen und Empörung ruft auch der Fall einer jungen Frau hervor, der ein Polizist mit der Faust in den Bauch schlägt. Die Zeitung Nowaja Gasjeta hat das Video nun in Dauerschleife online gestellt. Das Medium will so erreichen, dass der Polizist ermittelt wird. Die Menschenrechtsorganisation Agora hat 100.000 Rubel, rund 1.300 Euro, für Tipps ausgesetzt, die zur Identifizierung des Beamten führen. Die meisten von ihnen jedoch tragen bei den Einsätzen gegen Demonstranten inzwischen schwarze Gesichtsmasken, um anonym zu bleiben.
Die Frau, die auch auf den Kopf geschlagen wurde, erlitt eine Gehirnerschütterung und Blutergüsse. Sie hatte sich lautstark beklagt, dass die Beamten vor ihren Augen einen Mann mit Gebehinderung ebenfalls auf sehr grobe Art und Weise abgeführt hatten.
Allerdings muss die Frau nun selbst mit einer Strafe rechnen: Ihr wird "öffentliche Störung" vorgeworfen – das ist einer der Standardvorwürfe, der für die meisten Festgenommenen mit Geldstrafen oder Strafarbeit endet.
Neues Nawalny-Video
Ein Trend bei Youtube ist seit vorgestern ein Video des Teams von Alexej Nawalnyj; einmal mehr geht es um Recherchen zu Korruption innerhalb der Machtelite. Diesmal treffen die Vorwürfe den ehemaligen Verfassungsrichter Boris Ebsejew, der heute Mitglied der Zentralen Wahlkommission ist. Dieses Gremium spielte eine entscheidende Rolle dabei, die oppositionellen Kandidaten zur Regionalwahl in Moskau nicht zuzulassen – woran sich die Proteste entzündet hatten.
Die Aktivisten arbeiten heraus, dass sich in der Familie ein sehr großer Reichtum angesammelt hat, der kaum durch die öffentlich bekannten Ämter zustande gekommen sein kann. Das viele Geld hat es ermöglicht, dass ein Enkel Ebsejews im Alter von bereits vier Jahren seine erste Luxusimmobilie in Moskau erwerben konnte. Beim Kauf eines Grundstücks in Moskau war er bereits sieben Jahre alt.
Das Video ist mehr als anderthalb Millionen Mal angeklickt worden.
Gegen den von Nawalnyj gegründeten Fonds zur Korruptionsbekämpfung ermitteln die russischen Behörden inzwischen wegen Geldwäsche. Es hat Durchsuchungen gegeben und Mitarbeiter werden immer wieder zu Arreststrafen verurteilt. Ob an den Vorwürfen etwas dran ist, oder ob es eher darum geht, die Arbeit der Aktivisten lahmzulegen, ist noch nicht zu beurteilen.