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Ostukraine
Zwangsarbeiter aus "Lugansker Volksrepublik" befreit

Tausende Häftlinge in den Straflagern der sogenannten Volksrepubliken in der Ostukraine werden zu schwerer unentgeltlicher Arbeit gezwungen. Gestern wurde nun ein Häftling entlassen. Möglich war das vermutlich nur dank der Hilfe von engagierten Menschenrechtsaktivisten.

Von Sabine Adler | 18.01.2018
    Eleonora Ribalko und Tejmuras Nichodin, der aus einem Gefängnis in der Ostukraine freigelassen wurde. Im Sommer 2017 hatte Nichodin dem Deutschlandfunk gegenüber von Zwnagsarbeit im Gefängnis berichtet.
    Eleonora Ribalko und der freigelasse Tejmuras Nichodin (Sabine Adler (Deutschlandradio))
    Es herrscht ein emsiges Hinüber und Herüber am Grenzübergang Stanzija Luganskaja. Die meisten sind bepackt mit riesigen Einkäufen, denn in den sogenannten Volksrepubliken fehlt es an allem. Ein scharfer Wind weht den Schnee in die langen Schlangen. Nach stundenlangem Warten hüpft die 35jährige Eleonora Ribalko in die Höhe:
    "Er hat mich gesehen und ein Herz in die Luft gemalt."
    Ihr Ehemann ist in Sicht. Vor neun Jahren musste er wegen Diebstahls in das Straflager in Krasnij Luschne, das damals in der Ukraine lag. Seit der Besetzung 2014 haben die Lugansker Separatisten dort das Sagen. Erst gestern bekam Eleonora die erlösende Nachricht:
    "Früh um sieben hat er mich angerufen, dass er frei ist. Er kann es nicht glauben."
    "Man kommt in Einzelhaft, in den Karzer, in einem Keller"
    Tejmuras Nichodin hätte bereits im Mai entlassen werden müssen. Ohne die Ostukrainische Menschenrechtsgruppe von Vera Jastrebowa und Pawel Lissjanski wäre der 37jährige vermutlich noch lange nicht auf freiem Fuß:
    "Wir haben nach den Regeln der sogenannten Lugansker Volksrepublik gespielt und uns ihren Gesetzen gebeugt. Hätten wir uns nicht eingeschaltet, wäre er erst in zwei Jahren entlassen worden."
    Übergang Stanzija Luganskaja in der Ostukraine
    Der Übergang in Stanzija Luganskaja (Sabine Adler (Deutschlandradio))
    Letzten Sommer hatte Tejmuras Nichodin gegenüber unserem Sender am Mobiltelefon aus dem Gefängnis heraus von der Zwangsarbeit berichtet.
    "Wie viele Menschen sind in der Strafkolonie? Wie viele von Ihnen arbeiten?"
    "Über 600, der größte Teil arbeitet. Weit mehr als die Hälfte. Wer sich weigert, für den sind die Folgen nicht so angenehm."
    "Was passiert dann?"
    "Man kommt in Einzelhaft, in den Karzer, in einem Keller. Das Minimum sind 15 Tage, dann drei Monate, dann bis zu einem halben Jahr."
    Insgesamt anderthalb Jahre verbrachte er in Isolationshaft im Karzer. Die nach ukrainischem Gesetz verbotene Zwangsarbeit in den Straflagern spült dringend benötigtes Geld in die Kassen des Lugansker Regimes. Die Juristin Vera Jastrebowa erzählt auf der Fahrt zum Grenzübergang von der neuen Studie ihrer Organisation, die den Ertrag für das Jahr 2017 beziffert:
    "Im vergangenen Jahr betrug der Gewinn fünf Millionen Dollar. Hergestellt wird eine breite Palette von Waren: Baumaterial, Gitter, Treppen, Gehwegplatten, Spielgeräte für Kinderspielplätze, und die Frauen nähen vor allem Kissen und Bettbezüge."
    Neuer Paragraf sieht laut Aktivisten Todesstrafe vor
    Noch mehr als die Zwangsarbeit beunruhigt die Juristin ein neuer Paragraf in dem 2015 verabschiedeten Strafrecht der sogenannten Volksrepublik.
    "Das ist der Artikel 58, der die Todesstrafe vorsieht. Darüber redet keiner, alle ignorieren das in der Ukraine, sie sagen einfach, wir erkennen die LNR sowieso nicht an. Aber da leben schließlich unsere Leute."
    Pawel Lissanksi und Vera Jastrebowa setzen sich ein für die Häftlinge in den Straflagern, um die sich die Regierung in Kiew nicht kümmert, weil die Ukraine ein Rechtsstaat werden soll, der eine Tages zur EU gehört.
    Gefragt nach seinen Plänen für ein Leben in Freiheit, antwortet der der Ex-Häftling Tejmuras Nichodin:
    "Ich werde Klage vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof einreichen – unbedingt."
    Die Separatisten in Lugansk sollen sich wegen der Zwangsarbeit und der Freiheitsberaubung verantworten.