Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Ost-Ukraine
Warum die Waffenruhe nicht hält

Vor zweieinhalb Jahren wurde das Minsker Abkommen vereinbart, um Ruhe in den Konflikt um die Ost-Ukraine zu bringen. Doch wird der vereinbarte Waffenstillstand immer wieder gebrochen - von ukrainischer und von russischer Seite.

Von Markus Sambale | 28.07.2017
    Ein Kämpfer des ukrainischen Rechten Sektors steht in einem beschädigten Gebäude in Awdijiwka.
    Wie kann man die Kämpfe in der Ost-Ukraine beruhigen? Mancher zuckt auf diese schwierige Frage mit den Achseln. Staatschefs Merkel, Putin und Macron bei ihrem Ukraine-Dreiergespräch Anfang Juli. (dpa-Bildfunk / AP / Evgeniy Maloletka)
    Selbst erfahrene Diplomaten geraten ins Schleudern – wenn sie nachzählen, wie viele Feuerpausen für die Ost-Ukraine schon beschlossen und dann wieder gebrochen wurden. Es ist der immer gleiche Zyklus: Die Konfliktparteien vereinbaren eine Waffenruhe, die Gewalt geht vorübergehend zurück – und flammt dann wieder auf. Eine ständige Ungewissheit und Gefahr, in der Zehntausende Menschen direkt an der Frontlinie leben. Für den Vizechef der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, liegen die Gründe auf der Hand:
    "Die Ursachen für die anhaltenden Kämpfe sind klar: Schwere Waffen befinden sich in Gebieten, in denen sie nicht sein dürfen. Außerdem stehen sich die bewaffneten Milizen und die ukrainischen Truppen zu eng gegenüber. Eigentlich sehen die Minsker Vereinbarungen Maßnahmen vor, um diese beiden Hauptursachen zu beseitigen."
    Waffenruhe-Abkommen seit 2015 immer wieder gebrochen
    Seit zweieinhalb Jahren existiert das Minsker Abkommen, das der Region den Frieden bringen sollte. Ein Dokument, auf das sich Ukrainer und Russen geeinigt hatten – in einer dramatischen Verhandlungsnacht in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Vermittelt von Deutschland und Frankreich.
    In dieser Konstellation wurde seitdem regelmäßig verhandelt – erst am Montag telefonierten die Staats- und Regierungschefs wieder. Das Fazit ist aber stets mager: Es gilt schon als Erfolg, dass weitere Eskalationen verhindert werden. Der ukrainische Journalist Dmytro Hordon macht sich keine Illusionen:
    "Ich glaube nicht an das Minsker Format. Ich glaube nicht an etwas, das so lange ohne Erfolg weitergeführt wird. Im Donbass sterben nämlich trotzdem junge Männer. Die Zahl der frischen Gräber in der Ukraine wächst stetig."
    Mehr als 10.000 Tote - Parteien beschuldigen sich gegenseitig
    Mehr als 10.000 Menschen wurden bislang getötet - in diesem Krieg mitten in Europa. Vor allem Soldaten und Kämpfer, aber auch immer wieder Zivilisten: Männer, Frauen und Kinder.
    Doch warum lassen die Konfliktparteien ihre Waffen nicht schweigen? Die ukrainische Regierung macht die russische als Aggressor verantwortlich. Die Milizen, die von Russland finanziert und unterstützt werden, hätten das Ziel, den Donbass instabil zu halten und damit politische Fortschritte in der Ukraine insgesamt zu verhindern, so der Vorwurf aus Kiew. Präsident Poroschenko sagte kürzlich:
    "Wir können und werden nicht zuschauen, wie die Minsker Vereinbarungen brutal verletzt werden. Auf jeden Tod eines ukrainischen Helden müssen ernste Reaktionen folgen."
    Deeskalation könnte auch am ukrainischen Parlament scheitern
    Doch auch ukrainische Soldaten brechen immer wieder die Waffenruhe, wie die OSZE dokumentiert. Solange die Gewalt anhält, sind alle politischen Lösungen in weiter Ferne. Mancher vermutet, dass dies auch der ukrainischen Regierung recht ist. Die könnte nämlich den vereinbarten Autonomie-Status für den Donbass und die Wahlen dort kaum durchsetzen, der Widerstand im ukrainischen Parlament ist zu groß.
    Bis heute haben sich viele Ukrainer nicht mit den Zugeständnissen abgefunden, die ihre Führung 2015 in Minsk gemacht hat - angesichts der damaligen militärischen Übermacht von moskautreuen Milizen und russischen Truppen.
    Noch ein Unsicherheitsfaktor: US-Präsident Trump
    Aktuell kommt ein weiterer Unsicherheitsfaktor ins Spiel: US-Präsident Trump. Anfangs war in Kiew die Sorge groß, Trump könne mit Wladimir Putin einen Deal machen - zulasten der Ukrainer. Doch zuletzt mehrten sich Zeichen, dass die US-Regierung den Kurs gegen Moskau sogar noch verschärfen könnte. Der US-Sondergesandter Kurt Volker brachte Waffenlieferungen an die Ukraine ins Gespräch:
    "Das ist kein eingefrorener Konflikt, sondern ein heißer Krieg. Der Preis ist sehr hoch, es gibt viele menschliche Tragödien: Das ist eine schreckliche Tragödie, die wirklich gestoppt werden muss."
    Dass noch mehr Waffen der Region Frieden bringen, ist allerdings nicht zu erwarten. Schon jetzt tun die Konfliktparteien zu wenig für einen Frieden in der Ost-Ukraine.