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Ordensburg Vogelsang
Von der NS-Kaderschmiede zum Erinnerungsort

Die Ordensburg Vogelsang hatten die Nazis errichtet, um dort ihre politischen Führungskader auszubilden. Nach jahrelangem Umbau ist im Nationalpark Eifel das neue Besucherzentrum eröffnet worden. Kernstück ist eine neue Ausstellung mit dem Titel "Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen".

Von Henning Hübert | 12.09.2016
    Blick auf die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang mit dem Besucherzentrum und dem Forum für NS-Dokumentation am 06.09.2016 im Nationalpark Eifel in Schleiden.
    Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang im Nationalpark Eifel. (picture alliance / dpa - Rolf Vennenbernd)
    Minister der Landesregierung und 1.000 Ehrengäste strömen auf den Adlerhof zur Eröffnungsfeier. Darunter Helmut Morlok. Er war als Hitlerjunge während des Zweiten Weltkriegs hier einquartiert, wurde schon als Zwölfjähriger gedrillt, um ein guter Nationalsozialist zu werden:
    "Ich war 2,5 Jahre hier auf der Ordensburg als Schüler und hab einige Jahre nach dem Kriegsende gebraucht, um zur Besinnung zu kommen. Ein großes Glück war, dass ich Menschen getroffen habe, die mir ein anderes Weltbild, eine ganz andere Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben vermittelt haben. Im Gegensatz zu dieser fast Ausrichtung, Bestimmung zum Tod hin, wie sie hier stattfand. Und es war ein großes Geschenk für mich, dass ich dann in Auschwitz eine internationale Jugendbegegnungsstätte bauen durfte."
    Anders als in den Gedenkstätten der Konzentrations- und Vernichtungslager stehen auf Vogelsang die Täter im Fokus: Insgesamt erhielten hier rund 2.100 Karrieristen der NSDAP-Schulungen und Vorlesungen. Außerdem stählten sie ihren Körper durch Ausdauersport. Hinter den Mauern der von den Nazis im Heimatschutzstil errichteten riesigen Burg-Anlage Vogelsang lernten auch die künftigen Verwalter der Judenvernichtung. Und so heißt die neu konzipierte Dauerausstellung "Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordenburgen zwischen Faszination und Verbrechen". Die wissenschaftlichen Mitarbeiter empfehlen den Besuch erst ab einem Alter von zwölf Jahren. In der Herrenmensch-Ausstellung werden großformatige Fotos von Aufmärschen, Sportübungen und dem NS-Alltag auf Vogelsang gezeigt. Auch Burgkommandant Hans Dietel ist auf einer verrauschten Schallplattenaufnahme aus dem Jahr 1937 zu hören:
    "Große Menschen, Herrenmenschen, wie sie die Germanen nun einmal sind von Haus aus, sind nur dadurch zu demütigen, dass ich in ihnen das Kranke hochzüchte. Und dass ich eines Tages dafür sorge, dass das Kranke über das Gesunde triumphiert."
    Der Burgkommandant fiel 1941 auf Kreta. Zur Eröffnung in den Vogelsanger Adlerhof gekommen ist auch dessen Enkelsohn, der ebenfalls Hans Dietel heißt. In seiner Familie wurde die Nazivergangenheit jahrzehntelang verdrängt:
    "Hier hat mein Vater gestanden, mit meiner Frau und mir und hat da oben aufs Fenster gezeigt und gesagt: Da oben hab ich als Kind mit deinem Großvater gelebt. Mehr gibt es da nicht zu sagen. Es war so wie es war."
    Heute gibt der Enkel Seminare und hält Vorträge über die NS-Geschichte, unter anderem in der Gedenkstätte Buchenwald. Hans Dietel verweist auf Vogelsang in der Eifel als einen unbequemen, aber wichtigen Ort um die deutsche NS-Vergangenheit zu verstehen:
    "Wo sind denn die Täter hergekommen? Und ich versuche, zu sensibilisieren, drüber nachzudenken, dass es Orte gab, wo diese Täter bewusst geschaffen worden sind."
    "Bestimmung: Herrenmensch" – die neue Ausstellung erzählt dutzende solcher Biografien wie die seines Großvaters. Leuchtdioden zeigen auf einer riesigen Osteuropakarte, wo überall Ordensjunker für die NSDAP ihr Unwesen trieben. Künftig erwartet die Betreibergesellschaft auf Vogelsang 300.000 Besucher im Jahr. Die Gesamtkosten für die nicht unumstrittene Umgestaltung von Vogelsang waren enorm gestiegen – zuletzt auf 45 Millionen Euro. Für die Landeskulturministerin Christina Kampmann haben sich der Erhalt von Vogelsang gelohnt:
    "Für Nordrhein-Westfalen ist es einer der herausragenden Orte der Erinnerungskultur. Es ist ein wichtiger Ort für die außerschulische Bildung. Ein wichtiger Ort, um sich auch auseinanderzusetzen, was Demokratie heute bedeutet, was Freiheit und die Achtung der Menschenwürde bedeutet. Deshalb sind wir sehr froh, diesen Ort der außerschulischen Bildung hier zu haben."
    Ein Erinnerungsort, der aber auch den Staatsschutz beschäftigt. Wenn der Erkenntnisse hat, dass die Neonaziszene einen Ausflug in die Eifel plant, dann wird die Betreibergesellschaft gewarnt. Denn Vogelsang soll auf keinen Fall zum Pilgerort für Rechtsextreme werden.