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Oshos Erben

Tausende Menschen verfielen in den 1970er-Jahren der spirituellen Lehre des Inders Bhagwan, der sich später Osho nannte. Seine Praktiken wurden aber auch kritisiert und brachten ihm die Bezeichnung "Sex-Guru" ein. Nach dem Tod des Meisters hat sich vieles verändert.

Von Margarete Blümel | 22.02.2012
    "Die Bewegung von Bhagwan oder später dann Osho setzt sich sehr stark aus intellektuellen, gebildeten Kreisen zusammen. Und diese Eigenschaft teilt diese Bewegung mit einer ganzen Reihe von anderen religiösen Bewegungen, die in der gleichen Zeit entstanden sind","

    so der Religionswissenschaftler Prof. Frank Neubert von der Universität Bern. Anfang der 1970er Jahre wurden die westlichen Medien auf einen indischen Intellektuellen aufmerksam, der eine neue Glaubenslehre verkündete. Dieser Professor der Philosophie wurde später weltweit als Bhagwan bekannt. Seiner Lehre gemäß sollten seine Anhänger, die sogenannten Sannyasins, ihr Dasein als Ganzes annehmen und es in all seinen Facetten ausleben.

    ""Man schätzt, dass es in Deutschland in etwa dreißig-, vielleicht vierzigtausend initiierte Sannyasins gibt, die oft aus den gebildeten und besser verdienenden Schichten kommen. Inzwischen sind das hauptsächlich Leute mittleren oder fortgeschrittenen Alters, also Leute, die noch unter Osho selbst initiiert wurden."

    Oshos Lehre umfasst von ihm selbst entwickelte Meditationsformen und Therapietechniken aus der Humanistischen Psychologie. Außerdem vertrat Osho die Ansicht, dass jeder Mensch göttlicher Natur sei und durch Beschreiten eines eigenen Weges Erleuchtung erlangen könne. Ein übergeordnetes Gotteswesen gibt es seiner Überzeugung gemäß nicht.

    "Viele Praktiken waren direkt von Osho selbst oder in der Bewegung von Anfang an als therapeutische Praktiken angelegt. Also man legte viel Wert darauf, das nicht als Rituale bezeichnet zu wissen oder als religiöse Praxis, sondern tatsächlich als Therapietechnik. Es geht darum, selbst zur Erkenntnis zu gelangen, sich als Individuum auch religiös zu vervollkommnen."

    Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang eine von Osho entwickelte Meditationstechnik – die sogenannte "dynamische Meditation".

    "Die dynamische Meditation wird weiterhin recht häufig, soweit ich das sehen kann, durchgeführt. Allerdings ist das sehr weit aufgefächert inzwischen und es haben sich ganz verschiedene Meditationsformen herausgebildet, die eigentlich auf ähnlichen Prinzipien beruhen."

    In Oshos Lehre finden sich außerdem Elemente aus anderen klassischen Religionen und Philosophien wieder. Aus dem Mahayana-Buddhismus stammt der Begriff des "Buddhafeldes". Das Buddhafeld ist hier ein transzendenter, paradiesähnlicher Ort. Der Gläubige kann an diesem Ort Qualitäten entwickeln, die zu seiner Erlösung führen. Die Anhänger der Osho-Bewegung gehen davon aus, dass sich ein solches Buddhafeld in Gemeinschaft mit anderen Sannyasins aufbaut.

    Auch die Nutzung sexueller Energie zur Bewusstseinsentwicklung, die von Osho ausdrücklich befürwortet wurde, ist schon im klassischen Tantrismus zu finden. Und: Ebenso wie in der hinduistischen Karma-Lehre ist bei den Sannyasins der Tod nur eine Tür zu einer weiteren Existenz. Trotz dieser Gemeinsamkeiten mit klassischen indischen Religionen ist die Osho-Bewegung viel flexibler als andere neohinduistische Strömungen – wie etwa die Hare-Krishna-Bewegung.

    "Im Vergleich zur Hare-Krishna-Bewegung muss man sagen, dass die Osho-Bewegung viel moderner ausgerichtet ist. Das heißt, die Hare-Krishna-Bewegung ist sehr stark einem traditionell vishnuitischen Leitbild verpflichtet und folgt sehr stark diesen Traditionen. Wohingegen Bhagwan-Osho sich geöffnet hat und verschiedene Traditionen hat zusammenfließen lassen, mit Guruverehrung, aber auch mystische Einflüsse aus dem Islam und in ganz besonderer Weise die westlichen Ideen, die er selber aus der Philosophie mitgebracht hat."

    Vom Gesamtkonzept der Bewegung fühlten sich jedoch nur verhältnismäßig wenige Inder angesprochen.

    "Anzunehmen ist bei Bhagwan, dass es vor allem die Praktiken sind, gerade die sexuellen und sehr körperbetonten Praktiken, die er gepredigt hat und zu denen er seine Jünger angeleitet hat, die den kulturellen Normen in Indien sehr stark widersprochen haben."

    Trotz Oshos Tod im Jahr 1990 hält die Verehrung des Meisters die Bewegung nach wie vor zusammen. In den spirituellen Zentren der Gemeinschaft wird weiterhin der "Darshan" abgehalten, eine Feier zur Huldigung des Gurus.

    "Was wir heute beobachten: Dass wir sehr viele recht diffuse Bezüge auf die Person von Osho haben und auf diese lange Tradition. Und gleichzeitig haben wir ein relativ offenes, loses Netzwerk von Sannyasins. Aber dieses Netzwerk hat selbst eigentlich kein Oberhaupt und kennt auch keine zentralen Dogmen. Also wir haben ein eher privates Praktizieren und dazu sehr individuelle und sehr unterschiedliche Formen, die religiösen Praktiken von Bhagwan einzubeziehen in Therapieform."

    Auch die Aktivitäten im indischen Poona haben sich gewandelt. Aus dem Ashram ist das "Osho International Meditation Resort" geworden. Neben Meditationsangeboten gibt es mittlerweile Tennisplätze, Sauna und einen Swimmingpool zur Entspannung. Therapiegruppen aus der Gründungszeit des Ashrams, die in den Medien heftig kritisiert wurden und die Osho die Bezeichnung "Sex-Guru" einbrachten, existieren nicht mehr. Auch ist das Interesse der Medien an der Bewegung weitgehend erloschen.

    "Erklären lässt sich das sicherlich zum einen mit dem Tod von Osho. Mit dem Wegfall dieser wichtigen und provozierenden Persönlichkeit. Er ist derjenige, der in der Öffentlichkeit stand und der stark polarisiert hat. Und wenn diese Person sozusagen aus der Öffentlichkeit raus ist, ist viel von dem Interesse auch der Öffentlichkeit an dieser Bewegung mit verloren gegangen."