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Osmanen Germania
Ein ganz besonderer "Boxclub"

Die Osmanen Germania gelten als die am schnellsten anwachsende Rockerbande in Deutschland. Nach Behörden-Schätzungen hat sie rund 2.000 Mitglieder. Wie eng sind ihre Kontakte zur türkischen Regierung?

Von Alisah Handan | 18.01.2018
    Demonstranten in Westen mit Aufschrift "Osmanen Germania" und einer Türkeiflagge am 01. Juni 2016 in Berlin bei einer Demonstration gegen die Bundestagsresolution zum Völkermord in Armenien
    Wo die Osmanen Germania politisch stehen, zeigen immer wieder Mitglieder in der Öffentlichkeit, hier bei einer Demonstration gegen die von der Türkei ungeliebte Armenienresolution des deutschen Bundestags (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Am 8. Januar 2017 ereignete sich unweit von Aachen eine für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Szene: Auf der Autobahn A4 bei Düren in Nordrhein-Westfalen fielen zwei Schüsse auf ein fahrendes Auto. Das Ziel in dem beschossenen Fahrzeug war der Deutsch-Kurde Deniz Naki, ein bekannter regierungskritischer Fußballerspieler aus der Türkei.
    Soran Haldi Mizrak ist der Rechtsanwalt von Deniz Naki. Er und sein Mandant, so teilt der Anwalt mit, könnten sich durchaus vorstellen, dass hinter dem Attentatsversuch womöglich die sogenannten Osmanen Germania stecken. Die Staatsanwaltschaft Aachen ermittelt wegen versuchten Mordes derzeit in alle Richtungen.
    Die Osmanen Germania präsentieren sich gerne als ein Boxsportverein. Experten und Verfassungsschützer hingegen sehen in dieser Vereinigung eine Abspaltung der Hells-Angels-Rocker, mit dem Unterschied, dass die Osmanen Germania als Vertreter eines radikalen türkischen Nationalismus gelten. In einem ZDF-Interview äußerte sich Burkhard Freier, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen:
    "Gewalt spielt eine Rolle in dieser Organisation. Gleichzeitig haben sie aber auch eine politische Agenda. Sie stehen sehr nah an der türkischen Regierung, mit ihrer politisch nationalistischen Einstellung. Und sie agieren auch auf öffentlichen Demonstrationen, nehmen also teil. Sie sind auch im Vorfeld, oder auch im Umfeld von Organisationen als so etwas wie Veranstaltungsschützer tätig. Also beispielsweise bei der regierungsnahen Organisation UETD, einer türkischen Organisation."
    Treffen zwischen türkischer Regierung und Osmanen Germania
    Die Osmanen Germania also als Sicherheitsdienstleister für die Union Europäisch-Türkischer Demokraten, kurz UETD, die viele als wichtigste AKP-Lobbyorganisation in Deutschland und Europa sehen. Auf die Äußerungen von Burkhard Freier und den ZDF-Beitrag reagierte die UETD empfindlich. Sie veröffentlichte einen Beschwerdebrief, gerichtet an den ZDF-Fernsehrat. Darin heißt es, die Behauptung, die UETD sei Teil eines Netzwerkes, die unter anderem mit Gruppierungen wie der Osmanen Germania kooperiere, sei eine Verunglimpfung, mit der Absicht, die UETD an den Rand der Legalität zu drängen.
    Doch die Hinweise auf Verbindungen zwischen der UETD und den Osmanen Germania sind vielfältig. Eine große Rolle spielt unter anderem die Personalie Metin Külünk. Der Vertraute von Präsident Erdogan ist für viele Deutschtürken, die sich auf den unterschiedlichsten Ebenen in den Reihen der UETD für die Sache der AKP engagieren eine Respektsperson. Noch einmal Burkhard Freier:
    "Auf der anderen Seite haben wir Erkenntnisse, dass es Begegnungen gibt zwischen türkischen Regierungsorganen und der Führung der Osmanen Germania. Und es gibt Erkenntnisse, dass sie sich getroffen haben, zum einen mit Herrn Külünk. Das ist ein Abgeordneter der türkischen Regierungspartei, der den Auftrag hat, im Ausland lebende Türken zu verbinden mit der türkischen Regierung."
    Külünk hat maßgeblich dafür Sorge getragen, dass sich die UETD und weitere regierungsnahe Organisationen in Deutschland überhaupt flächendeckend etablieren konnten. Ausgehend von der Einschätzung des Verfassungsschutzes geht der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) so weit, zu schlussfolgern, dass "türkische Behörden die Aktivitäten der Osmanen Germania BC in Deutschland als "Terrorbekämpfung" bewertet – also gegen die PKK, linksextremistische Türken und die Gülen-Bewegung gerichtet – und dies unterstützt."
    Kutte, Bargeld, Waffen und andere sichergestellte Gegenstände, vorgeführt beim LKA Baden-Württemberg nach einer Razzia beim Box-Club "Osmanen Germania" am 27. März 2017, bei der auch sieben Personen festgenommen wurden
    Ein Szenebeobachter sagt, die Osmanen Germania unterschieden sich nicht von bekannten kriminellen Vereinigungen. Sichergestellte Gegenstände nach einer Razzia im März 2017. (picture alliance / dpa / Khang Nguyen)
    Gazi Pascha, ein Beobachter der Szene gibt Einblicke in die Arbeitsweise der Osmanen Germania. Um seine Sicherheit nicht zu gefährden, will er seinen tatsächlichen Namen nicht im Radio hören.
    "Die Osmanen Germania treiben Geld mit Drogen, Erpressung, Prostitution und dergleichen ein. Sie unterscheiden sich darin keinesfalls von bekannten kriminellen Gruppierungen. Zwar sind bislang keine Straftaten bekannt, aber niemanden würde es wundern, wenn es demnächst mal irgendwo knallt."
    Zudem verweist Pascha darauf, dass durch die Brandanschläge 1992 in Mölln und 1993 in Solingen und die Morde der NSU-Terrorgruppe unter Deutschtürken das Misstrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden gewachsen sei. Hinzu kämen die Armenienresolution des Bundestages und der aus Sicht vieler Deutschtürken zu lasche Umgang der deutschen Behörden mit in Deutschland lebenden Mitgliedern der Terrororganisation PKK. Davon profitierten die Osmanen Germania, ist sich Pascha sicher.
    "Das alles hat dazu beigetragen, dass der türkische Nationalismus hier in diesen Kreisen sehr aktiv die Reihen geschlossen hat. Daraus haben Straftäter Profit geschlagen, indem sie sich angeblich gegen das ganze Unrecht stellen und sich mit türkischem Nationalismus brüsten."
    Moralische Unterstützung aus der Heimat
    Aus Sicht von Gazi Pascha pflegt die türkische Regierung Kontakte zu den Osmanen Germania, um den in Deutschland lebenden Türken ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln:
    "Vertreter der türkischen Regierung nutzen das aus, indem sie den Eindruck vermitteln, 'Wir lassen euch nicht im Stich!' – Dann wird ein Wink auf die AfD und die Pegida-Bewegung gemacht: 'Wenn der Rechtsextremismus in Deutschland weiter grassieren sollte, wenn er ansteigen sollte – wir sind bereit!'. Es geht darum, der türkischen Diaspora zu vermitteln: 'Seht her, diese Option haben wir auch, und wenn es sein muss, beschützen wir euch in Deutschland auch auf diese Weise!'."
    Metin Külünk wiederum, dessen Kontakte zu Mitgliedern der Osmanen Germania auch dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz aufgefallen sind, kommt seit über einem Jahr nicht mehr nach Deutschland. Ob das als Abbruch mutmaßlicher Verbindungen zwischen türkischen Regierungsvertretern und den Osmanen Germania zu verstehen ist, lässt sich derzeit schwer beurteilen.