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Organspende
Mehrheit im Ethikrat hält an Hirntodkonzept fest

Wann ist ein Mensch tot? Über diese Frage gab es - auch im Blick auf Organspenden - Diskussion. Der deutsche Ethikrat hat keine eindeutige Antwort gefunden, hält aber an seiner Position fest: mit dem Tod des Hirns sei auch der Mensch gestorben. Eine Minderheit ist anderer Meinung.

Von Gerhard Schröder | 24.02.2015
    Ein Mann in grüner OP-Kleidung trägt einen Styropor-Behälter für den Transport von Spenderorganen an einem Operationssaal vorbei.
    Ein Spenderorgan wird in einem keimfreien Behälter schnellstmöglichst in ein Transplantationszentrum zum Patienten transportiert. (dpa / Soeren Stache)
    Wann stirbt ein Mensch, wann ist er tot? Eine eindeutige Antwort auf diese fundamentale Frage hat der deutsche Ethikrat nicht gefunden. Die Mehrheit befand: Das Gehirn ist das zentrale Steuerungselement, wenn es stirbt, dann tritt der Tod ein, auch wenn die Körperfunktionen eine Zeit lang noch maschinell weiter betrieben werden können. Der Hamburger Rechtsprofessor Reinhard Merkel:
    "Einen solchen Organismus darf man mit guten ethischen Gründen für tot erklären, und damit den ganzen Menschen, dessen mentales Leben ebenfalls unumkehrbar erloschen ist."
    Für die Transplantationsmedizin ist diese Frage von entscheidender Bedeutung. Denn Organe dürfen nur entnommen werden, wenn der Tod eines Patienten eindeutig festgestellt wurde.
    "Nur wer dieses Kriterium als die Todesdefinierung anerkennt, kann die Fortsetzung der heutigen Praxis der Organtransplantation bejahen."
    Körperfunktionen, auch wenn das Hirn nicht mehr arbeitet
    Eine Minderheit im Ethikrat ist jedoch ganz anderer Meinung. Der Hirntod sei keineswegs ein hinreichender Nachweis des Todes. Der Körper sei durchaus noch in der Lage, gewisse Funktionen zu steuern, auch wenn das Gehirn nicht mehr arbeite, sagte der Kölner Jurist Wolfram Höfling und verwies auf Wundheilungsprozesse und die Möglichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft bei Hirntoten, wenn sie künstlich beatmet werden.
    "Es findet weiterhin eine koordinierte Tätigkeit verschiedener Systeme statt, alle ausgerichtet auf das Funktionieren des Körpers als eines Ganzen. Wenn das Lebendigsein als biologischer Organismus verlangt, ein Ganzes zu sein, das mehr ist als die Summe seiner Teile, so ließe sich kaum bestreiten, dass der Körper eines Patienten mit völligem Hirnversagen immer noch lebendig sein kann."
    Wenn das Hirn tot ist, ist Heilung ausgeschlossen
    Was aber bedeutet das für die Organentnahme? Müsste die dann nicht nach einem neuen Kriterium für den Tod suchen? Nein, sagt Höfling. Wenn das Hirn tot ist, dann ist Heilung ausgeschlossen und – nach geltendem Recht - ein Abbruch der medizinischen Behandlung geboten.
    "In dieser Situation erscheint es dann ethisch und verfassungsrechtlich legitim, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen für diese letzte Lebensphase auch darauf zu erstrecken, in eine Organentnahme einzuwilligen."
    Heißt also: Als Kriterium für die Organentnahme ist der Hirntod auch aus Sicht der Minderheit ausreichend. Der Jurist Merkel hat trotzdem Probleme mit dieser Haltung, denn damit werde der Grundsatz aufgegeben, dass nur von eindeutig für tot erklärten Menschen Organe entnommen werden dürften.
    Vertrauen in Organtransplantation stärken
    Trotz dieses Dissenses hofft der Ethikrat mit seiner Entschließung, eine breite öffentliche Debatte anzustoßen. Die könnte helfen, das Vertrauen in die Organtransplantation zu stärken, sagte Christiane Woopen, die Vorsitzende des Ethikrates:
    "Dieses Vertrauen ist so außerordentlich wichtig, und das wissen wir alle, weil das Überleben schwerkranker Menschen davon abhängt, das Menschen zur Spende ihrer Organe bereit sind."
    Die Organspenden sind jedoch seit Jahren rückläufig. Skandale in Transplantationszentren haben dazu beigetragen. Hier müsse gegengesteuert werden, durch mehr Transparenz in den Kliniken und bessere Aufklärung der Bevölkerung. Zumindest in dieser Frage war sich der Ethikrat einig.