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Ostukraine
Gewalt gegen protestantische Pfingstler

Für die Pfingstlergemeinde, seit 1947 im Osten der Ukraine ansässig, wird die Situation immer schwieriger. Separatisten führen einen regelrechten Religionskrieg gegen alle Christen, die sich nicht dem orthodoxen Moskauer Patriarchat unterordnen. Inzwischen kommt es bereits zu Gewalttaten.

Von Florian Kellermann | 17.10.2014
    Pro-russische Rebellen gehen am 13.10.2014 bei einer Kontrollstelle nahe Donezk, Ukraine; in Position.
    Der Konflikt in der Ukraine ist auch religiös aufgeladen. (picture alliance / dpa / Alexander Ermochenko)
    "Es war am Trinitatis-Fest, die vier verließen mit den anderen Gemeindegliedern nach dem Gottesdienst die Kirche. Da kamen Bewaffnete in Uniformen und nahmen sie mit, seither haben wir sie nicht lebend gesehen. Erst Tage später, als die Separatisten die Stadt verlassen hatten, wurde ihr Grab entdeckt. Warum die Separatisten sie ermordet haben? Ich glaube, einfach, weil sie Protestanten waren. Sie haben nichts Gesetzeswidriges getan und hatten auch keine Feinde. Sie wurden wegen ihres Glaubens ermordet", erzählt Viktor Kurilenko, der Prediger der Gemeinde.
    Zwei der jungen Männer waren Söhne des Pastors. Die anderen beiden - Diakone der Gemeinde - haben Familien mit elf Kindern zurückgelassen. Die Separatisten erklärten später, die vier Ermordeten hätten der ukrainischen Armee geholfen, hätten ihren Soldaten Essen gebracht.
    Gewalt gegen protestantische Gläubige ist dort allgegenwärtig, wo die prorussischen Separatisten die Macht haben. Immer wieder werden Pfarrer und aktive Gemeindeglieder entführt und gefoltert. Die Kämpfer rauben ihre Wohnungen aus und stehlen ihre Autos.
    Viktor Kurilenko erinnert das an finstere Zeiten:
    "Ich bin im Kommunismus geboren, da war es üblich, verfolgt, verurteilt und bestraft zu werden für den Glauben. Aber seit die Ukraine unabhängig ist, seit 23 Jahren, hat die Staatsmacht uns nie irgendwie verfolgt dafür, dass wir Protestanten sind."
    Doch für die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine gehört das zu ihrem Weltbild. Sie stilisieren sich zu Verteidigern einer angeblich autarken russischen Kultur, zu der auch der orthodoxe Glaube gehöre. So ist in der sogenannten Verfassung der von ihnen ausgerufenen "Volksrepublik Donezk" zu lesen: Der russisch-orthodoxe Glaube solle der vorrangige und herrschende Glaube sein. Die Separatisten erkennen dabei nur diejenigen orthodoxen Gemeinden an, die sich dem Patriarchen in Moskau unterordnen, nicht das ebenfalls orthodoxe Kiewer Patriarchat.
    Moskauer Patriarchat spricht von Einzelfällen
    Bei vielen Priestern des Moskauer Patriarchats stoßen sie damit auf offene Ohren. Videos zeigen, wie Popen Straßensperren der Separatisten segnen. Anführer ließen sich in voller Kampfmontur kirchlich trauen. Sie verurteile das, erklärt die Leitung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. Ihr Sprecher Igumen Pafnutyj:
    "Es gab höchstens Einzelfälle, in denen Priester die Kämpfer gesegnet haben. Die Kirche kann niemanden segnen, der in den Krieg zieht - sondern nur diejenigen, die sich verteidigen. Wir wissen, dass Gotteshäuser anderer Konfessionen geschändet wurden, unserer Kirche tut das sehr leid. Wir sollten alle den Hass in uns besiegen. Der Grund für all das ist ein geistlicher: Die Menschen haben sich von Gott entfernt."
    Eine viel zu zurückhaltende Stellungnahme, meinen die Kritiker der Ukrainisch-Orthodoxen Moskauer Patriarchats. Sie fordern von der Kirche, dass sie ihren Einfluss auf die Separatisten geltend macht. Der Pastor der Pfingstgemeinde in Slowjansk bat den örtlichen Popen um Hilfe, als seine Kinder und die Diakone entführt worden waren. Nach Aussage der Gemeinde weigerte sich der Geistliche. Sprecher Igumen Pafnutyj kennt den Vorfall nicht:
    "Es gibt viele Beispiele für unchristliches Verhalten gegenüber anderen, gegenüber Kriegsgefangenen. Wir rufen alle, die Macht über andere haben, dazu auf, das nicht zuzulassen, nicht zu foltern, zu erniedrigen, zu beleidigen. Unser Oberhaupt Onufriy ermahnt in jeder Predigt zum Frieden, nicht nach Schuldigen zu suchen, sondern nach Wegen aus dieser furchtbaren Krise."
    Kritischer Sprecher entlassen
    Der ehemalige Sprecher der Ukrainisch-Orthodoxen Moskauer Patriarchats, Heorhij Kowalenko, hatte sich deutlich politischer geäußert. Die Separatisten seien Spalter, hatte er erklärt, die Ukraine müsse ungeteilt erhalten bleiben. Kowalenko lobte die Regierung in Kiew: In ihrem Kampf gegen die Separatisten verteidige sie das Gute gegen das Böse.
    Beim Patriarchen in Moskau dürften solche Worte nicht gut angekommen sein. Er ist eng mit der russischen Regierung verknüpft, die wiederum mit den Separatisten kooperiert. Im September entließ die Kirche Sprecher Kowalenko aus seinem Amt. Offiziell heißt es, er habe eine wichtigere Aufgabe bekommen.
    Die Pfingstgemeinde in Slowjansk indes versucht, den Verlust ihrer Mitglieder zu überwinden. Prediger Viktor Kurilenko:
    "Bei der Beerdigung seiner Söhne hat der Pastor gesagt: Die uns wehtun wollten, haben uns tatsächlich wehgetan. Aber unseren Glauben haben sie nicht beschädigen können. Er dient der Gemeinde weiter und richtet uns auf, trotz seines großen Schmerzes."