Die literarische Haltung, die Rosenlöcher einnimmt, heißt Verniedlichung. Er verniedlicht sich selbst, taucht in ein schweijksches Rollenspiel ab und gibt vor, sich am Äußersten Rand des gesellschaftlich Wahrnehmbaren zu bewegen. Dabei befindet er sich mittendrin. Seine Beobachtungen, in glänzende Formulierungen gebannt, erzählen so viel vom gezweiten Deutschland im achten Jahr seiner Ehe, daß man sie getrost der "Bundeszentrale für politische Bildung" anempfehlen möchte: Aufklärung ohne Pathos. "Wann je", fragt er schelmisch, "wäre jemand mit soviel Zartgefühl absorbiert worden wie wir?" Und diese Absorbierung kam ja nicht ungewollt. Wer nie sein Brot mit Tränen aß, heißt ins Ostdeutsche gewendet: Wer sich nie nach einer Banane verzehrte. Also spürt Rosenlöcher der "Seelenkahlheit" nach, die nach zermürbender Warterei durch "den Totalverlust einer Banane im Menschen" entsteht, wenn die letzte gelbe Frucht an den Vordermann geht. Das Klischee hat ein Recht darauf, ernstgenommen und als echte Kränkung behandelt zu werden; ein Bravourstück der Selbstbefragung.
Ganz anders, schmerzlicher und dennoch von melancholischem Witz, das Kapitel "Nickmechanismus". Am eigenen Beispiel wird die "Abnickgesellschaft" DDR seziert, jener "Staatsapparat mit zwölfbändiger Weltanschauung", in dem jedes Nein von vorneherein verdächtig war - bis schließlich die gesamte Bevölkerung einnickte, schläfrig geworden auf unzähligen Versammlungen ohne Debatte. Zum heldenmütigen Neinsager mag Rosenlöcher sich nicht stilisieren - bis auf den entscheidenden Moment, als die Herren von der "Firma" dagewesen sind. Da hat er mit Hilfe seine Frau mehrfach widerstanden und geradegebügelt, was ein allzu eifriges Ja in der Biographie an Kompromittierendem hinterließ. Aber ist es wirklich kompromittierend, SED-Mitglied gewesen zu sein, wenn man des Nachts staatsferne Lyrik betrieb? Die Antwort bleibt dem Leser überlassen, bei dem sich Thomas Rosenlöcher bis zu dieser Seitenzahl so viele Meriten erworben hat, daß der Freispruch wohl kaum auf sich warten läßt. Zetern kann nervtötend selbstgefällig sein - wenn es sich, wie hier, mit dem unbedingten Willen zur Aufrichtigkeit verbindet, ist es Musik in den Ohren der Welt.