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Osteuropäer am Internetpranger

Wieder einmal sorgt der Rechtspopulist Geert Wilders für Ärger in der Europäischen Union: Auf einer von ihm betriebenen Internetseite können Niederländer ihre Klagen über osteuropäische Migranten loswerden. 40.000 Meldungen seien bereits eingegangen.

Von Kerstin Schweighöfer | 17.02.2012
    "Geert Wilders will doch bloß wieder mal alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Darin ist er ein Meister. Deshalb sollte man dem Ganzen möglichst wenig Beachtung schenken!" "Die Initiative ist gut, Wilders hat recht, die Vorurteile über Polen stimmen, mir wurde von denen auch schon einmal ein Rad geklaut. Natürlich ist das diskriminierend, aber es geht um eine große Gruppe von Menschen, die Probleme verursachen. Dieser Tatsache müssen wir endlich ins Auge sehen!"

    Nicht alle Niederländer verurteilen die umstrittene Website von Geert Wilders und seiner rechtspopulistischen Partei für die Freiheit PVV: Darauf werden die Wähler aufgerufen, alle Klagen über Arbeitsimmigranten aus den mittel- und osteuropäischen Ländern zu melden. Auf diese Weise will Wilders die Schattenseiten dieser Arbeitsimmigration aufweisen und dafür sorgen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Niederländer davor zu schützen.

    Auf seiner Website stehen fünf Kategorien zur Wahl: Lärm und Ruhestörung, Parkplatzprobleme, Trunkenheit, Verwahrlosung sowie "Anderes". Melden soll sich auch, wer seinen Job an einen Polen, Bulgaren oder Rumänen verloren hat. Am oberen Rand der Website erscheinen abwechselnd Negativschlagzeilen von Zeitungsartikeln über kriminelle osteuropäische Banden, die Autos stehlen und Einbrüche verüben.

    40.000 Klagen seien bereits eingegangen, so der zuständige PVV-Abgeordnete Ino van Besselaer. Sie sollen inventarisiert und analysiert werden. Das Ergebnis will die PVV dann dem niederländischen Minister für Soziales und Arbeit überreichen.

    Die Zahl der Arbeitsimmigranten aus Mittel- und Osteuropa hat sich seit der Öffnung des Arbeitsmarktes vor fünf Jahren verdoppelt auf derzeit rund 200.000. Auf diesen Zustrom waren die Niederlande nicht vorbereitet. Viele der neuen Gastarbeiter werden ausgebeutet, arbeiten zu Niedrigstlöhnen und leben zusammengepfercht auf engstem Raum, für den sie Wuchermieten zahlen.

    Die weitaus meisten Osteuropäer stehen in den Treibhäusern oder verrichten andere Arbeiten, für die sich selbst niederländische Sozialhilfeempfänger zu schade sind. Experten zufolge haben die Niederländer die Wettbewerbsfähigkeit ihres Garten- und Landbaus inzwischen Osteuropa zu verdanken.

    Auf anderen Sektoren jedoch wie etwa dem Bau wurden die Niederländer vom Arbeitsmarkt verdrängt: Wer sein Haus renovieren lassen will, zahlt bei einem polnischen Handwerker nur 22 Euro Stundenlohn statt 42. Das hat für böses Blut gesorgt, muss auch der Fraktionsvorsitzende der niederländischen Sozialisten Emile Roemer zugeben:

    "So manch einer hat dadurch seinen Job verloren, das Kabinett hat es versäumt, daran etwas zu tun. Das stimmt. Aber so wie die PVV dieses Problem nun lösen will, geht eindeutig zu weit!"

    Das finden auch die überregionalen Zeitungen wie "Volkskrant" oder "NRC Handelsblad", die in diesen Tagen seitenweise osteuropäische Gastarbeiter zu Wort kommen lassen. Die niederländische EU-Kommissarin Neelie Kroes schlug vor, auch eine Meldestelle gegen Blondinen ins Leben zu rufen: "Hat blondes Haar Sie auch schon immer gestört? Dann prangern Sie blond an!" twitterte Kroes aus Brüssel. In einem offenen Brief haben zehn Botschafter der betroffenen Länder Den Haag aufgefordert, sich von der Website zu distanzieren. Und niederländische Unternehmer machen sich Sorgen um ihren Umsatz: Fast 23 Milliarden Euro haben sie allein in Polen investiert.

    "Unser guter Ruf im Ausland ist bedroht","

    warnt auch der ehemalige Außenminister Ben Bot. Premier Rutte täte gut daran, sich von der Website zu distanzieren. Der jedoch weigert sich und übt sich stattdessen krampfhaft im Spagat.

    ""Erstens ist die Website eine PVV-Initiative, mit der die niederländische Regierung nichts zu tun hat. Zweitens will ich die PVV einfach nicht zu wichtig machen."

    Es sei einfach unklug, sich immer sofort auf jedes neue Stückchen rohes Fleisch zu stürzen, das Wilders in die politische Arena werfe. Wilders selbst gibt vor, die ganze Aufregung nicht verstehen zu können.

    "Meine Website ist fantastisch, der Brief der Botschafter ist Papierverschwendung."

    Und ja, dass sich die ganze Welt einmische und auf ihn stürze:

    "Ach’, wen kümmert’s."