Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Ost-Ukraine
Journalisten werden bedroht

Die Separatisten in der Ost-Ukraine terrorisieren immer häufiger kritische Journalisten. Einem Chefredakteur wurde das Auto angezündet, mehrere Journalisten haben die Stadt Donezk bereits verlassen. Die Polizei verharmlost die Übergriffe.

Florian Kellermann | 09.05.2014
    Roman Lazorenko arbeitet nicht mehr in seinem Büro, er trifft sich mit Informanten nur noch in Restaurants und arbeitet von zuhause aus. In der Redaktion ist es für den Chefredakteur der Internetseite "62.ua" inzwischen zu gefährlich.
    "Vor ein paar Tagen, es war gegen vier Uhr am Nachmittag, sind plötzlich acht Männer in der Redaktion aufgetaucht, alle bis auf einen im Tarnanzug und mit schusssicherer Weste. Einer hatte einen Baseball-Schläger dabei. Sie stellten sich als Vertreter der Volksrepublik Donezk vor. Noch bevor sie den Eingang blockieren konnten, ist eine Journalistin entwischt, sie konnte die Polizei informieren."
    Die Männer gaben deutlich zu verstehen, dass sie künftig eine andere Berichterstattung über ihre Bewegung wünschten. Die Begriffe "Terroristen" und auch "Separatisten" sollten künftig verboten sein, dafür hätten die Journalisten "Aktivisten" oder "Protestteilnehmer" zu schreiben. Außerdem, so verlangten sie, sollte überhaupt jede Veröffentlichung über sie mit ihnen abgestimmt werden. Schließlich wollten sie noch, dass "62.ua" ein Spendenkonto für die Donezker Volksrepublik veröffentlicht.
    Forderungen nicht erfüllt
    Roman Lazorenko ging natürlich nicht auf die Forderungen ein - sie hätten den Tod der Internetzeitung als kritisches Medium bedeutet. Dabei geht "62.ua" - im Gegensatz zu anderen Donezker Medien - noch relativ behutsam mit den Separatisten um. Die Redaktion veröffentlichte viele Interviews mit ihren Vertretern, ohne sie dabei bloßzustellen.
    "Manche von denen, die jeden Tag im besetzten Gebäude der Bezirksverwaltung verbringen, meinen es ja wirklich ernst, vor allem die Älteren. Sie sehnen sich nicht so sehr nach Russland, als vielmehr nach der Sowjetunion, nach ihrer Jugend! Wir versuchen, sie zu verstehen, obwohl sie oft selbst nicht wissen, was sie eigentlich wollen."
    Andere Journalisten mussten Donezk schon verlassen. Dem Chefredakteur der bekanntesten Internetzeitung "Novosti Donbassa" zündeten Unbekannte das Auto an und zerstörten es. Die Lokalzeitung im von Separatisten kontrollierten Slowjansk musste ihr Erscheinen ganz einstellen. Und in Horliwka stahlen sie die gesamte Auflage einer Zeitung. Sie zwangen das Lieferfahrzeug des Verlags zum Anhalten, luden die Zeitungen in ihren Wagen und vernichteten sie später.
    Polizei sieht Baseballschläger als Sportgerät - nicht als Waffe
    Das Vorgehen der Separatisten gegen Journalisten ist nur ein kleiner, vergleichsweise harmloser Teil des Terrors, den sie gegen Andersdenkende ausüben. So seien sie vor Kurzem in das Donezker Büro der Partei "Udar" von Vitalij Klitschko eingedrungen, sagt Serhij Popow, Sprecher der Donezker Organisation "Kommitee für patriotische Kräfte", der auch Udar angehört.
    "Drei Männer mit Maschinengewehren drangen in das Gebäude ein und brachen die Türe zum Büro heraus. Sie zerstörten alle Computer und übergossen die Möbel mit Farbe. Ich selbst habe auch schon viele Drohungen bekommen. Ich will aber hier in Donezk bleiben!"
    Dabei haben die Separatisten schon zwei Aktivisten vom Komitee für patriotische Kräfte festgenommen und gefoltert. Sie wollten Informationen über ihre Gegner erpressen. Und die Polizei? Im Fall der Internetzeitung "62.ua" kam sie tatsächlich zur Redaktion, als sich dort noch die Eindringlinge befanden. Roman Lazorenko:
    "Sie haben sich nett mit den Separatisten unterhalten und sie entlassen. Schließlich sei doch nichts passiert sei. Der Baseballschlager sei ein Sportgerät und keine Waffe. Erst als viele unserer Kollegen über den Vorfall berichteten, kamen Ermittler und haben uns befragt. Ich glaube allerdings nicht, dass dabei viel herauskommt."
    Denn in der Polizei gibt es viele, die mit den Separatisten sympathisieren - sei es aus Überzeugung - oder, weil sie glauben, dass Beamte in Russland deutlich mehr Geld verdienen.