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Konjunktur
Wirtschaftsweise blicken pessimistischer ins Jahr

Das Wachstum in Deutschland verliert an Fahrt. Die fünf Top-Ökonomen der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute preisen die aktuelle Schwäche der Weltwirtschaft ein und korrigieren ihre Prognose leicht nach unten. Als Alarmzeichen wollen sie das aber nicht verstanden wissen.

Von Stefan Wolff | 23.03.2016
    Zahlreiche Euro-Banknoten und Euromünzen, aufgenommen am 03.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen).
    Der Konsum soll auch weiterhin der treibende Motor der deutschen Konjunktur bleiben. (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Die Flüchtlingskrise, der fallende Ölpreis, Turbulenzen an den Finanzmärkten und die erneut gesunkenen Leitzinsen haben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert und damit auch den Blick der Wirtschaftsweisen auf die Wirtschaft.
    Für das laufende Jahr rechnet der Sachverständigenrat nur noch mit 1,5 Prozent Wachstum in Deutschland. 2017 soll die Wirtschaft um 1,6 Prozent wachsen. Hauptgrund dafür ist die sich abkühlende Weltwirtschaft. So dürfte die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr nur noch um 6,3 Prozent wachsen. Auch andere aufstrebende Volkswirtschaften sehen die Wirtschaftsweisen unter Druck. Im Euroraum stehen die Zeichen dagegen auf Wachstum.
    Die leicht abgeschwächte Prognose wollen die Professoren nicht als Alarmruf verstanden wissen. Der Aufschwung bleibe weitgehend intakt, sagt Volker Wieland, der Vorsitzende des Sachverständigenrats:
    "Im Augenblick sind die Rahmenbedingungen gut. Es gibt Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur. Allein das außenwirtschaftliche Umfeld hat sich leicht verschlechtert. "
    Konsum trägt Wachstum
    Der Konsum soll auch weiterhin der treibende Motor der deutschen Konjunktur bleiben und weitgehend eventuelle Einbußen aus dem Exportgeschäft ausgleichen. Wachsende Einkommen und ein robuster Arbeitsmarkt sind hier die Basis. Allerdings: Die Zahl der Arbeitslosen wird nach Ansicht der Experten steigen und über kurz oder lang an der Drei-Millionen-Marke kratzen. Das liegt unter anderem daran, dass anerkannte Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen. Volker Wieland warnt aber vor Panikmache:
    "Es wird einerseits eine lange Zeit dauern, bis tatsächlich das Phänomen auf unserem Arbeitsmarkt ankommt. Zweitens: Viele von denen, die bei uns in den Arbeitsmarkt einsteigen, werden am Anfang nicht erfolgreich sein. Nichtsdestoweniger gibt es da gewisse Spielräume, auch durch gelungene Integrationspolitik, Beschäftigung hoch und Arbeitslosigkeit klein zu halten. Drittens erscheinen die Zusatzausgaben ohne neue Schulden und Steuern finanzierbar."
    Grenzkontrollen schaden Wirtschaft
    Zu einer weit größeren Belastung für die Wirtschaft könnten sich die wieder eingeführten Grenzkontrollen in Europa entwickeln. Würden diese ausgeweitet, sei der Schaden für den Handel noch nicht abschätzbar, heißt es in dem Gutachten.
    Als zweite große Unbekannte nennen die Wirtschaftsweisen einen möglichen, aber aus ihrer Sicht nicht sehr wahrscheinlichen, Austritt Großbritannien aus der Europäischen Union. In den Wachstumsprognosen spielt der "Brexit" jedenfalls keine Rolle.
    Die Inflation bleibt den Vorhersagen zufolge niedrig, in Deutschland bei 0,3 Prozent. Im kommenden Jahr allerdings sollen die Verbraucherpreise wieder anziehen - auf 1,4 Prozent. Damit dürfte sich die Teuerungsrate den Zielvorstellungen der Europäischen Zentralbank annähern - aber nur, wenn die Ölpreise wieder steigen.
    Schwache Inflation und niedrige Zinsen wären ein ideales Umfeld für Investitionen. Der Sachverständige Peter Bofinger warb deshalb dafür, dass der Bund seine Ausgaben ausweiten möge:
    "Wenn die Renditen der Investitionen deutlich höher sind als der Zinssatz, den man dafür bezahlen muss, dann ist es aus meiner Sicht ökonomisch nicht sinnvoll, diese Spielräume nicht zu nutzen. Und man muss ja auch sehen, wenn man die Probleme des deutschen Sparers sieht, dass eben einfach keine Schuldner da sind. Von daher würde eine vernünftige Neuverschuldung des Staates einen Beitrag dazu liefern, dass der deutsche Sparer wieder mehr Zinsen bekäme."
    Doch über die Ausgabenpolitik des Staats sind die die Wirtschaftsweisen naturgemäß uneins. Deutschland erfülle in dieser Hinsicht eine gewisse Vorbildfunktion, hieß es.