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OSZE-Vorsitz Serbiens
Problemfall oder geeigneter Vermittler?

Die Entscheidung, dass Serbien den OSZE-Vorsitz 2015 übernimmt, fiel lange, bevor die Ukraine-Krise begann. Jetzt zeigen sich viele OSZE-Staaten skeptisch, ob Serbien mit seinem besonderen Verhältnis zu Moskau die richtige Wahl ist.

Von Ralf Borchard | 04.12.2014
    Ivica Dačić, Außenminister von Serbien, spricht am 05.11.2014 bei einer Podiumsdiskussion über Bosnien und Herzegowina in der britischen Botschaft in Berlin. Auf Einladung des britischen Außenministers Hammond und dem deutschen Amtskollegen Steinmeier treffen sich die Außenminister des Westlichen Balkans in die britischen Botschaft in Berlin zu einer Konferenz.
    Der serbische Außenminister Ivica Dačić wirbt für die neue Rolle seines Landes (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Die OSZE ist mit dem Ukraine-Konflikt schlagartig wieder ins Rampenlicht gerückt.Der serbische Außenminister Ivica Dacic wirkt nicht gerade glücklich, dass plötzlich große Verantwortung auf ihm lastet:
    "Wir müssen das machen, ob wir das wollen oder nicht", so Dacic. "Nicht diese Regierung hat die Kandidatur für den OSZE-Vorsitz beantragt. Das wurde schon vor Jahren gemacht, als Boris Tadic serbischer Präsident war. Damals herrschte ein anderes politisches Klima. Keiner hat mit einer Krise gerechnet. Dies ist jetzt eine große Herausforderung. Und wir werden uns damit beschäftigen müssen."
    Unter den 57 OSZE-Staaten gibt es viel Skepsis, ob gerade Serbien der richtige Vorsitzende in der Ukraine-Krise ist. Serbien steht nach den Balkan-Kriegen der 1990er-Jahre immer noch unter kritischer Beobachtung – obwohl es inzwischen EU-Beitrittskandidat ist. Der Streit um den Status des Kosovo, früher serbische Provinz, inzwischen unabhängig, ist nach wie vor nicht ausgestanden. Vor allem pflegt Serbien traditionell enge Beziehungen zu Russland. Der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic versucht, zu beruhigen:
    "Wir werden eine sehr ernsthafte, verantwortungsvolle und konstruktive Rolle einnehmen, die sowohl der Osten als auch der Westen respektieren werden", so Vucic. "Beide Seiten können uns vertrauen. Ich sage überall ganz offen, dass ich die Sanktionen gegen Russland skeptisch sehe, das sage ich sowohl in Brüssel als auch in Moskau. Wenn ich in Moskau bin, sage ich auch, dass sich Serbien auf dem europäischen Weg befindet und nicht auf irgend einem anderen. Man kann völlig beruhigt sein, wenn man ein reines Gewissen hat und eine klare Politik vertritt."
    Gute Beziehungen zu beiden Seiten nutzen
    Dass sich Serbien in Richtung Europäische Union bewegt, ohne dabei das enge Verhältnis zu Russland aufgeben zu wollen, kann in der OSZE auch von Vorteil sein, sagt Sonja Stojanovic, Direktorin des Zentrums für Sicherheitspolitik in Belgrad. Ihr Motto: Die guten Beziehungen zu beiden Seiten nutzen, um in der Ukraine-Krise als Makler auftreten zu können:
    "Es wird erwartet, dass Serbien bei der Überbrückung der Kluft zwischen Russland und Westeuropa hilft, indem es gute Beziehungen mit dem Einen wie dem Anderen pflegt, in dem es sozusagen Raum für wechselseitige Treffen schafft", so Stojanovic.
    Die serbische Politikwissenschaftlerin betont auch, dass die neutrale Schweiz, die den OSZE-Vorsitz 2014 inne hatte, schon seit Monaten eng mit Serbien zusammenarbeitet - und auch künftig Unterstützung versprochen hat. An der Spitze der OSZE wird auch 2015 eine Troika stehen, der dann neben der Schweiz und Serbien auch Deutschland angehören soll. Deutschland übernimmt nach Serbien den OSZE-Vorsitz 2016:
    "Ich denke, dass wir die Chancen des aufeinanderfolgenden Vorsitzes nutzen können, dass wir dort, wo wir keine Ressourcen haben, auf die freundschaftliche Hilfe der Schweizer zurückgreifen können, die ihr Handwerk in der Ukraine-Krise gründlich gelernt haben. Und dass auch das Verhältnis zum nächsten Vorsitzenden, Deutschland, diesem wichtigen europäischen Land, noch enger wird."
    Nach Stojanovics Worten ist der serbische OSZE-Vorsitz so auch eine Chance. Ja, Serbien wird besonders kritisch beobachtet werden, meint sie. Doch wenn das Land seine Sache gut macht, kann das Serbien international deutlich voranbringen: auch mit Blick auf das Ziel einer EU-Mitgliedschaft.