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Frankreich
Mit alten Slogans gegen die neue Reform

Staatspräsident Emmanuel Macron wird mit der ersten großen Protestbewegung seiner Amtszeit konfrontiert. Im ganzen Land sind Streiks und Demonstrationen gegen seine geplante Arbeitsrecht-Reform angekündigt. Auch viele junge Franzosen wollen gegen die Pläne des einstigen Hoffnungsträgers auf die Straße gehen.

Von Suzanne Krause | 12.09.2017
    Ein Transparent mit dem Schriftzug "'La Nuit Debout" hängt über einer Statue am Place de la Republique in Paris
    Ein Transparent mit dem Schriftzug "La Nuit Debout" hängt über einer Statue am Place de la Republique in Paris: Die gleichnamige Protestbewegung war 2016 gegen die damalige Arbeitsmarktpolitik der französischen Regierung aktiv (picture alliance / dpa / EPA / Ian Langsdon)
    Entschlossen wählt Célia Da Costa Cruz die Telefonnummer vom Hôtel Matignon, dem Amtssitz des Premierministers. Sie möchte nachhaken, ob Édouard Philippe ihre Karte erhalten habe, sagt sie der Dame in der Vermittlung. Eine formvollendete Einladung zur heutigen Protestaktion, die Célia Da Costa Cruz, Chefin der Jugendorganisation der französischen Grünen, neulich abgeschickt hat - übrigens auch an Staatspräsident Emmanuel Macron. Für Célia Da Costa Cruz gibt es gute Gründe für das Nein zur geplanten Arbeitsrecht-Reform:
    "Bei der geplanten Reform stehen viele soziale Errungenschaften für die Arbeitnehmer auf dem Spiel, ohne dass die Maßnahmen wirtschaftlich effizient wären. Speziell betroffen sein werden die prekärsten Personen, junge Leute, Frauen."
    Alleine haben die Jeunes Écologistes ihren Demo-Aufruf allerdings nicht verfasst, sagt Célia Da Costa Cruz: "Es handelt sich um eine gemeinsame Aktion mit anderen Jugendbewegungen: denen der Sozialisten, der Kommunisten sowie einigen Studentengewerkschaften."
    Der Geist von "Nuit Debout" lebt weiter
    Laut einer aktuellen Umfrage halten 57 Prozent der Befragten die Proteste gegen die Arbeitsrecht-Reform für gerechtfertigt. 66 Prozent, der Rekord, sind es in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. Noch höher dürften die Zahlen liegen bei denen, die sich im vergangenen Jahr der Bewegung "Nuit Debout" angeschlossen hatten. Schließlich verdankt sie ihre Entstehung im Frühjahr 2016 der breiten sozialen Protestbewegung gegen die Arbeitsgesetz-Reform der damaligen sozialistischen Regierung. Monatelang haben sich da vor allem junge Leute allabendlich bis in die tiefe Nacht hinein auf dem Pariser Platz der Republik versammelt, um zu diskutieren und Visionen für eine in ihren Augen gerechtere Welt zu entwickeln.
    Und der Geist von "Nuit Debout" lebt weiter - in der in diesem Frühjahr ausgerufenen Bewegung "Front Social". Von Teilen der Gewerkschaften aus der Taufe gehoben, zählen zur "sozialen Front gegen Macron" mittlerweile 70 Vereine und Organisationen, Veteranen von "Nuit Debout". - Unter ihnen Mathilde. Ihren Nachnamen hält die junge Aktivistin geheim. Ihre Meinung aber gibt sie bei einer öffentlichen Veranstaltung des "Front Social" lautstark kund:
    "Das einzig Gute mit Macron ist: Wir brauchen uns keine neuen Slogans gegen die Arbeitsrecht-Reform auszudenken. Wir können erneut die anstimmen, die wir schon letztes Jahr monatelang gesungen haben - jetzt noch einen Ton schärfer."
    Jimmy Losfeld hingegen wird dem Protestmarsch an diesem Dienstag fern bleiben, der Präsident der Fage, einer der größten Studentengewerkschaften im Land, hat keine Zeit. Weil er gerade gegen eine andere neue Regierungsmaßnahme ankämpft: die Kürzung des monatlichen Wohngelds um fünf Euro. Davon betroffen seien auch 800.000 Studierende, sagt Losfeld. Sehr kritisch kommentiert er die bisherige Politik von Emmanuel Macron:
    "In den ersten hundert Amtstagen hat der Staatspräsident die junge Generation keineswegs in den Mittelpunkt gestellt. Es ist viel die Rede von der Zukunft, aber kaum je von den jungen Leuten. Das ist schon ein ziemlicher Widerspruch."
    Viele junge Franzosen haben den Glauben an die Politik verloren
    Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Frühjahr hat Emmanuel Macron bei den Jungwählern noch 66 Prozent der Stimmen einstreichen können. Jeder Dritte in dieser Altersgruppe hat aber die Stimmabgabe verweigert - deutlich mehr als in den anderen Wählergruppen. Viele junge Franzosen hätten den Glauben in die Politik verloren, sagt die Chefin der Grünen Jugendorganisation Jeunes Écologistes, Célia Da Costa Cruz:
    "Bei den Stimmen für Macron handelte es sich eigentlich eher um Stimmen gegen Marine Le Pen. Ich denke, deshalb war die Wahlenthaltung so massiv. Emmanuel Macron scheint zu denken, die Leute hätten seinem Wahlkampfprogramm zugestimmt - und damit auch den Reformen, die er durchdrücken will. Doch bei der Bevölkerung ist das Misstrauen groß: Viele haben bei der Wahl ja einfach nur gegen das Programm von Emmanuel Macrons Konkurrentin gestimmt."
    Dass viele junge Franzosen auch sein Programm nicht unterstützen, wollen sie ihm heute zeigen.