Donnerstag, 18. April 2024

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Ostfriesischer Sensationsfund

Italien ist neben Frankreich die Heimat vieler Trüffel, die zu den teuersten Pilzarten überhaupt zählen. Einige dieser Trüffel sind giftig, wenn auch nicht tödlich, andere kommen relativ häufig vor und sind wiederum kostengünstiger, und andere sind überaus wertvoll - wie zum Beispiel die weiße Trüffel aus Piemont, die einen sehr intensiven Duft verbreitet und deshalb nur roh über Speisen gehobelt wird. Die Botanik der Trüffel ist eine noch vergleichsweise junge Wissenschaft, werden doch erst seit zirka hundertfünfzig Jahren Studien über die Trüffel angestellt. Doch eins war bisher immer klar, in Deutschland sind sie aufgrund des eher rauhen Klimas wenig verbreitet, und wenn überhaupt, dann nur südlich von Frankfurt. Eine weiße Trüffel in Ostfriesland könnte die Botanik der Trüffel nun auf den Kopf stellen.

Von Joachim Reinshagen | 17.08.2004
    Der Hobbygärtner traute seinen Augen kaum, als er beim Buddeln im Garten eine merkwürdige, verschrumpelte Knolle entdeckte. Denn Kartoffeln hatte der Mann an dieser Stelle gar nicht angebaut, erzählt Emdens Stadtsprecher Eduard Dinkela:

    Er stutzte zunächst einmal und hat sich gefragt, mein Gott, was ist das für ein kartoffelähnliches Gebilde, was ich da in der Hand habe und das hat eben seine Neugier hervorgerufen und daraufhin hat er dann das Veterinäramt in Emden angerufen. Und die haben sich dann getroffen und da wurde schon die Vermutung geäußert, das könnte wohl ein Trüffel sein.

    Das Amt schickte den Edelpilz weiter zum Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nach Oldenburg. Aber auch hier konnten die Mitarbeiter die Trüffelart nicht genau bestimmen. Erst der Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und Mitarbeiter der Roten Liste Niedersachsens, Georg Müller, hatte den richtigen Riecher. Und spricht von einem sensationellen Fund:

    Die Trüffel ist die weiße Trüffel, Tuber borchii, eine äußerst seltene Art und überhaupt in Deutschland, hier bei uns überhaupt noch nie gefunden. Die Trüffel sieht ähnlich aus wie eine zerklüftete Kartoffel, etwa 3 bis 6 Zentimeter groß. Wenn man sie durchschneidet erinnert sie an sehniges Fleisch. Sie ist also mit weißen Adern durchzogen und der Schnitt ist etwa fleisch-braun.

    Vermutlich ist die Trüffel über Sporen durch die Luft nach Ostfriesland übertragen worden und traf in Emden auf fruchtbaren Boden und günstige klimatische Bedingungen. Pilzexperte Georg Müller beobachtet schon seit längerem, dass sich Pilze aus südlicheren Regionen immer häufiger auch im hohen Norden ansiedeln:

    Wir bemerken ja schon seit Jahren, dass sich die Pilz-Areal-Grenzen immer weiter zum Norden hin verschieben. Und das liegt an der allgemeinen Klimaveränderung, die wir hier haben und es wird immer wärmer hier bei uns, daher kommen die mediterranen Pilz- und Pflanzenarten immer mehr in den Norden hinein. Es ist also so, vielleicht werden wir in 20 oder 30 Jahren sagen, wir gehen nicht Trüffel suchen nach Nordfrankreich oder Norditalien, sondern wir gehen zum Trüffel suchen an die Nordsee.

    Weil Pilze schnell auf Temperaturschwankungen oder ph-Wert-Veränderungen im Boden reagieren, sind sie für Pilzexperte Müller die Seismographen für weitreichende Klimaveränderungen in Europa:

    Sie zeigen uns früher als es zum Beispiel Tieren möglich ist oder auch Pflanzen möglich ist, Umweltveränderungen auf. Und zwar starke, gravierende Umweltveränderungen auf. Und während wir Menschen gar nicht spüren, dass es im Jahresmittel zum Beispiel ein viertel oder ein halbes Grad das Klima wärmer geworden ist, spüren es Pilze sofort.

    Mittlerweile hat sich das Klima also so weit geändert, dass Trüffel auch im hohen Norden wachsen können. Und auch wenn es sich nach Ansicht von Georg Müller in Ostfriesland um einen einmaligen Fund handelt. Den genauen Entdeckungsort und den Namen des Finders wollen er und der Sprecher der Stadt Emden, Eduard Dinkela, nicht verraten. Denn erstens steht der seltene Edel-Pilz unter der Bundes-Artenschutzverordnung und zweitens sollen keine neugierigen Trüffel-Touristen angelockt werden. Nur soviel: Auf dem Mittagstisch des Entdeckers landete der exklusive Delikatessen-Pilz nicht, dennoch war er natürlich mächtig stolz auf seine außergewöhnlichen Garten-Fund. Eduard Dinkela:

    Das ist natürlich was besonders, was man sonst nur aus Urlaubsgeschichten oder Fernsehbeiträgen aus Frankreich kennt, wo also Bauern mit ihren Hausschweinen losgehen und in den Esskastanienwäldern nach Trüffeln suchen und auch Preise gezahlt werden, die ins Utopische gehen. Und so was dann ist Ostfriesland zu finden ist dann schon etwas einzigartiges.