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Optogenetik
Künstliches Gewebe mit Licht gesteuert

Wenn die "Synthetischen Biologie" neues Leben präsentiert, wie zuletzt der Genforscher Craig Venter, dann geht es stets um Nachbauten natürlicher Organismen. Wissenschaftler der Universität Oxford haben jetzt synthetisches Gewebe hergestellt - das sich sogar mit Licht ein- und ausschalten lässt.

Von Michael Lange | 04.04.2016
    DNA-Strang
    Die DNA im Innern der Zellen lässt sich mit Licht von außen kontrollieren (imago/stock&people/Science Photo Library)
    In einer biologischen Zelle arbeiten tausende Proteine auf komplexe Art und Weise zusammen - gesteuert von Millionen oder Milliarden Informationsbausteinen auf dem Erbmolekül DNA. Mit diesem Chaos beschäftigen sich Molekularbiologen. Für Chemiker ist die Sache einfacher. Für sie sind Zellen kleine Säcke, gefüllt mit wässriger Lösung, umgeben von einer wasserabweisenden Lipidmembran. Nach diesem Prinzip hat ein Wissenschaftlerteam am Labor für chemische Forschung der Universität Oxford synthetische Zellen konstruiert, erklärt der Chemiker Michael Booth:
    "Meine synthetischen Zellen sind kleine Tröpfchen, umgeben von einer Membran aus Lipiden - wie bei natürlichen Zellen. Im Innern existiert nur eine minimale Funktion: Die Herstellung von Proteinen nach einem Bauplan aus DNA."
    Zellen ausdrucken mit dem 3D-Drucker
    Die Zellen aus dem Labor sind etwa fünf- bis zehnmal größer als ihre natürlichen Vorbilder und sehr viel primitiver. Die Wissenschaftler aus Oxford können die synthetischen Zellen einfach ausdrucken. Dazu haben sie einen speziellen 3D-Drucker entwickelt, der die verschiedene Zellen nebeneinander anordnet und so richtige Gewebe herstellen kann - wie wassergefüllte Ballons, die gemeinsam ein Wasserbett ergeben.
    Die Gewebe sind mehrere Millimeter groß und mit bloßem Auge gut zu sehen. Wie in der Biologie stehen die Zellen in diesem Gewebe miteinander in Kontakt.
    "Zum einen kommunizieren sie, indem sie kleine Moleküle von Zelle zu Zelle senden. Aber sie können auch elektrische Signale austauschen, wie in richtigen Nervenzellen. Wenn wir das Gewebe beleuchten, entsteht ein elektrisches Signal, das sich über das ganze synthetische Gewebe ausbreitet."
    Synthetisches Gewebe könnte mit lebenden Zellen in Kontakt treten
    Michael Booth hat nun zusätzlich einen Schalter in die synthetischen Zellen eingebaut. Wie in den lebendigen Vorbildern steuert ein so genannter Promotor die Aktivität des Erbmoleküls DNA. Der Schalter selbst reagiert auf Licht. Das heißt: Die DNA im Innern der Zellen lässt sich mit Licht von außen kontrollieren. Auch in der Biologie ist das mit Hilfe der so genannten Optogenetik möglich.
    Die Chemiker aus Oxford können nun also synthetische Zellen konstruieren, künstliches Gewebe in beliebiger Größe ausdrucken und dann mit Licht einschalten: Ausdrucken, Einschalten, fertig. Es handelt sich zwar nicht um naturähnliches Gewebe, aber es kann mit natürlichem Gewebe zusammenwirken und so im Körper eines Menschen verschiedene Aufgaben übernehmen.
    "Möglicherweise können wir das Gewebe einsetzen, um Wirkstoffe direkt in lebendes Gewebe zu bringen. Außerdem könnte unser synthetisches Gewebe in Kontakt treten mit lebenden Zellen, so dass sie bestimmte Botschaften erhalten. So wird es eventuell möglich sein, defekte Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn zu reparieren."
    Noch sei das reine Grundlagenforschung, betont Michael Booth, aber schon bald - da ist er sicher - werden Medizin und Pharmazie von den synthetischen Zellen der Chemiker profitieren.