Freitag, 19. April 2024

Archiv

Stadtbibliothek Erlangen
Leseecke, Bürgerzentrum und Abenteuerspielplatz in einem

Wer glaubt, Bibliotheken seien muffige Aufbewahrungsorte für verstaubte Bücher, irrt. Bestes Beispiel hierfür ist die Stadtbücherei von Erlangen. Seit ihrer Sanierung bietet sie auf 2.400 Quadratmetern nicht nur analog, sondern auch virtuell jede Menge zu entdecken.

Von Susanne Lettenbauer | 21.08.2018
    Kunstpalais und Stadtbibliothek, ehemaliges Stutterheimsches Palais, Marktplatz, Erlangen
    Mit speziellen Angeboten versucht die Stadtbibliothek Erlangen, auch junge Menschen für sich zu begeistern (imago/imagebroker)
    Wer denkt, Stadtbibliotheken existieren stiefmütterlich als Angebot für soziale Randgruppen in Wohngebieten oder am Rande der Stadt, er war noch nicht am Marktplatz in Erlangen. Mitten in der barocken Altstadt, in einem alten Fürstenpalais ist, nein, residiert die Bibliothek der Stadt. Seit der Sanierung des Gebäudes hat sich das Haus mit seinen 2.400 Quadratmetern zu einem Treffpunkt entwickelt. Von der Eisdiele nebenan kann man sich einen Kaffee holen, demnächst um die Hälfte günstiger für Bibliotheksbesucher. Kleine Snacks zur Zeitungslektüre - ein Problem:
    Jene, die längst dem Lesen abgeschworen haben, holt die Stadtbibliothek mit einem besonderen Social-Media-Projekt ins Haus, das stadtweit für Furore sorgt, erklärt Bibliothekschef Tobias Sack:
    "Wir haben ein Social-Media-Team die sich sehr konsequent darum kümmern, wie man auf Social Media präsent ist, in dem Rahmen gibt es das corpus libri, das sind Buchcover, die vor einem realen Hintergrund gehalten werden und dann in den Hintergrund übergehen, das macht unheimlich viel Spaß."
    "Das Buch heute zieht nicht mehr"
    In einer Ecke der Jugendbibliothek sitzt ein Junge und spielt ein Fussballgame. Der riesige Bildschirm steht zwischen vielen Büchern. Zumindest visuell ist das analoge Angebot immer präsent. Ein Mädchen klappert durch die CDs und DVDs. Passend zu den Ferien hält die Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung Keßler eine VR-Brille bereit. Virtual-Reality-Spiele, ein Lockangebot, um die Hemmschwelle für skeptische Kinder und Jugendliche zu nehmen. Natürlich nutzen sie auch Social-Media-Kanäle. Mit stadtweitem Erfolg:
    "Also wir müssen sie ja erst einmal reinbekommen. Das Buch heute zieht nicht mehr. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Mit was kann man sie packen."
    Jeden Freitag veröffentlicht das Team ein "Happy bookfacefriday".
    "The best library ever" schreibt eine Nutzerin dazu auf Twitter. Selbst die gute alte Schnitzeljagd erlebt ihr Revival im Bürgerpalais - in sogenannten Rätselräumen: Escape-the-room. In einem verschlossenen Raum muss man schnell nacheinander Rätsel lösen, um wieder frei gelassen zu werden, ein Trend aus Asien, der sich rasant weltweit ausbreitet. Natürlich geht es dabei in Erlangen um Bücherrätsel.
    Recherche-fit, ein Angebot an Gymnasiasten der W-Seminare, wissenschaftlich richtig nach den wichtigen Inhalten zu suchen. Man wolle aber auf keinen Fall ein verlängerter Arm der Schulen sein, sondern ein Kooperationspartner, beteuert Keßler. Erst kürzlich ging der Digitale Salon 2018 zu Ende. Tobias Sack:
    "Da haben wir Veranstaltungen gehabt zu Bot-Netzen, was das überhaupt ist, wie Alexa funktioniert von Amazon, wie kann man sich digital schützen, wie erkennt man Fake News."
    Auf den richtigen Mix kommt es an
    Der Mix aus analog und digital, Event und Ruhe, eine Klammer zwischen den Generationen, das Zusammenführen von Menschen auch jenseits von Buchdeckeln, so dürfte die Bibliothek der Zukunft aussehen, meint Bibliotheksleiter Sack. Die Tendenz zu einer digitalen Bibliothek nur mit Bildschirmen, die sogenannte Hybridbibliothek, sei längst überholt.
    Doch vielleicht hat die Stadtbibliothek Erlangen einfach nur Glück. Durch die zahlreichen Siemens-Beschäftigten in der Stadt und die Universität gehören die rund 1.000 bis 2.000 Nutzer pro Tag eher zum Bildungsbürgertum. Die nicht immer nur online unterwegs sein wollen:
    "Ich finde es cooler - Bücher. Die hat man in der Hand, da kann man blättern, die kann man so lesen. Bei den E-Books muss man schauen, dann, wenn man irgendwohin muss, danach nimmt man das Handy wieder, dann weiß man nicht mehr wo man ist, dann muss man wieder blättern, das ist eher blöd."
    Per Smartphone nach Büchern suchen
    Die zehnjährige Lisa ist vor allem beeindruckt von der hauseigenen App mit Namen SB Erlangen. Darüber könne sie sogar nach Büchern suchen:
    "Da kann man seinen Ausweis registrieren, da sieht man, welche Bücher hat man noch da, da kann man sie verlängern. Wenn man wissen will, gibt es das Buch in der Bücherei, kann man das da eingeben, dann sieht man, da kann man den Titel, ein Stichwort oder die Autorin eingeben, gibt es das in der Fahrbibliothek, gibt es das gar nicht oder wo das steht."
    Tobias Sack scheint einen Nerv getroffen zu haben. Der Wunsch dieses Nutzers, was er sich von seiner Bibliothek wünscht, kommt dem sehr nah, was die Bibliothek sowieso geplant hat:
    "Ich finde die Bibliothek sehr gut, klar der Lesesaal könnte schöner gestaltet sein, so mit Sofas etwas gemütlicher, aber ansonsten ist für mich hier alles in Ordnung."
    Die kleine Leseratte Lisa sieht das ähnlich:
    "Vielleicht noch ein oder zwei Sessel oder Stühle hinstellen, dass man sich da mal hinsetzen kann und ins Buch reinlesen, ehe man es mitnimmt oder ein Buch lesen."